Landesparteitag am Samstag - Berliner FDP in der Findungsphase
4,6 Prozent der Stimmen erhielt die FDP bei der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Februar. Damit schaffte sie es nicht wieder ins Parlament. Nun will sie sich neu aufstellen. Von Kirsten Buchmann und Leonie Schwarzer
Ein heller Raum mit modernen Holzmöbeln, die Tür steht weit offen. Früher, bevor die Berliner FDP mit 4,6 Prozent der Stimmen aus dem Abgeordnetenhaus flog, war hier am Gipsdreieck in Berlin-Mitte das Wahlkreisbüro der damaligen Abgeordneten Maren Jasper-Winter. Jetzt wurde der Raum umfunktioniert zu einem "liberalen Labor", darauf weist auch ein großer Pappaufsteller im Schaufenster hin.
Es soll ein Ort sein, um zusammenzukommen, nach außen sichtbar zu bleiben und neue Ideen zu entwickeln. Am Tisch sitzen heute FDP-Mitglieder aus verschiedenen Ortsverbänden, geplant wird die Auftaktparty mit Grill und Gästen.
Angetrieben wird Maren Jasper-Winter auch vom Ärger über die neue schwarz-rote Koalition in Berlin: "Das, was wir hier bisher sehen und was mit der großen Koalition kommen wird, ist derartig ambitionslos, visionslos und kleinteilig, dass das sehr wichtig ist, was wir hier machen." Ihr gehe es darum, gemeinsam mit anderen Liberalen Ideen zu entwickeln: Wie kann in Berlin die Verwaltung smarter werden, wie kann die Stadt das Thema Fachkräftemangel durch mehr Digitalisierung in den Griff bekommen, wie die Schulbauoffensive nach vorne bringen und moderne Mobilitätskonzepte schaffen?
Stärkerer Fokus auf Spitzenkandidat:innen
Auch FDP-Landeschef Christoph Meyer will nach vorne blicken, wie er sagt - als erstes die Partei organisatorisch anders aufstellen. Beim Parteitag am Samstag soll ein Antrag eingebracht werden, mit dem Kandidatinnen und Kandidaten bei der nächsten Wahl statt wie bisher über die Bezirkslisten künftig per Landesliste bestimmt werden sollen.
Denn "damit können wir deutlich stärker die Fokussierung auf den Spitzenkandidaten oder die Spitzenkandidatin und das Team darum legen", so Meyer. Künftig würden dann zumindest bei der Zweitstimme auf jedem Stimmzettel die gleichen Namen stehen, bislang unterscheidet sich das noch von Bezirk zu Bezirk.
Doch welche Verantwortung trägt überhaupt Ex-Spitzenkandidat Sebastian Czaja? Auf vielen Wahlplakaten lächelte er die Berlinerinnen und Berliner an – auch mal kopfüber – und versprach eine bessere Verwaltung und autofreundlichen Verkehr. Christoph Meyer sagt, er glaube nicht, dass das schlechte Abschneiden an Czaja gelegen habe, er habe gut in seinem Wahlkreis abgeschnitten. "Es gibt jetzt keine Schuldzuweisungen in der Berliner FDP", sagt Meyer. Die Partei habe ihre Themen, zum Beispiel Wirtschaftskompetenz, stärker zuspitzen müssen.
Noch in der Aufarbeitung
Generell sei die Partei noch in der Aufarbeitung. Was allerdings schon durch Zahlen belegt ist: Vor allem an die CDU verlor die FDP Wählerinnen und Wähler, insgesamt knapp 30.000 Stimmen. "Vielen Leuten ging es am Ende darum, dass es nicht weitergeht mit Rot-Grün-Rot", sagt Meyer. Viele hätten daher zunächst sicherstellen wollen, dass die CDU stärkste Kraft werd – und ihre Stimme deshalb nicht der FDP gegeben.
Ähnlich sieht das auch Felix Reifschneider, der als Verkehrsexperte der Liberalen im Abgeordnetenhaus saß. "Uns ist es als FDP nicht ausreichend gelungen, uns als Alternative zu diesem Senat zu präsentieren", so Reifschneider, "das hat die CDU besser gemacht als wir." Nur anderthalb Jahre lang saß er im Abgeordnetenhaus, bis er wie die gesamte FDP-Fraktion im Februar rausflog.
Reifschneider sagt: "Da geht unheimlich viel Knowhow, politisches Naherleben und Mitmachen für die FDP verloren." Die Aufgabe der FDP in Berlin und den Ortsverbänden sei nun, diesen Verlust auszugleichen. Es gehe darum, auch weiter mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber zu sprechen, was sie bewegt – und die liberalen Antworten darauf zu schärfen.
Mittlerweile ist Felix Reifschneider in seinen alten Job zurückgekehrt: Von seinem jetzigen Bürofenster im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung blickt er auf das 250 Meter entfernte Abgeordnetenhaus. So intensiv wie als Abgeordneter könne er sich der FDP momentan nicht widmen. Vielmehr müsse er priorisieren, in welche Themen er sich für die FDP Prenzlauer Berg reinhänge.
Hoffen auf eine neue Regierung
Maren Jasper-Winter im liberalen Labor in Mitte sagt, sie wisse noch nicht genau, wie es für sie persönlich weitergehe - vermutlich zurück in die Energiewirtschaft, als Juristin zu Vattenfall. Ihr Vertrag dort ruhe. Gerade engagiert sie sich neben dem liberalen Labor auch im FDP-Bundesvorstand als Beisitzerin.
Was Berlin angeht, zeigen sich die drei Liberalen Meyer, Reifschneider und Jasper-Winter einig: 2026 würden die Liberalen wieder ins Abgeordnetenhaus einziehen. Denn, so argumentiert Maren Jasper-Winter: "Das, was sich in der großen Koalition abzeichnet, ist Stillstand pur. Man wird sich einrichten und gucken, wie man die drei Jahre zusammen übersteht."
Es klingt, als wolle sie sich Mut machen, wenn sie sagt, um die Stadt zukunftsfähig aufzustellen, hoffe sie auf eine neue Regierung – was heißen soll: eine Regierung mit der FDP. Momentan läuft für ihre Partei noch die Phase der Umorganisation. "Es ist nicht die Zeit sich zu streiten, oder Differenzen zu suchen, sondern zusammenzuhalten", sagt Jasper-Winter, "denn nur zusammen können wir es auch schaffen, in drei Jahren wieder gestärkt ins Abgeordnetenhaus einzuziehen."
Ob ihr das gelingt und wo die FDP im Wettbewerb mit den anderen Parteien bei der kommenden Abgeordnetenhauswahl landen wird, bleibt spannend.
Sendung: rbb24 Abendschau, 05.05.2023, 19:30 Uhr