Zweimal ohne erforderliche Mehrheit - Kai Wegner im dritten Wahlgang zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt

Do 27.04.23 | 21:45 Uhr
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Kai Wegner, Berlins neuer Regierender Bürgermeister, leistet im Berliner Abgeordnetenhaus seinen Amtseid. (Quelle: dpa/Christophe Gateau)
Video: rbb|24 | 27.04.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: dpa/Christophe Gateau

Erst im dritten Anlauf haben die Berliner Abgeordneten Kai Wegner zum neuen Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt. In zwei Wahlgängen hatte der CDU-Kandidat zuvor die erforderliche Mehrheit verfehlt.

In einem mehrstündigen Wahlkrimi hat das Berliner Abgeordnetenhaus erstmals seit mehr als 20 Jahren wieder einen CDU-Politiker zum Regierenden Bürgermeister gewählt. Der 50-jährige Kai Wegner bekam am Donnerstag erst im dritten Wahlgang ausreichend Stimmen, um die Nachfolge von Franziska Giffey anzutreten.

Er erhielt in der geheimen Abstimmung 86 Ja-Stimmen, genau so viele, wie die Koalitionspartner CDU und SPD zusammen an Abgeordneten haben. 70 Abgeordnete stimmten im dritten Wahlgang gegen Wegner. Wegner nahm die Wahl an.

Giffey und Evers Bürgermeister

Nach der Wahl wurde die Amtsübergabe im Roten Rathaus vollzogen. Dort wurden auch die neuen zehn Senatorinnen und Senatoren ernannt und anschließend im Abgeordnetenhaus vereidigt. Wegner ernannte Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey zur Bürgermeisterin und Finanzsenator Stefan Evers zum Bürgermeister.

Anschließend traf sich der neue Senat zu seiner konstituierenden Sitzung im Roten Rathaus. CDU und SPD stellen künftig jeweils fünf Senatorinnen und Senatoren.

Ältestenrat einberufen

In den ersten beiden Wahlgängen war Wegner gescheitert. Er bekam zunächst 71 Ja-Stimmen, im zweiten Anlauf 79 Stimmen. Für die ersten beiden Wahlgänge war eine absolute Mehrheit von 80 Stimmen nötig. Die neue Berliner Koalition aus CDU und SPD verfügt über 86 Stimmen und die Opposition aus Grünen, Linken und AfD über 73.

Nach Ende des zweiten Wahlgangs hatten die Fraktionen von Bündnis 90/Grünen und Linken die Einberufung des Ältestenrates beantragt. Einen dritten Wahlgang habe es noch nie in Berlin gegeben, hieß es von der Linken zur Begründung, deshalb müssten offene rechtliche Fragen geklärt werden. Die Sitzung wurde deshalb für eine halbe Stunde unterbrochen.

Wegner: "Ich glaube, dass die AfD hier chaotisieren will"

Für Diskussionen sorgte eine Ankündigung der AfD, im dritten Durchgang der geheimen Wahl für Wegner zu stimmen.

Der neue Regierende Bürgermeister, Kai Wegner, sagte im rbb, er glaube nicht, dass er Stimmen aus der AfD-Fraktion erhalten habe. "Wir hatten 86 Stimmen, das ist genau die Koalitionsmehrheit", so Wegner. "Ich glaube, dass die AfD hier chaotisieren will, sie will das nutzen, weil ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass die AfD einen Regierenden Bürgermeister wählt, der die größte AfD-Jägerin aus ganz Deutschland nach Berlin holt."

Damit spielte Wegener auf die Berufung der neuen Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für die CDU) an, die sich zuvor als stellvertretende Chefin des Bundesamtes für Verfassungsschutz für eine Beobachtung der AfD durch die Behörde ausgesprochen hatte.

In SPD gab es Vorbehalte gegen Schwarz-rot

Politiker von CDU und SPD hatten sich nach dem zweimaligen Scheitern Wegners gegenseitig die Schuld für das Wahl-Debakel zugewiesen. In der SPD gibt es Vorbehalte gegen eine schwarz-rote Koalition. Denn mehrere Kreisverbände, die SPD-Jugendorganisation Jusos und Gewerkschaften hatten gegen die Koalition mit der CDU mobil gemacht.

Die Berliner CDU hatte sich einstimmig für ein gemeinsames Bündnis mit der SPD entschieden. Bei einem CDU-Parteitag war der Koalitionsvertrag ohne Gegenstimme durchgegangen, bei der SPD fiel die Zustimmung in einem Mitgliedervotum mit 54,3 Prozent deutlich geringer aus.

CDU wählt Stettner zum Nachfolger von Wegner als Fraktionschef

Nach der Wahl Wegners zum Regierenden Bürgermeister wählte die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus einen neuen Vorsitzenden. Dirk Stettner, zuletzt baupolitischer Sprecher der CDU im Landesparlament, wird Wegner als Fraktionschef nachfolgen. Er habe bei der Wahl eine Zustimmung von 92 Prozent bekommen, teilte der Sprecher der Fraktion, Olaf Wedekind, am Donnerstagabend nach einer Sondersitzung mit.

Zum neuen Parlamentarischen Geschäftsführer wählte die Fraktion Stephan Schmidt, Abgeordneter aus Reinickendorf. Er bekam den Angaben zufolge eine Zustimmung von 83 Prozent. Schmidt ist Nachfolger von Stefan Evers, der als neuer Berliner Finanzsenator vereidigt wurde.

Die CDU war als stärkste Partei aus der Wiederholungswahl im Februar hervorgegangen und hatte SPD und Grüne auf die Plätze verwiesen. Giffey war daraufhin bereit, für die Koalition mit Schwarz-Rot ihr Amt aufzugeben, das sie bei einer Fortsetzung von Rot-Grün-Rot behalten hätte. Die Abstimmung im Februar war nötig geworden, weil es bei der regulären Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 zahlreiche organisatorische Pannen gegeben hatte.

Sendung: rbb Fernsehen, 27.04.2023, 20:15 Uhr

 

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516 Kommentare

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  1. 516.

    "Die AfD hat heute mal staatspolitische Verantwortung übernommen, indem sie eine Hängepartie, mögliche Neuwahlen und eine schwere Regierungskrise verhindert hat, und nun ist das auch wieder falsch??? "

    Sie können ihre AfD noch so in den Himmel heben wollen, die rechtsextreme AfD bleibt eine demokratiefeindliche und wird nie "staatspolitische Verantwortung" übernehmen, sondern wird weiterhin versuchen die Demokratie zu beschädigen.

    Die cDU leistet dabei Schützenhilfe.

  2. 515.

    ... Nun haben wir wieder einen sogenannten "3. Wahl-Senat" oder auch "Holzklasse". In dieser Hinsicht bleibt sich Berlin ja seit mehr als 30 Jahren treu ...

  3. 514.

    Es ist ein Pyrrhussieg mit dem sich schlecht gestalten lässt.

  4. 513.

    Es ist ein Pyrrhussieg mit dem sich schlecht gestalten lässt.

  5. 512.

    Was ist daran keine Demokratie, wenn Abgeordnete in freier, geheimer Wahl nach ihrem Gewissen abstimmen dürfen?

  6. 511.

    Das aktuelle Beispiel zeigt erneut: Die SPD ist nur noch ihrer Bezeichnug nach eine "Partei". Real ist sie bloß noch ein Pool von Mitgliedern mit völlig unterschiedlichen politischen Überzeugungen und Zielen - die grüppchenweise uneinig bzw. zutiefst zerstritten sind. Es bedarf einer Neu-Zuordnung der Mitglieder auf Parteien mit betreffenden Überzeugungen und Zielen - wonach es wohl möglich keine "SPD" mehr gibt.

  7. 510.

    Die Frage, die sich schon seit längerem stellt, ist doch, ob das überhaupt noch eine Demokratie im klassischen Sinn ist, wenn man das Verhalten der Parteien und teilweise auch der Medien beobachtet? Ein gewisser Machtmißbrauch ist nicht von der Hand zu weisen.

  8. 509.

    54% der SPD-Parteimitglieder haben für den Koalitionsvertrag gestimmt - also 46% dagegen. Verwunderlich sind die Ergebnisse, der Wahlgänge zur Wahl des reg. Bürgermeisters, für mich nicht

  9. 508.

    Die Opposition sollte nicht aus Frust…
    Sie meinen wie so mancher Wähler bei der Wiederholungswahl? Berlin ist gespalten und das ist auch nicht Schlimm. Die Stadt ist groß und in unterschiedlichen Bezirken, wird unterschiedlich gedacht. Es wird nur frustrierend, wenn manche glauben ein Recht zu haben, Bezirke in denen sie nicht wohnen, mit PKWs vollstopfen zu dürfen. Das wird einfach nicht funktionieren, egal wer regiert. Voll ist voll und gefährlich bleibt gefährlich.

  10. 507.

    Selbst bei einer Wahl im 1. Wahlgang wäre alles Spekulation wer, wen gewählt hat oder nicht. Das ist nun einmal der Vor-/Nachteil einer geheimen Wahl. Also Ende mit Vermutungen !.

  11. 506.

    Viele, die sonst AfD gewählt hätten, haben nicht die eigene Partei gewählt, sondern taktisch, um RotGrün zu verhindern, die CDU. Da hat im Vorfeld auch keiner gefragt, wo die Stimmen hergekommen sind. Jetzt ist es plötzlich ein Thema ! Trotzdem bleibt die CDU für die AfD ein natürlicher politischer Feind, dem man Stimmen abjagen will. Langfristig wird die AfD aber weiterhin zulegen. Da helfen auch nicht nicht die falschen Etiketten.

  12. 505.

    Wo ist es demokratisch etwas zu behaupten, was nicht bewiesen ist und wird?
    So, wie Frau Jarasch und Frau Schubert meinen sich zu äußern, ist nicht ansatzweise demokratisch!
    Da werden Grün und Rot wohl alles daran setzen, alles zu blockieren, um am Ende des Tages sagen zu können, haben wir doch gesagt, die können es nicht.
    Und man darf nicht vergessen zu erwähnen, da haben jetzt einige hoch dotierte Posten verloren. Und Macht!

  13. 504.

    Da waren sicher einige SPDler so feige offen zu einer Koalition mit der CDU zu stehen.
    Die hätten wahrscheinlich lieber das RGR-Gewurschtel beibehalten.

    Mit im Roten Rathaus sitzen ja aber nicht konsequent dazu stehen.

    PFUI TEUFEL kann ich dazu nur sagen !!!

  14. 503.

    Sehr geehrter E.Herr,
    in der DDR hatten wir definitiv keinen Kommunismus. Es war eine sozialistische Gesellschaft auf dem Weg zum Kommunismus. Zumindest in der Theorie. Real war es nur eine schnöde Diktatur, wie sie überall vorkommt. Eine Diktatur mit ideologischem Anspruch, der von einer Hegemonialmacht diktiert wurde, aber nie funktionierte. Wie so oft ging es nur um Macht.

  15. 502.

    Ein Trauerspiel, leider...und ein gefundenes Fressen für die Opposition, die sich noch immer ihre Wunden leckt. Im Abgeordnetenhaus sitzen Vertreter demokratisch gewählter und damit legitimer Parteien. Damit sollte sich jede Diskussion, wer welche Stimmen abgegeben hat, erübrigen. Geheime Stimmabgabe bedeutet, dass wir als Bürger nie wissen, welche Partei in einer Sache dafür bzw. dagegen gestimmt hat. Das zu beweisen ist kaum möglich, eine Diskussion darüber reine Spekulation. Berlin hat verdient, das jetzt ohne Wenn und Aber regiert und agiert wird. Ich wünsche Hr. Wegner u. seiner Mannschaft viel Kraft und Erfolg. Er wird es brauchen, da ihm die Opposition viele Steine in den Weg legen wird. Und: die Opposition täte gut daran, aus Frust nicht zuviel zu blockieren, wenn sie langfristig wieder eine Rolle im Senat spielen wollen. Die nächsten Wahlen kommen bestimmt!

  16. 501.

    Und die Anti-Demokraten von links, die Kommunisten vergessen Sie bei ihrem Strohmannargument Weimar mal wieder? Die Linkspartei ist die umbenannte SED und der Kommunismus hat durch Lenin, Stalin, Mao, Pol Pot und deren Wirken im Holodomor, "Sprung nach vorn", Großer Terror, Roter Terror u.a. 100 Millionen Menschen im 20. Jahrhunderts das Leben gekostet, vgl. Schwarzbuch des Kommunismus.

  17. 500.

    Hier nun wilde Spekulationen zu äußern, wer für die mehrheitlichen Stimmen verantwortlich ist, ist mühsam, kontraprodultiv und nicht zu beweisen, weil die Stimmgabe geheim war. Damit hätte die AFD womöglich erreicht, was sie vorhatte: mächtig Unruhe zu stiften. Echt jetzt. Mir ist es völlig egal, Hauptsache, die Kuh ist endlich vom Eis und es kann gearbeitet und regiert werden. Die Medien sollten gar nicht erst anfangen, auf den Zug der Spekulationen aufzuspringen. So ist Demokratie eben. Wenn zukünftig solches Theater wie heute im Abgeordnetenhaus vermieden werden soll, könnte die Geschäftsordnung ja geändert werden - und die geheime Stimmabgabe in eine öffentliche geändert werden, ein Spiel mit offenen Karten. Fakt ist, die Grünen, in persona Fr. Jarasch, haben im Anschluss gleich gezeigt, dass sie schlechte Verlierer sind. Wir werden ja sehen, wie die Opposition zukünftig agiert. Meine Vermutung: Sie werden alles blockieren, was Schwarz-Rot zur Abstimmung bringt.

  18. 498.

    Wenn Giffey nicht in den Hintergrund geht wird das Stimmen aus CDU-Wählerkreisen geben. Nur von Links kommt garantiert nichts nach.

  19. 497.

    Lese gerade, ganz empört ist Herr Ramelow, und redet vom "Parlamentarismus". Oder stößt Ramelow eigentlich die Meldung sauer auf, dass die AfD in Thüringen auf 28 Prozent kommt, während Ramelow verliert und auf 22 Prozent zurückfällt. Offensichtlich finden die Thüringer die Merkel-Eingabe, mit der Ramelow an die Macht kam, nicht besonders demokratisch.

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