Vorlage für Senatssitzung - Innenverwaltung lehnt Wahl und Volksentscheid am selben Tag ab

Mo 28.11.22 | 18:52 Uhr | Von Thorsten Gabriel
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Eine Person hält ein Plakat zum Volksentscheid "Berlin 2030 Klimaneutral" in der Hand
Audio: rbb24 Inforadio | 29.11.2022 | Thorsten Gabriel | Bild: IMAGO/Stefan Boness/Ipon

Die Senatsinnenverwaltung will den Klima-Volksentscheid nicht mit der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl zusammenlegen. So steht es in einer Vorlage für die Senatssitzung am Dienstag. Widerspruch kommt von den Grünen. Von Thorsten Gabriel

Mehrfach hatten sowohl Innensenatorin Iris Spranger (SPD) als auch Landeswahlleiter Stephan Bröchler erklärt, dass sie es für fraglich hielten, den voraussichtlichen Volksentscheid "Berlin 2030 klimaneutral" mit der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl im Februar zusammenzulegen. Nicht nur die Klima-Initiative selbst hatte dies immer wieder gefordert. Nun fasst eine Vorlage für die Senatssitzung am Dienstag, die dem rbb vorliegt, alle Vorbehalte gegen eine Doppelpack-Lösung zusammen. In der Konsequenz lehnt die Innenverwaltung eine Zusammenlegung "ausdrücklich als unvertretbar" ab.

In der Vorlage argumentiert sie nicht nur mit den bekannten Bedenken, dass eine zusätzliche Abstimmung eine fehlerfreie Wiederholungswahl gefährden könne. Sie verweist auch darauf, dass Terminfristen, die eigentlich bei Volksentscheiden vorgesehen sind, nicht eingehalten werden könnten. So sehe das Abstimmungsgesetz vor, dass bei einer Zusammenlegung von Wahlen und Abstimmungen die für die Wahlen geltenden Fristen gelten würden. Damit müssten spätestens ab dem 2. Januar nicht nur die Wahl-, sondern auch die Abstimmungsbenachrichtigungen an die Wahlberechtigten versandt werden.

Die für die Wahl beauftragte Druckerei ist ausgelastet

Damit dies möglich wäre, müsste das IT-Dienstleistungszentrum des Landes Berlin (ITDZ) bis zum kommenden Mittwoch, 30.11., die druckfertigen Unterlagen erhalten. Der Senat könne seine Stellungnahme zum Volksentscheid allerdings erst am nächsten Dienstag abgeben, wenn das Auszählungsergebnis des Volksbegehrens offiziell im Amtsblatt veröffentlicht wurde. Die Geschäftsstelle des Landesabstimmungsleiters - wie Bröchlers Funktion im Falle eines Volksentscheides heißt - wird dieses Ergebnis voraussichtlich am Dienstag bekanntgeben, bevor es ans Amtsblatt geht.

Hinzu kommt laut der Vorlage der Innenverwaltung, dass die mit dem Druck der Wahlunterlagen beauftragte Druckerei nicht noch parallel die Abstimmungsdokumente drucken könnte. Kapazitäten dafür habe die Druckerei erst wieder ab Mitte Januar. Eine andere Druckerei müsste per neuer Ausschreibung gefunden werden, was vergaberechtlich nicht mehr fristgerecht möglich sei.

Gleichzeitige Abstimmung über Volksentscheid hätte Folgen für Wahlorganisation

Schließlich wird in der Vorlage darauf hingewiesen, dass eine gleichzeitige Abstimmung über den Volksentscheid und die Wiederholung der Abgeordnetenhaus- und Bezirksverordnetenversammlungswahlen unmittelbare Auswirkungen auf die Organisation am Wahl- bzw. Abstimmungstag hätten. Die prognostizierte Zeit pro Stimmabgabe von drei Minuten müsste sich erhöhen, weil viele Abstimmende die Informationsbroschüren zu einer Abstimmung erst in der Abstimmungskabine lesen würden.

Infolgedessen müsste sich die Zahl der Wahl- und Abstimmungslokale noch einmal erhöhen. Es bestehe die Gefahr, dass es "aufgrund der deutlichen Verlängerung der zu erwartenden Wahl- und Abstimmungszeit in der Wahlkabine erneut zu unzumutbaren Wartezeiten und zu einem Wählen nach 18:00 Uhr führen würde", so die Innenverwaltung. Nur eine organisatorische Entkoppelung der beiden Termine könne sicherstellen, dass "diese beiden demokratisch so wichtigen Ereignisse angemessen vorbereitet und nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes durchgeführt" werden könnten.

Grüne und Linke halten an Doppeltermin fest

Unterdessen wird aus den Regierungsfraktionen von Grünen und Linken weiterhin darauf gedrängt, Volksentscheid und Wahlen zusammenzulegen. Die Grünen-Fraktion fasste am Wochenende sogar einen entsprechenden Beschluss. Direkte Beteiligung dürfe nicht durch "Verfahrenstaktik abgewehrt" werden. Dies schade dem Vertrauen in die Demokratie. Zudem bedeute eine Aufteilung für die Bezirke eine enorme Doppelbelastung und es müssten für zwei Termine "viele Millionen Euro Steuergelder" ausgegeben werden.

Der Linken-Abgeordnete Ferat Koçak warf Innensenatorin Spranger und der SPD vor, den Volksentscheid aus politischen Gründen verzögern zu wollen. Damit würde die direkte Demokratie "sabotiert". An einem separaten Termin hätte die Initiative kaum die Chance, das nötige Quorum für einen erfolgreichen Volksentscheid zu erreichen.

Aus den Bezirken hatte es dagegen in den vergangenen Tagen Zuspruch für die Haltung des Senats gegeben, insbesondere aus den Innenstadtbezirken und auch aus dem grün-regierten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.11.2022, 9 Uhr

Beitrag von Thorsten Gabriel

45 Kommentare

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  1. 45.

    "Dieser mögliche Volksentscheid ist reiner Links/grüner Populismus. " Was sie hier verbreiten ist dann rechtsbrauner Populismus?

    Sie haben sich offensichtlich nicht mit den Zielen des Volksbegehren "Berlin 2030 klimaneutral" auseinandergesetzt und verbreiten hier Stammtischparolen.

    Und wenn Spranger und Bröchler demokratische Grundprinzipien verhindern wollen sind beide unverzüglich zu entlassen, falls sie nicht freiwillig zurücktreten. Spranger fällt nicht zum ersten Mal damit auf die FDGO nicht verinnerlicht zu haben. Liegt das an ihrem Studium?

  2. 44.

    Dieser mögliche Volksentscheid ist reiner Links/grüner Populismus. Sollte er im Sinne der Initiative erfolgreich sein, wird rein gar nichts davon umgesetzt werden können, weil in dieser Zeit unmöglich und Gott sei Dank Berlin eine arme Stadt ist und dafür keine Milliarden da sind!!
    Schuldenstand Berlin heute: 63 Mrd €, pro Berliner Einwohner sind das über 17.000 €, damit liegt Berlin an dritter Stelle hinter Bremen und Hamburg.

  3. 43.

    Lt."Erfahrungen mit anderen Initiativen" gab es bis zu 25% ungültige Stimmen. : "261.968 sind deutlich drüber" könnte eng werden, vor allem, wenn man verfolgt hat, wie viele Leute mehrfach unterschrieben haben.

  4. 42.

    "Man weiß ja": muß man wissen, wa? "Man" weiß auch, daß und wie ausgezählt wurde und wieviele Stimmen bislang immer so ungültig waren und "man" hat Erfahrungen mit anderen Initiativen: und 261.968 sind deutlich drüber.

  5. 41.

    "Berlin hat Schwierigkeiten einfache Aufgaben zu bewältigen. Aber zwei Dinge auf einmal - das geht gar nicht. Sicher könne man Geld sparen und ökologischer wäre es auch, aber es würde in die Hose gehen und müsste sowieso wiederholt werden. Berlin ist sowas von..... (Vorschläge dürfen gerne gemacht werden)." Warum verschwenden Sie Ihre kostbare Zeit mit dieser Endlosschleife Berlin- bashing, wo es Sie doch gar nicht betrifft. DAS ist so was von....

  6. 40.

    Erst einmal abwarten, ob nach der Auszählung es immer noch die geforderte Anzahl von 175.000 gültigen Unterschriften gibt.
    Man weiß ja, das Initiatoren gerne einmal bei der Angabe von Zahlen „verschätzen“ und/oder schönreden.

  7. 39.

    Berlin hat Schwierigkeiten einfache Aufgaben zu bewältigen. Aber zwei Dinge auf einmal - das geht gar nicht. Sicher könne man Geld sparen und ökologischer wäre es auch, aber es würde in die Hose gehen und müsste sowieso wiederholt werden. Berlin ist sowas von..... (Vorschläge dürfen gerne gemacht werden).

  8. 38.

    Andere Länder sind uns da weit voraus. Aber hier werden sogar für, von den Grünen initiierte Volksentscheide, analoge Wahlzettel, weiterhin Bäume abgeholzt.

  9. 37.

    Das ist die Partei, die das Volksbegehren mit auf den Weg gebracht hat. Angeblich die einzige Partei, die einen Plan hat, um das 1,5 Grad Ziel in Berlin zu erreichen: www.klimaliste-berlin.de

  10. 36.

    Interessante Argumentation, die genau die Befürchtung befeuert, dass die Zusammenlegung aus sachfremden Gründen verhindert werden soll.

    Wie soll Berlin klimaneutral werden, wenn es beim besten Willen nichtmal möglich sein soll, die Abstimmungsunterlagen rechtzeitig zu drucken?

  11. 35.

    Verstehe eure Aufregung nicht.

    Ob ich nächstes Jahr nun 1x oder 3x wählen gehe, ist mir schnuppe. Für mich ist das eine Bürgerpflicht.

  12. 34.

    Vielleicht ist es an der Zeit über einen Volksentscheid "klimaneutral" in digitaler Form abzustimmen.

  13. 33.

    Damit nicht wieder irgendwelche Verquickungen oder/und Probleme entstehen bei der Neuwahl finde ich diese Entscheidung der Innenverwaltung SEHR GUT.

  14. 32.

    Da gibt es doch überhaupt nichts zu diskutieren. Für die Wiederholungswahl hat das Verfassungsgericht eine Frist gesetzt und der Termin steht.
    Für den Volksentscheid gibt es gesetzliche Fristen zu wahren, was bis zu dem Termin aber rein rechnerisch gar nicht mehr möglich ist. Damit hat sich dann auch jede Diskussion.

  15. 30.

    1990 wählte Ostberlin 3 mal.
    Mit deutlich höheren Wahlbeteiligungen als heute.
    Warum sollte sowas heute nicht mehr funktionieren?

  16. 29.

    Also ich bin für 3 verschiedene Termine für die Wahlen. Dann kann ich 3 mal die 240 € einheimsen. Das macht zusammen 720 €. Correct.

  17. 28.

    Vielleicht will die Verwaltung auch üben, indem wir nächstes Jahr dreimal wählen...

  18. 27.

    Es geht darum, dass es völlig panne wäre im Februar AGH/BVV-Wahlen zu veranstalten und dann im März den Volksentscheid (der spätestens innerhalb der nächsten 4 Monate stattfinden muss). Nach dem Wahlgesetz sollen Wahlen und Volksentscheide möglichst an einem Tag stattfinden, da dies Kosten spart und mehr Menschen an einem Volksentscheid teilnehmen, wenn am gleichen Tag eine Wahl ist, was die direkte Demokratie stärkt.

  19. 26.

    „Mammutaufgabe“

    Für Berliner mit Dunning-Kruger-Effekt-Makel ist es das sicherlich.

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