Berliner Wiederholungswahl - AfD-Wahlkampf mit Leerstellen
Im Endspurt geben die Parteien alles, lassen ihr Personal auf Parteitagen schaulaufen und stellen auf Pressekonferenzen letzte neue Ideen vor. Nur eine veranstaltet keine Parteitage und präsentiert auch keine neuen Ideen: die AfD. Von Sabine Müller
In den Mienen von AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker und ihrem Bau-Experten Harald Laatsch spiegelt sich leichte Enttäuschung. Der Fraktions-Konferenzraum im fünften Stock des Abgeordnetenhauses ist fast leer, außer dem rbb ist an diesem Montagvormittag niemand der Einladung zum Pressegespräch gefolgt. Was bei Harald Laatsch die bekannte Klage auslöst, die AfD werde von den Medien regelmäßig ignoriert: "Die Erfahrung lautet, dass wir da einfach beschwiegen werden. Das heißt, wir kommen mit unseren Big Points eigentlich gar nicht durch."
Die naheliegendere Erklärung für die weitgehende Abwesenheit der Medien ist allerdings eine andere: Dieser Termin birgt keine "News", hier wird nichts Schlagzeilenträchtiges verkündet. Der jüngste Entwurf für ein Kleingartenflächensicherungsgesetz, über den die AfD in der nächsten Parlamentssitzung sprechen will, ist bereits vier Monate alt. Er stand im vergangenen Herbst sogar schon einmal auf der Tagesordnung des Abgeordnetenhauses. Die AfD wärmt schlicht Altbekanntes auf, um den rot-grün-roten Regierungsfraktionen etwas entgegenzusetzen, die vom Senat ein neues Gutachten zur Zukunft der Kleingärten einfordern.
Unter "Big Points" – also: zentral wichtige Themen – würde die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler die Kleingärten vermutlich nicht verbuchen. Umso erstaunlicher, dass die AfD sich gerade dies für das erste Pressegespräch aussucht, das sie in der heißen Wahlkampfphase überhaupt veranstaltet.
Große mediale Ereignisse fehlen
Fakt ist: Die AfD bietet den Medien im Vergleich zu den anderen Parteien im Abgeordnetenhaus gerade wenig große öffentliche Berichterstattungsanlässe. Es gab zum Beispiel keine Parteitage, um öffentlichkeitswirksam erneut die Spitzenkandidatin zu küren oder neue inhaltliche Akzente zu setzen. Die AfD begründet dies damit, es sei für sie einfach zu schwierig, überhaupt einen großen Veranstaltungsort zu finden. Denn kaum jemand will den Rechtspopulisten Räume vermieten.
Ein kleinerer Raum für eine Pressekonferenz stünde der AfD in ihrer Parteizentrale oder im Abgeordnetenhaus allerdings jederzeit zur Verfügung. Es wäre daher kein großer Aufwand, es den anderen Parteien gleichzutun und im Wahlkampfendspurt vor Kameras und Mikrofonen ein paar neue Ideen zu pushen. So wie etwa die Grünen ihre Zwei-Milliarden-Initiative für die Wärmewende, die Linke ihre Extra-Milliarde für den kommunalen Wohnungsbau oder die CDU ihre "Klima-Autobahn", der A100-Überdeckelung.
Partei- und Fraktionschefin Kristin Brinker stempelt solche Auftritte vor der Presse als unseriös ab: "Jetzt im Wahlkampf kommen sie plötzlich mit irgendwelchen Ideen und Milliarden-Vorschlägen. Ich verfolge den Ansatz, eine seriöse Politik zu machen und seriöse Politik heißt für mich, nicht Milliarden zu versprechen, die wir gar nicht haben." Die Vermutung, die Zurückhaltung der AfD könnte damit zusammenhängen, dass die Partei inhaltlich einfach nichts Neues zu bieten habe, weist Brinker zurück.
Bürger-Wut zu Stimmen machen
Was die AfD unter seriöser Politik versteht, zeigt sich vor allem im Netz und in den sozialen Medien, wo sich Kristin Brinker wohler zu fühlen scheint als in klassischen Pressekonferenzen. Kurz nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht veröffentlichte die AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus ein Video auf ihrem YouTube-Kanal. Bevor die Polizei irgendwelche Angaben zum Hintergrund der Tatverdächtigen gemacht hatte, war Brinker schon auf Sendung und schürte rassistische Ressentiments: "Ja, wer sind denn die Täter? Das wissen wir doch alle, wenn man sich die Bilder anschaut."
Die AfD will die Wut vieler Bürgerinnen und Bürger über die Silvesternacht am Wahltag in Stimmen ummünzen. Im rbb24 Inforadio forderte Kristin Brinker, Tatverdächtige mit doppelter Staatsbürgerschaft auszubürgern und auch bei einer Wahlkampf-Kundgebung vorm Schloss Charlottenburg spielte das Thema eine zentrale Rolle, als die AfD-Chefin in die Menge rief: "Kriminelle Ausländer müssen abgeschoben werden. Unsere Einsatzkräfte brauchen Schutz vor kriminellen Attacken."
Optimismus trotz Konkurrenz
Es scheint so, als setze die AfD darauf, dass Themen wie die innere Sicherheit oder die Kritik an der deutschen Migrationspolitik nach den Silvester-Krawallen Selbstläufer sind und auf sie einzahlen. Diese Annahme könnte allerdings trügerisch sein. Denn die CDU fährt nach den Silvester-Krawallen eine ungewöhnlich harte Linie – sie wollte unter anderem die Vornamen der deutschen Tatverdächtigen erfragen – und scheint damit Erfolg zu haben. Im aktuellen Berlin-Trend, der Vorwahl-Umfrage von infratest dimap im Auftrag rbb24 Abendschau und "Berliner Morgenpost", konnten die Christdemokraten jedenfalls am deutlichsten dazugewinnen.
AfD-Innenexperte Marc Vallendar schaut trotzdem zuversichtlich auf den Wahltag: "Die CDU hat versucht, uns rechts zu überholen. Das gelingt aber nicht, denn man wählt letztlich das Original." Die Spitzenleute der Rechtspopulisten ziehen ihren Optimismus daraus, dass es im Wahlkampf ungewöhnlich gut laufe, wie sie sagen. Es gebe weniger Konfrontation an den Wahlkampfständen und weniger beschädigte Plakate als sonst. Und was klassische Pressetermine angeht, verspricht AfD-Chefin Kristin Brinker: Da kommt auch noch was vorm Wahltag.