Kommentar | Koalition von CDU und SPD in Berlin - Schwarz-Rot startet mit Ballast im Gepäck

Mo 24.04.23 | 18:10 Uhr | Von Jan Menzel
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Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, und Kai Wegner (CDU), Vorsitzender der CDU Berlin, nehmen am 03.04.2023 an einem Pressetermin zur Vorstellung des ausgehandelten Koalitionsvertrags teil. (Quelle: dpa/Monika Skolimowska)
Bild: dpa/Monika Skolimowska

Die SPD-Mitglieder haben mehrheitlich "Ja" zur Koalition mit der CDU gesagt. Auch die CDU-Mitglieder votierten einstimmig dafür. Doch auf einem stabilen Fundament steht die Koalition nicht, kommentiert Jan Menzel.

Es ist bezeichnend, dass nur eine der Sozialdemokratinnen und -demokraten Erleichterung und große Freude zeigt: Franziska Giffey, die Noch-Hausherrin im Roten Rathaus und Landesvorsitzende der SPD, bekommt das Regierungsbündnis, das sie sich gewünscht hat. Rot-Grün-Rot war das nie. An Schwarz-Rot im Bund unter Angela Merkel denkt die ehemalige Bundesfamilienministerin dagegen gar nicht ungern zurück, wie sie sagt.

Nun also Schwarz-Rot auch in Berlin. Es gehe nicht um Liebe, sondern um Vernunft, betonen die Partner in Spe. Von gemeinsamen Visionen können sie nicht berichten, man wolle Verantwortung übernehmen, heißt es. Das klingt zunächst durchaus sympathisch unaufgeregt, pragmatisch und unideologisch. Es verkleistert aber, dass hier zwei Partner zusammenkommen, die wenig gemeinsam haben.

Gang unter Schmerzen

Von der SPD wissen wir - dank des Mitgliedervotums - dass viele unter Schmerzen in dieses Bündnis gehen müssen. Rechnet man dann noch das Drittel der SPD-Basis mit dazu, dass sich nicht an dem Votum beteiligt hat, sei es aus Desinteresse oder einer anderen Haltung heraus, dann wird klar: Das Fundament ist nicht eben stabil.

Und die CDU? Was die Parteimitglieder und Funktionäre dort wollen - außer endlich mal wieder regieren - wissen wir noch gar nicht so recht. Der Spitzenmann Kai Wegner und seine Leute haben bislang vor allem erfolgreich stillgehalten, um bloß nicht das Ja der SPD-Mitglieder zu gefährden. Dreieinhalb Jahre bis zur nächsten Wahl wird die CDU aber nicht abtauchen wollen, und das bedeutet: Die Konflikte kommen erst noch.

Genauso wie die CDU ihre Punkte in der Koalition machen will und muss, werden auch die im Mitgliederentscheid unterlegenen Sozialdemokraten nicht einfach verschwinden. Sie werden genau verfolgen, wie sozial die Mietenpolitik unter einem CDU-Bürgermeister Wegner sein wird, ob der versprochene Klimaschutz nur heiße Luft ist, ob angekündigte Radwege wegbleiben und wie gerecht es in der Bildungspolitik unter einer christdemokratischen Schulsenatorin zugeht. Was hübsch umschrieben im Koalitionsvertrag steht, muss sich erst noch als praxistauglich und mehrheitsfähig erweisen.

Zweieinhalb Jahre netto

Wie groß der Druck dabei auch von außen auf die ungleichen Koalitionäre ist, zeigt sich schon bevor Kai Wegner die Hand zum Eid gehoben hat. Der Präsident des Verbands Berliner Kaufleute und Industrieller lässt die SPD-Abgeordneten schon mal wissen, was sie zu tun haben: Nämlich Kai Wegner zu wählen und ja nicht bei der Bürgermeister-Wahl im Parlament mit "Nein" zu stimmen. Was nur noch fehlt ist das Wörtchen "gefälligst". Diese "Ansage" aus einem eher elitären Club an die Volksvertreter wird die Kritiker von Schwarz-Rot in der SPD in ihrer Ablehnung des Bündnisses bestärken. Es zeigt aber auch, wie groß die Nervosität, wie unterschiedlich die Milieus, und vor allem wie verschieden die Erwartungshaltungen und Interessen sind.

Alle im Politik-Betrieb wissen, dass dreieinhalb Jahre bis zum nächsten Wahltermin nicht lang sind - besonders angesichts von Riesen-Aufgaben wie Verwaltungsumbau und Wohnungsneubau. Von diesen dreieinhalb Jahren darf gut und gerne ein Jahr abgezogen werden für den Wahlkampf der dann heraufziehen wird. Schwarz-Rot spielt also gegen die Uhr.

Das neue Bündnis steckt voller Widersprüche und ist mit hohen Erwartungen konfrontiert. So verständlich Erleichterung und Freude bei einigen Sozial- und vielen Christdemokraten jetzt sind: Dass Schwarz-Rot ein Erfolg und gut für Berlin sein wird, ist noch lange nicht ausgemacht.

Beitrag von Jan Menzel

52 Kommentare

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  1. 52.

    Es zählen Fakten, und keine eigene Theorien.
    Wer mit seiner Wortwahl nicht zimperlich ist, und fast alles in Deutschland als. reaktionär, rechtsaußen, sozialdarwinistisch atc. abstempelt,der muss auf entsprechend antwort gefasst sein.

  2. 51.

    Bayern betreibt Lobby Bildung etc., das war so was von daneben.
    Meinn Sohn hatte seine Schulbildung in Bayern absolviert, und deswegen kann ich es beurteilen, schileßlich haben wir dort 28 Jahre gewohnt. Mein Sohn wohnt immer noch dort, und mein Enkel geht dort ebenfalls zur Schule.
    Wer keine Ahnung hat und nur weil er Bayern nicht leiden kann,.............


  3. 50.

    Sie sollten mit Ihrer Wortwahl vorsichtiger sein, haben Sie gar nicht verstanden worauf Sie antworten.

    Ich schrieb nicht über die Berechnung des Länderfinanzausgleichs.
    Sondern über die demagogische Verwendung der Tatsache /Summen Länderfinanzausgleich im CSU- und rechtsreaktionär-wirtschaftsliberalen Milieu.
    Also befinde ich mich gar nicht im Widerspruch zu ihnen.
    BIP pro Kopf gibt ein bestimmtes Milieu -gerne der Bayer an sich- als sozusagen Eigenleistung aus.
    Nicht als das Ergebnis einer vielschichtigen Grundlage, eines vielschichtigen Prozesses, in dem bestimmte Regionen aus ganz unterschiedlichen Gründen unterschiedliches BIP realisieren.

    Natürlich verschweigt sozialdarwinistisch-wirtschaftsliberales Milieu den republikanisch-demokratischen Zweck des Länderfinanzausgleichs. Denn schon das läuft seiner Weltanschauung zuwider.

  4. 48.

    Lieber etwas im Gepäck, als die Vorgängerregierung mit gar nichts.

  5. 47.

    @Dagmar: Hören Sie auf, persönlich zu werden. Sie kennen mich nicht
    Bleiben Sie doch bei der Sache.

  6. 46.

    @Sascha T.: Ich stimme Ihnen zu. Ich denke auch, dass die angewendeten Messparameter komplett veraltet sind. Bin eher bei der Ungleichverteilung der Bildungsmöglichkeiten. Es gibt immer noch den Zusammenhang zwischen Bildung und sozialer Stellung. Da muss die Gesellschaft ran.

  7. 45.

    Selten so einen Stuss gelesen.
    Man braucht nur das BIP pro Kopf mit anderen Bundesländern vergleichen, und dann ist klar, Bayern liegt ganz vorne, und deswegen muss es Länderausgleich an andere Bundesländer leisten, und da Berlin ganz hinten liegt bekommt es am meisten.

  8. 44.

    Hahahahaha - die CSU hat einfach geile Marketingabteilungen: Funzt!

    Man muss halt Strukturdaten lesen können. Das entwürdigende Menschen und Weltbild der CSU liegt da ganz richtig: Kann kaum jemand, tut kaum jemand.

    Bayern ist eines der höchstsubventioniertesten Bundesländer überhaupt.
    Das fährt Bayern über die zerstörerische grossindustrielle höchstsubventionierte Agrarwirtschaft ein. München lebt von den Bundessubventionen die Siemens einfährt. Landesansässige Autoindustrie fährt mit der Behauptung industrielle Kernbranche zu sein, seit Jahrzehnten direkte und indirekte Subventionen ein. (Liefert dann aber Betrugssoftware)

    Und dann - mal ne Frage...wieviel von all dem und noch mehr passt in ein Bundesland mit 891,8 Quadratkilometer?
    Also eine Ausdehnung von Ost nach West 45 km, von Nord nach Süd 38 km?
    Und welche Bundeshauptstadt stellt Bayern? Die von der CSU phantasierte, informelle?

  9. 43.

    "2026 wird es nicht für eine Mehrheit dieser Koalition reichen."

    Na da bin ich nicht so sicher. Die Gewöhnung an gar keine Fakten. An gar keinen Kontext herstellen können. An Erzählungen des rechten Mainstreams, die sich nach "Widerstand gegen Verbote und Obrigkeit" anhören sind doch recht weit verbreitet und wirksam. Das hatten wir ja grundstrukturell schon einmal. Bei den rechts-mässigen Erben Schillers und Goethes der Weltgeschichte. Ist die wichtigste Erkenntnis an den schlimmsten Irrtümern der Geschichte: "Wir" sind zunächst einmal noch überhaupt nicht von den Bäumen gestiegen. Blitzblanke Digitalwelt simuliert doch nur modern und Emanzipation.

    Also spielt zunächst mal keine Rolle was stimmt: Die Berliner, die Giffey-SPD hat die W-Wahl verloren. Nicht Grüne, nicht LINKE - und man darf annehmen: Die SPD auch nicht, die noch 18,4% erringen konnten trotz Giffey-Saleh-Geisel-SPD. Und im Mitgliederentscheid grundsätzlich fast die Hälfte der Berliner SPD stellen.

  10. 42.

    Irgendwie das Thema verfehlt, oder? Ich sehe keinen Bezug zu meinem Post.
    Ansonsten nur das langweilige Grünen-Bashing.

    Anscheinend ist das Gedächtnis bei Einigen schlecht, oder die Sachverhalte sind zu schwierig:
    Nicht die Grünen haben bei der Wiederholungswahl verloren, sondern die SPD. Und diese Entwicklung wird sich durch die Koalition eher fortsetzen. Wieso soll es da beim nächsten Mal wieder Schwarz-Rot geben? Zumal die CDU im Dezember noch bei 20% lag, wie all die Jahre zuvor auch. 2026 wird es nicht für eine Mehrheit dieser Koalition reichen. (Da kennen einige die zugewanderten Berliner, also die Mehrheit, aber schlecht. ;-) )

  11. 41.

    .... stimmt! Bei den nächsten Wahlen wieder Schwarz/Rot.
    Es hat sich ausgegrünt!
    Wenn die Grünen soviel steuerlichen Unfug veranstalten, dann fehlt es zu 100% an Glaubwürdigkeit!
    Das ist irreparabel!
    Fr. Jarasch : Setzen, 6!!!

  12. 40.

    Liebe Leni, Bayern ist ganz vorne. Zahlt jedes Jahr über 9Milliarden
    in den Länderfinanzausgleich, davon bekommt Berlin. über 4Milliarden.
    Also gibt es in Berlin noch sehr viel zu tun, damit man nicht von BAYERN abhängig ist .

  13. 39.

    Bin gespannt was aus dem 29 Euro Ticket wird. Es steht
    Ja im Koalitionsvertrag.
    Da sieht man dann wie schnell etwas umgesetzt wird. Das Ticket ist das einfachste und leichteste.

  14. 38.

    Für Sie ist die hiesige Allgemeinbildung eine Lobby - Bildung, na dann ist klar wie Sie "ticken", ensprechend ist auch der restliche Text.

  15. 37.

    "Bildungsmäßig abgehängt" sind Berlin und BRD nur dann, wenn man die unsäglichen üblichen Parameter anwendet. Mich interessieren OECD-Studien etc. Null, wenn da lediglich primitive Sachkenntnisse abgefragt werden - Kriterien aus dem letzten Jahrhundert. Noch immer wird "Bildung" an veralteten humanistischen und philologischen Idealen gemessen.
    Aber was etwa Sozialkompetenz angeht, hängt Berlin die BRD ab, und die BRD Indien. Mathe ist mir da komplett egal. In Zukunft werden ganz andere Kompetenzen eine Rolle für das (Zusammen-) Leben spielen.

  16. 36.

    Na das sehe ich gegenteilig. Bayern ist nicht vorne, sondern betreibt Lobby-Bildung!
    Ich weiß, dass Berlin zu den Schlusslichtern gehört. Wir sind die Schlechtesten von den Schlechten. Im internationalen Vergleich ist Deutschland abgehängt.
    Das liegt nicht an irgendwelchen Parteien, sondern ist eine Generationen-Frage. Die Nachkriegs- und Boomergeneration hat die nächsten Generationen ignoriert und die Wohlstandswelt nur für sich aufgebaut sowie den Zeitenwandel komplett verpennt.

  17. 35.

    Vollste Zustimmung! Sehr gruselig was uns Berlinern da ab Donnerstag droht. Aber wie Sie schon sagen, zum Glück auch nur ein kurzes Intermezzo, die nächsten Wahlen werden Berlin wieder auf den Weg bringen.

  18. 34.

    Als Erwachsener bestimmt man selbst, ob und wie man sich weiterbilden will, es reicht lesen zu können, und das lernt man in der Schule. In unserer medialen Welt kommt man an alle denkbare Themen, inklusive Fachliteratur etc.ohne sich in Unkosten zu stürzen.
    Man muss es nur wollen.

    Was die schulische Bildung betrifft ist Berlin das Schlusslicht, ohne die CDU, und Bayern ist mit der CSU ganz vorne.

  19. 33.

    Eben, es werden Parteien gewählt, und mit den Ergbnissen müssen die Parteien umgehen.
    Diesmal kam es zur CDU / SPD Koalition, und das ist gut so.

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