Erste Sitzung am Freitag - Aufarbeitung von Wegners Wahl erschwert Start des schwarz-roten Senats
Kai Wegner ist der neue Regierende Bürgermeister Berlins - allerdings der Erste, der erst im dritten Anlauf gewählt wurde. Nach dem turbulenten Wahltag will der neue Senat so schnell wie möglich an die Arbeit gehen - doch es gibt Diskussionsbedarf.
Nach der überraschenden Bürgermeister-Wahl am Donnerstag im dritten Anlauf hat Berlins neuer Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Christian Gaebler (SPD) eine interne Aufarbeitung angekündigt. Gaebler sagte am Freitagmorgen im rbb24 Inforadio: "Nach Übeltätern zu suchen nach einer geheimen Wahl, ist - glaube ich - relativ aussichtslos. Ich glaube, es wird da nochmal interne Diskussionen geben." Er räumte ein, es sei "sicher kein geglückter Start" gewesen. "Das müssen wir uns nicht schön reden", sagte Gaebler.
Man wolle jetzt eine gute Leistung für die Stadt bieten, und damit diesen Holperstart vergessen lassen, so Gaebler. Am Freitag nahm der Senat seine Arbeit auf. Der neue Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die zehn Senatorinnen und Senatoren kamen am Vormittag zu ihrer ersten Arbeitssitzung zusammen. Dann wurden die Staatssekretäre vereidigt. Später sollten in den Senatsverwaltungen Amtsübergaben erfolgen.
Wegner wollte am Nachmittag in seiner neuen Funktion an einer Feierveranstaltung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft zum 75. Unabhängigkeitstags Israels teilnehmen.
Nie zuvor brauchte ein Regierender Bürgermeister drei Wahlgänge
Die Mitglieder des Senats waren am Vortag erst nach stundenlanger Verzögerung vereidigt worden. Es hatte sich ein regelrechter Abstimmungskrimi um den Posten des Regierenden Bürgermeisters entwickelt. Der CDU-Landeschef Kai Wegner erreichte im Abgeordnetenhaus erst im dritten Wahlgang die Mehrheit, um als Nachfolger von Franziska Giffey (SPD) und als erster CDU-Politiker seit Eberhard Diepgen 2001 als Regierungschef im Roten Rathaus zu arbeiten.
Zweimal war der 50-Jährige zuvor gescheitert, ein Novum in der Geschichte des Abgeordnetenhauses - obwohl CDU und ihr Koalitionspartner SPD über genügend Mandate verfügen. Da die AfD erklärte, im dritten Wahlgang für Wegner gestimmt zu haben, gab es Spekulationen, der neue Regierungschef hätte von der Unterstützung der Partei abhängig gewesen sein können.
AfD veröffentlicht Liste mit angeblichen Wegner-Wählern
Am Freitag veröffentlichte die Berliner AfD eine Liste mit Abgeordneten, die nach ihren Angaben im dritten Wahlgang für Wegner gestimmt haben sollen. Damit will die Partei die Beteuerung von CDU und SPD widerlegen, letztlich hätten alle 86 schwarz-roten Abgeordneten geschlossen für Wegner gestimmt.
Die Liste zählt insgesamt zehn Namen. Demzufolge sollen u.a. AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker sowie ihre Vizes Alexander Bertram und Rolf Wiedenhaupt in der geheimen Wahl für Wegner gestimmt haben. Die AfD-Abgeordneten, die Wegner nicht wählen wollten, hätten sich mit der Entscheidung der anderen einverstanden erklärt und umgekehrt, erklärte Brinker.
Falls die Darstellung der AfD der Wahrheit entspricht, hätten im dritten Wahlgang sogar weniger schwarz-rote Abgeordnete für Wegner gestimmt als im zweiten. Überprüfen lässt sich das nicht.
CDU und SPD weisen Behauptungen zurück
Vertreter von CDU und SPD weisen die Angaben der AfD zurück. Der neue Bausenator Gaebler sagte am Freitag, man müsse sich "davor hüten, der AfD auf den Leim zu gehen". Es sei eine geheime Wahl gewesen, "es hat 86 Stimmen gegeben, die Koalition hat 86 Stimmen, da kann natürlich jeder immer mutmaßen, wer was abgestimmt hat".
Wegner selbst sagte dem rbb: "Ich glaube, dass die AfD hier chaotisieren will." Er könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, "dass die AfD einen Regierenden Bürgermeister wählt, der die größte AfD-Jägerin aus ganz Deutschland nach Berlin holt." Wegner dürfte sich dabei auf die neue Justizsenatorin Felor Badenberg beziehen, die zuvor im Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitete.
Wegner sagte zudem: "Das hätte ich mir natürlich anders gewünscht. Das hätten wir uns von der Koalition von CDU und SPD anders gewünscht." Aber der dritte Wahlgang sei verfassungsgemäß geregelt: "Der ist regulär." Daher freue er sich. Er habe eine Koalitionsmehrheit mit 86 Stimmen.
Dass drei Wahlgänge nötig gewesen seien, sei nicht schön, sagte der SPD-Landes- und Fraktionschef Raed Saleh der Deutschen Presse-Agentur. Er hätte sich "natürlich etwas anderes gewünscht", sagte Saleh, fast wortgleich mit Wegner.
Erinnerungen an Wowereit und Kemmerich
Die Abstimmung weckte Erinnerungen an die Wahl des früheren Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) im Jahr 2006. Der SPD-Politiker war damals erst im zweiten Wahlgang mit der knappsten Mehrheit von einer Stimme wiedergewählt worden.
Parallelen wurden auch gezogen zur Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich in Thüringen, der 2020 mit Stimmen von CDU und AfD für kurze Zeit Ministerpräsident von Thüringen wurde.
Sendung: rbb24 Inforadio, 28.04.2023, 9 Uhr
Die Kommentarfunktion wurde am 28.04.2023 um 19:34 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.