Mitgliederentscheid der Berliner SPD - Franziska Giffey und der Machtkampf um Schwarz-Rot

Fr 21.04.23 | 16:47 Uhr | Von Jan Menzel
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Archivbild: Giffey am 31.03.2023 in Berlin (Quelle: dpa/Annette Riedl)
Audio: rbb24 Inforadio | 22.04.2023 | Sebastian Schöbel | Bild: dpa/Annette Riedl

Berlin steuert auf eine Koalition von CDU und SPD zu. Franziska Giffey will dafür sogar ihren Posten als Regierende Bürgermeisterin opfern. Doch die SPD-Basis könnte diesen Plan durchkreuzen. Von Jan Menzel

Im Prime-Time-Theater im Berliner Stadtteil Wedding prallen die Positionen hart aufeinander. Die Berliner SPD hält hier die letzte großen Diskussionsrunde vor ihrem Mitgliedervotum über den mit der CDU ausgehandelten Koalitionsvertrag ab. Sarah Hegazy hat wie die meisten Jusos ihr Urteil schon gefällt: "Ich werde dagegen stimmen, weil ich es mir nicht vorstellen kann, dass die SPD in eine Koalition mit einer rassistischen CDU geht."

Ganz anders sieht Astrid Hollmann die Dinge. "Emotion runter, Verstand an und Ja gesagt", so die Kurzformel der 53-Jährigen, die bei der vergangenen Wahl vergeblich für das Abgeordnetenhaus kandidiert hat. "Der Koalitionsvertrag ist einfach so voll mit sozialdemokratischer Politik, dass man mit vernünftigem Blick gar nicht dagegen stimmen kann", sagt Hollmann.

Emotionale Achterbahn

Hollmann und Hegazy stehen stellvertretend für eine zerrissene Partei. Seit der Wahl im Februar befindet sich die SPD auf einer emotionalen Achterbahnfahrt. Auf den Schock vom Wahlabend folgte die Zitterpartie bis zum amtlichen Endergebnis, das eine rot-grüne-rote Koalition unter Führung der SPD zahlenmäßig ermöglicht hätte. Doch in den Sondierungsgesprächen schwenkten Giffey und der Co-Landesvorsitzende Raed Saleh überraschend um in Richtung CDU, obwohl das die SPD auf die Rolle des Juniorpartners reduziert. Seitdem herrscht offener Aufruhr in der Partei.

Die Befürworter einer schwarz-roten Koalition haben einen Aufruf mit dem Titel "Besser mit uns. Aus Verantwortung für Berlin" verfasst. Auffällig ist, dass vor allem Mandatsträger, Staatssekretäre und Mitarbeiter aus den Führungsetagen von Senatsverwaltungen unterzeichnet haben. Dazu kommen ehemalige Senatoren und Alt-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse.

Gegner fürchten um soziale Mietenpolitik und Klimaschutz

Sie argumentieren: Soziale Politik für die ganze Stadt lasse sich besser mit der CDU als mit Grünen und Linken verwirklichen. Die schweren Verluste der SPD bei der Abgeordnetenhauswahl hätten gezeigt, dass die Wählerinnen und Wähler von Rot-Grün-Rot die Nase voll haben. Für alle Mitglieder, die noch unsicher sind, hat die Regierende Bürgermeisterin Giffey die Warnung parat: "Ich möchte nicht, dass wir in der Opposition zuschauen, wie Schwarz-Grün regiert."

Widerspruch erntete Giffey prompt von der Landesvorsitzenden des Parteinachwuchses Jusos, Sinem Tasan-Funke. Neben der Opposition gebe es mindestens noch eine weitere Option. "Man kann mit den bisherigen Koalitionspartnern weiter sprechen", wirbt Tasan-Funke für die Fortsetzung von Rot-Grün-Rot.

Die Berliner Jusos haben sich an die Spitze der "NoGroko"-Bewegung gesetzt. Aber auch viele Genossen aus der "AG 60 plus" sind strikt gegen das Bündnis mit der CDU. Sie alle fürchten, dass in einer Koalition mit der CDU eine soziale Mietenpolitik genauso wie echter Klimaschutz auf der Strecke bleiben. Linke Sozialdemokraten wollen es auch nicht einfach auf sich beruhen lassen, dass die CDU nach der Silvester-Randale die Vornamen der Tatverdächtigen wissen wollte. Blanker Rassismus sei das, heißt es aus dem "NoGroKo"-Lager.

Giffeys Karriere steht auf dem Spiel

Ältere Mitglieder erinnern sich mit Grausen an die Zeit, als die Sozialdemokraten vom damaligen CDU-Bürgermeister Eberhard Diepgen klein gehalten wurden. Auch das motiviert zum Nein. Wie sehr die Gesamtpartei mit sich ringt, zeigt die Stimmung in den Ortsvereinen, Kreisverbänden oder Arbeitsgruppen. Zustimmung und Ablehnung zu Schwarz-Rot halten hier sich in etwa die Waage.

Das Kalkül der Regierenden Bürgermeisterin Giffey und des Landes- und Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh zielt darauf ab, dass eine Mehrheit der Parteimitglieder letztlich staatstragend abstimmt. Giffey könnte dann als Senatorin weitermachen und wäre immerhin noch Stellvertreterin eines Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner von der CDU. Fiele der Koalitionsvertrag hingegen durch, würde es Giffey zuerst treffen.

Ihre politische Karriere wäre vorerst vorbei. Auch ihr Amt als SPD-Landesvorsitzende würde sie eher früher als später verlieren. Für eine machtvolle Positionen fehlt Giffey eine eigene Hausmacht in der Partei. Die Schlüsselrolle käme in diesem Fall dem Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh zu.

Saleh baut vor

Ihm werden zwar auch die Misserfolge bei den vergangenen Wahlen angelastet. Anders als die Noch-Regierende Bürgermeisterin ist Saleh in der Partei vernetzt wie sonst niemand. Die Fraktion im Abgeordnetenhaus steht zudem hinter ihm. Und anders als Giffey hat er es in den vergangenen Tagen geschickt verstanden, für alle Fälle rhetorisch vorzubauen. Egal, wie die Basis entscheide, man werde das Votum akzeptieren, verkündete Saleh.

Wie gut diese Umarmungsstrategie verfängt, ist aber ungewiss. Die Juso-Vorsitzende Tasan-Funke frohlockte zuletzt öffentlich, dass sie ein Kippen der Stimmung in Richtung "NoGroKo" beobachte. Intime Kenner der SPD und ihres Seelenlebens und alte Parteistrategen wollen sich da nicht festlegen. Sie gehen aber davon aus, dass es beim Mitgliederentscheid ein knappes Ergebnis geben wird.

Sendung: rbb24 Inforadio, 21.04.2023, 17 Uhr

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Beitrag von Jan Menzel

76 Kommentare

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  1. 76.

    Na ja erstens gehts um Berliner Landespolitik und zweitens hat sich gerade ihre Partei in Regierungsverantwortung seit Schröder auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Und das in mehrfacher Hinsicht. Die von ihnen immer gerne kritisierte (und leider immer noch auf die DDR fokussierte) Linke gäbs ja ohne Schröder überhaupt nicht.
    Und aktuell stünde die Ukraine schon anders da, wenn man in Punkto Waffen nicht die Scholzsche Salami-Taktik gefahren hätte.
    Man kann ja in die Köpfe der Menschen nicht reinsehen, aber wir wissen schon, dass reden, denken und handeln meist nicht zusammengehen; insbesondere bei Politikern.

  2. 75.

    RRG kann nicht wieder gewählt worden seien, da RRG nicht zur Wahl stand, sondern einzelne Parteien. Man hätte rechnerisch wieder eine Koalition bilden können, aber angesichts der Tatsache, dass es gewaltige Stimmenverluste gab, muss man sich als politisch Verantwortlicher nach so einer deftigen Klatsche auch hinterfragen, ob es Sinn macht, auf Teufel komm raus, das Wahlvolk bei knapp 30 % der Stimmen für die CDU, weiter ideologisch zu quälen. Der Kurs den die Grünen gefahren haben, ist wohl nicht so gut angekommen, sonst hätten sie eine vielzahl die Stimmen der CDU bekommen. Das ist dann die Quittung, wenn man betriebsblind ist und die Interessen der Bürger vorsätzlich mißachtet.

  3. 74.

    Sie müssen einen anderen Wahlzettel gehabt haben als ich. Auf meinem standen nur Parteien/Einzelpersonen zur Wahl, keine Koalitionen.

    Bereits 2021 hatte Giffey noch mit der CDU koketiert und so die SOD aus dem Umfragetief geholt. Die Wähler haben sich daran erinnert.

    Die Linksalternativen treten seit Jahren auf der Stelle, während Bundesgrüne neue Wählerschichten haben erschließen können. Jarasch hat mittlerweile eingesehen, das konzeptlose Symbolpolitik wie z.B. in der Friedrichstraße ein Fehler war. Die Klatsche bei der von Ihr ausgerufenen Abstimmung über die Verkehrswende in Spandau war laut und deutlich. Dabei hatte sie direkt nach der Wahl selber den Kolitionsvertrag aufgekündigt und Neuverhandlungen gefordert.

    Die Linke steht kurz vor der Implosion hat hat sich selber als Koalitionspartner disqualifiziert. RRG ist deren letzte Hoffnung in Berlin. Es entbehrt jedoch nicht einer gewissen Komik, wenn Kipping den potenziellen SR-Senat dazu aufruft, mehr neu zu bauen.

  4. 72.

    Die Mehrheit der Wählenden hat RRG - unter Verlusten für die SPD - gewählt. In einer Wiederholungswahl. Damit war die laufende Koalition in laufender Legislatur bestätigt.
    Die trumpige Behauptung aus der Minderheit von 28% CDU-Wählenden, erschaffte sich auf wundersamer Weise eine Mehrheit "Die RRG nicht wollte", ist eine gemeinsame Behauptung des Wahlverlierers Giffey-SPD und der reaktionären Vornamen-CDU Berlins. Unter der Anmassung der Giffey-SPD, ihr stünde als Wahlverlierer zu koalitionsbrüchig zu werden und die Regierungsverhältnisse in laufender Legislatur auf den Kopf zu stellen. Eine sicher machtbewusste, aber dann doch eigentümliche Interpretation der 18% für die SPD. Die keinesfalls selbstverständlich damit eigentlich die CDU gewählt haben wollten. Eine CDU, die zudem nicht einmal ein Regierungsprogramm, geschweige denn regierungsfähige Koalitionsaussage zur Wahl gestellt hatte.

  5. 71.

    Ich bin durch die vielen hetzerischen Kommentare vom Max,Tim,Tom, Eric & Sven zum Thema Rechtsextremismus so angefixt,dass ich, wenn ich mich im öffentlichen Raum bewege, ständig ängstlich nach solchen Menschen ausschau halten muss. Ist denn das noch normal und was kann man dagegen noch tun ?

  6. 70.

    CDU hat demokratisch gewonnen. Ein sehr gutes Zeichen wie ich finde.

  7. 69.

    Wenn man das tägliche unterschwellige Beshing von rbb24, gegenüber der anstehenden CDU/SPD Regierung in Berlin, liest, hofft man geradezu, dass es die Koalition schafft.
    Auch um zu lesen, wie Grüne, SED und AfD zusammenarbeiten, um den CDU/SPD Arbeit zu tropedieren.
    Nur um zu sehen/lesen, wie sich das doch eher den Grünen zugeneigte Portal dann verhält.
    Ich drücke der SPD - denen ich so gar nicht nahe stehe - die Daumen, dass das Votum pro CDU und Berlin ausfällt.

  8. 68.

    Ich hoffe der Verstand für CDU/SPD setzt ein und der Populismus der Jusos endet am Sachverstand.
    Der CDU Rassismus vorzuwerfen ist Schwachsinn- wenn es um „Vornamen“ geht dann zuallererst sollte man die Kriminalstatistik lesen und außerdem betreibt man Opferschutz vor Täterschutz. Die Angst der Jusos reale Fakten zu benennen ist schon bezeichnend das der Bürger belogen werden soll und man Täter schütz - die Opfer sind zweitrangig. Zukunft heißt nicht RRG, das Desaster hat jeder erlebt

  9. 67.

    Und nein, das hat nichts mit Anti-Amerikanismus zutun. Ich fresse Burger, gucke deren Filme und höre ihre Musik. Das hat nichts mit der fundamentalen Kritik an dem sich kaum veränderbaren politischen Establissment, bestehenden aus meist sehr reichen Menschen, zu tun.

  10. 66.

    Von den Grünen hätte ich nichts anderes als Machterhalt erwartet.

  11. 65.

    Richtig, sehe ich genauso.
    Das Thema ist wichtiger, als diese Kommentare.
    Ich hoffe SPD und CDU kommen zusammen, auch wenn das nicht meine favorisierte Wahl ist. Hauptsache RGR ist abgewählt und man kann wieder hoffen, dass es der Stadt wieder besser geht.

  12. 64.

    Liebe Redaktion,
    Die Anpflaumerei zwischen "Max" und Anderen hier entartet Richtung persönliche Antipathie und geht am Thema vorbei. Bitte stoppen.
    Danke

  13. 63.

    Oh "Tom" aufpassen, da gibt es einen, der nennt sich "Max", der glaubt Du und ich sind ein und dieselbe Person.
    Aber mal Spaß beiseite, ich teile Deine Meinung voll und ganz.
    Gruß aus Spandau.

  14. 62.

    "opfern" ist nicht ganz richtig; sie überlässt den Posten vorübergehend jemand anderem. Sie hat ja schon angekündigt, dass es nur eine Übergangsphase ist und bei der nächsten Wahl geht's ihr wieder um den Posten.

  15. 60.

    Ja, seit dem ich in Deutschland lebe symphatisiere mit der SPD, und das ist gut so.
    Noch eins, mein Mann ist seit 52 Jahren ein SPD Mitglied, und gemau so lange leben wir zusammen.
    Ergo, Alles im grünem Bereich.

  16. 59.

    Geb ich Dir völlig recht. RRG-Wähler sind „Weltoffen, Tolerant, emphatisch, großzügig….“ wenn es um jeden geht außer bei den eigenen Mitbürger, da ist dann jeder Andersdenkender ein Nazi, Rassist, Rechter. Dieses Weltbild ist völlig krank.

  17. 58.

    Giffey will dafür sogar ihren Posten als regierende Bürgermeisterin OPFERN!!! SO eine nichtssagende arrogante machtgeile Person. Unfassbar Unsere Politiker

  18. 57.

    "Seien sie (ist eine Höflichkeitsform, die ihnen nicht zusteht)sicher, ich werde die nächste Zeit ihre(ist eine Höflichkeitsform, die ihnen nicht zusteht) Kommentare in den Berichten weiter intensiv verfolgen und bewerten. Freue mich drauf. "

    Als wenn sie meine Kommentare nicht die ganze Zeit aufmerksam verfolgen. Bitte... mein Zwerchfell kann nicht mehr...

    Haben sie Mitleid! Nur mit dem "freuen" glaube ich nicht wirklich...

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