Wahlwiederholung - Berlin, ein politischer Donut mit wachsender Kruste

Mo 13.02.23 | 17:01 Uhr
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Symbolbild: Eine Luftaufnahme von Berlin (Quelle: dpa/Westend61)
Bild: dpa/Westend61

Das Wahlergebnis zeigt, dass die Politik der bisherigen Regierung nur im Innenbereich Berlins Zuspruch findet. In den äußeren Gebieten repräsentiert hingegen die konservative Opposition die Mehrheit. Was sind die Gründe? Von Wanda Bleckmann, Haluka Maier-Borst und Hasan Gökkaya

Ost und West, reich und arm, alt und jung – oft sollen gegensätzliche Paare helfen, politische Ergebnisse zu deuten. Das ist natürlich eine Vereinfachung, denn weder gibt es den Wessi noch die Jungen als einen homogenen Klumpen. Trotzdem zeigt sich bei der Wahl eine klare Tendenz in Berlin: innen und außen. Denn während in den Innenbezirken der regierende Senat aus SPD, Grüne und Linke nach wie vor eine Mehrheit der Wählenden hinter sich weiß, bekommt die bisherige Opposition in den äußeren Gebieten am meisten Zuspruch.

Vor allem dank starker Zuwächse bei der CDU repräsentieren inzwischen CDU, FDP und AfD die Mehrheit der Wählenden in nicht nur in drei, sondern inzwischen in 27 der Berliner Abgeordnetenhaus-Wahlkreise.

Wie sehr sich die inneren Bezirke von den äußeren unterscheiden, ist auch daran zu erkennen, dass die bisherigen Koalitionskräfte geradezu eine Mehrheitsinsel mitten in der politischen Landkarte repräsentieren. Die letzten Ausnahmen in Treptow-Köpenick und Pankow sind mit der aktuellen Wahl vollends verschwunden.

Das Problem für die äußeren Gebiete ist nun der voraussichtliche Wegfall der FDP im Abgeordnetenhaus. Durch diesen wird es künftig weniger bürgerliche Stimmen im Abgeordnetenhaus geben. De facto sind damit auch nur noch 15 der Kreise sicher mit einer Mehrheit für die Opposition.

Was sind die Gründe für diese Entwicklung?

Berlin ist also politisch ein Donut - mit der CDU als Gewinner der Wiederholungswahl, wenn es um den Stimmenanteil geht. Die Partei holte 28,2 Prozent der Stimmen (vorläufiges Ergebnis) und hat damit gut zehn Prozent mehr als jeweils SPD und Grüne. Entsprechend schwarz gefärbt ist die politische Landkarte mit Blick auf Erst- und Zweitstimmen.

Das war aber nicht immer so: Nach der Wahl im September 2021 zog sich noch die Dominanz linker Parteien schräg durch die gesamte Stadt; von Spandau, entlang der Wahlkreise in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg, bis tief nach Treptow-Köpenick im Südosten Berlins. SPD und Grüne räumten vereinzelt auch noch in Pankow im Norden ab. Berlin, damals also alles andere als ein politischer Donut. Was sind die Gründe für diese Veränderung?

Zweitstimme - stärkste Kraft 2021 (links) und 2023 (rechts)
Zweitstimme - stärkste Kraft 2021 (links) und 2023 (rechts)Bild: Stat. Landesamt, GeoBasis-DE / BKG (2020)

In der Innenstadt kommt die "Law and Order-Rhetorik" nicht gut an

Antonios Souris, Politikwissenschaftler an der FU Berlin, spricht politisch betrachtet von zwei Städten - eine innerhalb der Ringbahn, eine außerhalb. Und er sagt: "Vermutlich haben die Wählerinnen und Wähler die Themen Verkehr und Zuwanderung anders priorisiert als die Menschen innerhalb der Ringbahn." Souris glaubt, dass die Wählerschaft in der Innenstadt zum Beispiel offener für Alternativen zum Auto ist als die Menschen in den Außenbereichen. "Auch beim Thema Multikulti wird es unterschiedliche Sichtweise geben", sagt er im Gespräch mit rbb|24. In Bezirken wie in Mitte, Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg käme die "Law and Order-Rhetorik" der CDU weniger gut an.

Ältere Wähler wechseln von SPD zu CDU

Roberto Heinrich, verantwortlich für die Meinungs- und Wahlforschung bei Infratest dimap, denkt jedoch, dass der zentrale Grund für den Sieg der CDU vor allem Protest sei. "Jeder zweite CDU-Wähler hat uns am Wahlsonntag erzählt, dass er in erster Linie nicht aus Überzeugung die CDU gewählt hat, sondern weil er von den anderen Parteien enttäuscht gewesen ist", so Heinrich im Gespräch mit dem rbb. Dem Wahlforscher zufolge hat die CDU viele Stimmen aus dem SPD-Lager hinzugewonnen, sie habe insbesondere bei älteren Wählerinnen und Wählern stark zugelegt. "Im Vorfeld der Wahl haben uns viele CDU-Wähler gesagt, dass sie sich am Thema Ordnung und Sicherheit orientieren. Dieser Themenkomplex ist traditionell älteren Wählern wichtig."

Auch Souris hält den Altersfaktor beim Blick auf die politische Landkarte für wichtig: "Im Vergleich zu anderen Bezirken ist in Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow und Neukölln vor allem der Anteil von Menschen zwischen 18 und 45 Jahren hoch. Und in dieser Altersgruppe liegen die Grünen deutlich vorne."

Sendung: rbb24 Abendschau, 13.02.2023, 19:30 Uhr

86 Kommentare

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  1. 86.

    Meinen Sie diese alberne Folgerung wirklich ernst oder war das nur ein kläglicher Versuch witzig zu sein?

  2. 85.

    Wenn weggekommen wird von bewertenden Begriffen wie Szenebezirk und gutbürgerlichen Bezirken am Rand von Berlin, so lässt sich feststellen, dass gerade bei der Verkehrspolitik die Stadt in der Tat gespalten ist: Jene am Stadtrand, die sich in weitaus hohem Ausmaß nicht vorstellen können, mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Innenstadt zu fahren und deshalb in hohem Ausmaß aus Prestigegründen das Kfz benutzen und Jene in den Innenstadtgebieten, bei denen alles zusammenläuft, sprich: die die Leidtragenden dieses Gedankens sind.

    Ggf. wäre es wichtig, von einem zugelegten Prestige zu lassen und den weiteren Ausbau der öffentlichen Verkehrsmitteln einzufordern. Es muss ja auch nicht unbedingt unterirdisch sein, denn auch oberirdisch hat Berlin durchaus schöne Ecken.;-

    Wenn dann noch die vorsorgende Instandhaltung in allen Bereichen greifen würde, stünde einer Verlässlichkeit des ÖPNV nichts entgegen.

  3. 84.

    Irritierend, dass die Grünwähler vor allem in der zubetonierten Innenstadt, wo die Luft wirklich schlecht ist, zu finden sind.
    Wenn einem grüne Werte wirklich wichtig sind, entscheidet man sich für ein Leben in einem passenden Umfeld.

  4. 82.

    Ich schließe mich gern Ihnen und auch #Heike an. Trotzdem sollte hier nicht unerwähnt bleiben, dass der gesamte Wahlkreis 2 in Mitte, hier speziell die Stimmbezirke 200/201 (UdL, Charlottenstr., Zimmerstraße, Ebertstr.), also der Bereich Friedrichstraße von der CDU dominiert wird. Es bleibt zu vermuten, dass die bisherigen Ergebnisse, vor allem der arrogant durchgedrückten grünen Verkehrspolitik, bei den Anwohnern/Wählern nicht die erwünschte Begeisterung auslösen. Den WK 2 haben die Grünen übrigens noch nie gewonnen. Der TS betitelte diesen WK als "gallisches Dorf". Der endgültige Umbau der Fußgängerzone soll erst ab 2026 starten, eingeplant sind dafür ca. 3 Mio. über 2 Jahre. Weitere Kommentare zum Thema Friedrichstraße erspare ich mir, in den letzten Wochen wurde zu dem Thema schon reichlich kommentiert.

  5. 80.

    Das immer krassere Abweichen des Wahlverhaltens zwischen den Szenebezirken und dem ganzen Rest außen herum, ist meiner Meinung nach nun wirklich keine Überraschung. Die Szene-Berliner sind gut situierte, meist im Staatsdienst tätige Menschen, gern auch zugezogen, oder sehr junge Leute in Ausbildung oder Studium. Erstere können sich ausufernde Träumereien für Umwelt und Klima leisten, letztere haben noch Ideale, die noch nicht mit der späteren Lebenswirklichkeit mit Beruf und Familie kollidiert sind. Drumherum leben die Berliner, die irgendwie Einkommen, Familie, Beruf, Wohnen und Mobilität unter einen Hut bringen müssen und die haben ganz andere Vorstellungen, wie Berlin in naher Zukunft aussehen muss, damit das so bleibt. Wenn man nicht sämtliche Versorgung in Laufweite vor der Nase hat und alle drei Minuten ein Bus oder eine Bahn fahren, sieht die Realität halt anders aus.

  6. 79.

    Innerhalb von Berlin gibt es eine äußere Ringbahn nur als Tram-Tangentialverbindung zwischen Hohenschönhausen und Schöneweide bzw. Johannisthal. Die wäre ausbaufähig sowohl von Schöneweide / Johannisthal in Richtung Rudow und in etwaiger Führung entlang der Südmeile bis Lichterfelde-Süd und Lichterfelde-Ost, ggf. weiter in Richtung Zehlendorf, mithin entlang der überlasteten Busverbindung M 11 / X 11. Die nördliche Tram-Tangentiallinie wäre auszuloten, eine westliche würde ganz offensichtlich nicht lohnen. Was die Anbindung äußerer Gebiete um Berlin angeht, gibt es ja den Eisenbahn-Außenring. Was dessen Einbindung und Kapazität angeht, da besteht m. E. noch "Luft nach oben".

  7. 78.

    Mit Law and Order, was ja nichts anderes bedeutet als die Einhaltung von Gesetzen und Ordnung, habe Grüne und Linke so ihre Schwierigkeiten und das scheint einem großen Teil ihrer Fans entgegen zu kommen. Das kann man in Parks und auf den Straßen im Loch des Donuts hautnah erleben.

  8. 77.

    Mein Kommentar von 14.02.2023 | 11:22 Uhr war als Antwort an Sie gedacht:
    "Allerdings haben viele Arbeitnehmer auch in den Außenbezirken Termindruck und keine großzügige Gleitzeitregelung. Schauen Sie einfach mal in den von Günther aufgestellten Nahverkehrsplan. Dort sind u.a. die Buslinien aufgeführt, die besonders häufig überlastet sind. Eine Entlastung durch größere Gefäße oder dichteren Takt ist darin zwar versprochen worden, unternommen wurde aber in der Realität doch nix außer Verschieben auf später und ausgedünnte Busfahrpläne mit Eindeckern als Doppeldeckerersatz, da der Busbestand innerhalb eines Jahres um 7% abgenommen hat. Dabei gäbe es z.B. in Spandau sogar schwarz-rote Vorleistungen für die Straßenbahn wie auch die alten Trassen dort oft noch erkennbar sind"

  9. 76.

    Schauen Sie mal bei i2030 vorbei. Überlegungen hat es dazu gegeben. Die Frage ist aber, ob es analog dem Autobahnring eines Eisenbahringes bedarf oder ob man nicht anderweitig den Durchgangsverkehr aus der Innenstadt heraus zu bekommen versucht. Paris wird ja sonst gerne als Vorbild genannt. Der Sputnik fuhr ja aus anderen Gründen.

  10. 75.

    Im Berufsverkehr werden die Busse nicht leeren. Und schauen Sie sich auch mal den Bustakt auf der Neudörfer Straße an. Die sind voll und behindern sich gegenseitig, weil der Takt so dicht ist.

  11. 74.

    Hat denn schon einmal jemand daran gedacht eine neue Ringbahn zu bauen? Die alte (innere) Ringbahn ist doch der Ring entlang des Zentrums und des damaligen Speckgürtels vor der Eingemeindung und Zusammenschluß zu Groß-Berlin. Jetzt gibt es wieder eine Speckgürtel, also könnte man doch wieder einen Ring (jetzt als äußeren) bauen zwischen der Großstadt und dem Gürtel. Momentan wird dieser Außenbereich doch eher nur speichenartig bedient.

  12. 73.

    Das Busnetz in Spandau ist okay....eine Tram wird hier nicht benötigt. Wo ich Ihnen gerne recht gebe ist die Taktfolge der Busse.
    Morgens um halb vier sind die Busse z.B. auf der Heerstraße brechend voll und der fährt nur alle halbe Stunde. Wenn dann noch einer ausfällt ist man tatsächlich aufgeschmissen. Also doch das Auto, jedenfalls um diese Zeit.

  13. 72.

    Allerdings haben viele Arbeitnehmer auch in den Außenbezirken Termindruck und keine großzügige Gleitzeitregelung. Schauen Sie einfach mal in den von Günther aufgestellten Nahverkehrsplan. Dort sind u.a. die Buslinien aufgeführt, die besonders häufig überlastet sind. Eine Entlastung durch größere Gefäße oder dichteren Takt ist darin zwar versprochen worden, unternommen wurde aber in der Realität doch nix außer Verschieben auf später und ausgedünnte Busfahrpläne mit Eindeckern als Doppeldeckerersatz, da der Busbestand innerhalb eines Jahres um 7% abgenommen hat. Dabei gäbe es z.B. in Spandau sogar schwarz-rote Vorleistungen für die Straßenbahn wie auch die alten Trassen dort oft noch erkennbar sind.

  14. 71.

    Ich habe den gleichen Eindruck! Aber ich versuche es nocheinmal!
    Frau Giffey hat eine zweite Chance verdient! Ihr kann man die Verantwortung für das, was SDP - Regierende Bürgermeister
    vor ihrem Amtsantritt hinterlassen haben, nicht anlasten! Für den aktuellen Stand sind alle Senatmitglieder verantwortlich, auch Frau Jarasch und Herr Lederer! Viele sinnvolle Entscheidungen sind gefallen und es sollte abgewartet werden, bis die Ergebnisse vorliegen. Dann kann man die Arbeit des Senats neu bewerten!

  15. 70.

    Lauf Verkehrsbefrage veröffentlicht durch eine grüne Verkehrssenatorin greifen allerdings die "Innenstädter" ähnlich häufig zum PKW wie umgekehrt die Mehrheit der Groß-Berliner, sobald die Ringbahnblase verlassen werden soll. Nicht ohne Grund nimmt auch in Kreuzberg die PKW-Dichte seit einigen Jahren wieder zu.

  16. 69.

    Ich kennte nur die hier vom RBB redigierte Kurzfassung. Gedanken, warum die FDP nicht verfangen hat, habe ich mir keine gemacht. Vielleicht haben die Wähler gehofft, dass sich die Stadt besser mit einem Zweier- denn einem Dreier-Senat regieren lässt oder eben ein stärkeres Zeichen gegen den aktuellen Senat setzen wollen. Auch Mitte-2 mit der direkt von konzeptloser Symbolpolitik betroffenen Friedrichstraße ist ja schwarz geworden.

  17. 68.

    Ja, u.a. Ist dies auch ein wesentlicher Punkt: Wen interessieren schon die Außenbezirke. Hier gibt es nicht mal Carsharing und trotz des schlechten ÖPNVs, der auch nicht mitwächst wird hier immer weiter verdichtet...

  18. 67.

    Na ja wenn man nicht im Schichtdienst arbeitet mag das vielleicht stimmen aber morgens um vier von Spandau zum Tierpark ? Ich fahre Auto und die 29 Euro sind mir egal.

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