Wahlwiederholung - Berlin, ein politischer Donut mit wachsender Kruste
Das Wahlergebnis zeigt, dass die Politik der bisherigen Regierung nur im Innenbereich Berlins Zuspruch findet. In den äußeren Gebieten repräsentiert hingegen die konservative Opposition die Mehrheit. Was sind die Gründe? Von Wanda Bleckmann, Haluka Maier-Borst und Hasan Gökkaya
Ost und West, reich und arm, alt und jung – oft sollen gegensätzliche Paare helfen, politische Ergebnisse zu deuten. Das ist natürlich eine Vereinfachung, denn weder gibt es den Wessi noch die Jungen als einen homogenen Klumpen. Trotzdem zeigt sich bei der Wahl eine klare Tendenz in Berlin: innen und außen. Denn während in den Innenbezirken der regierende Senat aus SPD, Grüne und Linke nach wie vor eine Mehrheit der Wählenden hinter sich weiß, bekommt die bisherige Opposition in den äußeren Gebieten am meisten Zuspruch.
Vor allem dank starker Zuwächse bei der CDU repräsentieren inzwischen CDU, FDP und AfD die Mehrheit der Wählenden in nicht nur in drei, sondern inzwischen in 27 der Berliner Abgeordnetenhaus-Wahlkreise.
Wie sehr sich die inneren Bezirke von den äußeren unterscheiden, ist auch daran zu erkennen, dass die bisherigen Koalitionskräfte geradezu eine Mehrheitsinsel mitten in der politischen Landkarte repräsentieren. Die letzten Ausnahmen in Treptow-Köpenick und Pankow sind mit der aktuellen Wahl vollends verschwunden.
Das Problem für die äußeren Gebiete ist nun der voraussichtliche Wegfall der FDP im Abgeordnetenhaus. Durch diesen wird es künftig weniger bürgerliche Stimmen im Abgeordnetenhaus geben. De facto sind damit auch nur noch 15 der Kreise sicher mit einer Mehrheit für die Opposition.
Was sind die Gründe für diese Entwicklung?
Berlin ist also politisch ein Donut - mit der CDU als Gewinner der Wiederholungswahl, wenn es um den Stimmenanteil geht. Die Partei holte 28,2 Prozent der Stimmen (vorläufiges Ergebnis) und hat damit gut zehn Prozent mehr als jeweils SPD und Grüne. Entsprechend schwarz gefärbt ist die politische Landkarte mit Blick auf Erst- und Zweitstimmen.
Das war aber nicht immer so: Nach der Wahl im September 2021 zog sich noch die Dominanz linker Parteien schräg durch die gesamte Stadt; von Spandau, entlang der Wahlkreise in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg, bis tief nach Treptow-Köpenick im Südosten Berlins. SPD und Grüne räumten vereinzelt auch noch in Pankow im Norden ab. Berlin, damals also alles andere als ein politischer Donut. Was sind die Gründe für diese Veränderung?
In der Innenstadt kommt die "Law and Order-Rhetorik" nicht gut an
Antonios Souris, Politikwissenschaftler an der FU Berlin, spricht politisch betrachtet von zwei Städten - eine innerhalb der Ringbahn, eine außerhalb. Und er sagt: "Vermutlich haben die Wählerinnen und Wähler die Themen Verkehr und Zuwanderung anders priorisiert als die Menschen innerhalb der Ringbahn." Souris glaubt, dass die Wählerschaft in der Innenstadt zum Beispiel offener für Alternativen zum Auto ist als die Menschen in den Außenbereichen. "Auch beim Thema Multikulti wird es unterschiedliche Sichtweise geben", sagt er im Gespräch mit rbb|24. In Bezirken wie in Mitte, Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg käme die "Law and Order-Rhetorik" der CDU weniger gut an.
Ältere Wähler wechseln von SPD zu CDU
Roberto Heinrich, verantwortlich für die Meinungs- und Wahlforschung bei Infratest dimap, denkt jedoch, dass der zentrale Grund für den Sieg der CDU vor allem Protest sei. "Jeder zweite CDU-Wähler hat uns am Wahlsonntag erzählt, dass er in erster Linie nicht aus Überzeugung die CDU gewählt hat, sondern weil er von den anderen Parteien enttäuscht gewesen ist", so Heinrich im Gespräch mit dem rbb. Dem Wahlforscher zufolge hat die CDU viele Stimmen aus dem SPD-Lager hinzugewonnen, sie habe insbesondere bei älteren Wählerinnen und Wählern stark zugelegt. "Im Vorfeld der Wahl haben uns viele CDU-Wähler gesagt, dass sie sich am Thema Ordnung und Sicherheit orientieren. Dieser Themenkomplex ist traditionell älteren Wählern wichtig."
Auch Souris hält den Altersfaktor beim Blick auf die politische Landkarte für wichtig: "Im Vergleich zu anderen Bezirken ist in Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow und Neukölln vor allem der Anteil von Menschen zwischen 18 und 45 Jahren hoch. Und in dieser Altersgruppe liegen die Grünen deutlich vorne."
Sendung: rbb24 Abendschau, 13.02.2023, 19:30 Uhr