Kommentar | Wahl-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - Ein irritierendes "Ja, aber"

Di 31.01.23 | 15:05 Uhr | Von Jan Menzel
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Archivbild: Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht mit Christine Langenfeld (l-r), Peter Müller, Rhona Fetzer, Doris König (Vorsitz), Thomas Offenloch, Sibylle Kessal-Wulf und Astrid Wallrabenstein verkündet ein Urteil. (Quelle: dpa/U. Deck)
Audio: rbb24 Inforadio | 31.01.2023 | Jan Menzel | Bild: dpa/U. Deck

Die Wiederholungswahl in Berlin kann zunächst wie geplant stattfinden. Allerdings ist noch offen, wie das Bundesverfassungsgericht die Rechtmäßigkeit der Wiederholung im Hauptsacheverfahren einschätzt. Das ist ein echtes Problem, kommentiert Jan Menzel.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sendet an die Berlinerinnen und Berliner ein irritierendes "Ja, aber". Ja, die Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus findet statt, aber danach gucken wir noch mal, ob alles so seine Richtigkeit hatte. Dabei hätte es nach der Pannenwahl und der durchaus zweifelbehafteten Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichts, die Wahl in der ganzen Stadt zu wiederholen, dringend Klarheit gebraucht.

Schlimmer noch: Dem weit verbreiteten, diffusen Unverständnis und der Distanz gegenüber der Politik und den Verfahren der parlamentarischen Demokratie könnte mit dieser Gerichtsentscheidung Vorschub geleistet werden. Es wäre ein Super-Gau für die Demokratie, wenn Wählerinnen und Wähler sich unter diesen Umständen entnervt abwenden und nicht wählen gehen.

Wiederholungswahl unter Vorbehalt

Denn mit ihrer Entscheidung haben die Karlsruher Richter die Berliner Wahl unter einen Vorbehalt gestellt. Nämlich den, dass das Berliner Verfassungsgericht mit seiner Entscheidung zur kompletten Wahlwiederholung womöglich über das Ziel hinausgeschossen ist, quasi das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat. Und obwohl diese elementare Frage weiter über dem Urnengang schwebt, wird die Wahl am 12. Februar abgehalten.

Zubilligen muss man den obersten deutschen Richtern allerdings, dass sie sich letztlich nur zwischen zwei Übeln entscheiden konnten. Sie hätten die Wahl zunächst stoppen können, auf die Gefahr hin, dass am Ende ein Urteil steht, das sagt: Die Wiederholungswahl hätte doch stattfinden müssen. Nun aber lassen die Richter die Wahl abhalten, mit dem Risiko, dass sie später feststellen, die Wiederholung in ganz Berlin war überzogen.

Wahl mit schwerer Bürde

Erschwerend kommt noch hinzu, dass Karlsruhe auch über die Bundestagswahl entscheiden muss. Hier geht es bislang nur um eine teilweise Wiederholung in Berlin. Auch das ist erklärungsbedürftig. Wer soll verstehen, wenn möglicherweise in dem einen Fall die ganze, in dem anderen aber nur die halbe Stadt wählen darf?

Das Bundesverfassungsgericht hätte an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt gut daran getan, mindestens einen deutlichen Hinweis zu geben. So aber werden die Berlinerinnen und Berliner am 12. Februar mit einer schweren Bürde in diese Wahl geschickt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 31.01.2023, 16:00 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

24 Kommentare

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  1. 24.

    Das stimmt so nicht. Das BVerfG ist das oberste Gericht und einzige Hüter des GG. Das heißt, bei berechtigten Verstößen gegen das GG hat das BVerfG im Zweifel immer das letzte Wort, völlig unabhängig wie die Fachgerichte, etwaige VerfGH der Länder, der Bundesgerichtshof oder der Gesetzgeber (Bundestag) entschieden hat.

  2. 23.

    Aus welcher Rechtsnorm ergibt sich, dass das Bundesverfassungsgericht die aklagen hätte zurückweisen müssen?
    Bitte mal eine eindeutige Rechtsquelle dafür nennen.!

  3. 22.

    "Naja, kommt darauf an, wie die Wahlen ausgehen - ob das Ergebnis passt.
    Erbärmlich. "

    Erbärmlich sind die Versuche der Demokratiefeinde von rechts, denen aber das BVerfG mit dieser halbgaren Entscheidung auch noch Vorschub leistet.

    In der letzten Zeit häufen sich Gerichtsentscheide womit unsere Demokratie nachhaltig beschädigt wird. Ihr "Kommentar" bestätigt das.

  4. 21.

    Hier liegt die Krux, die Bundestagswahl ist das einzige für welche das BVG zuständig ist. Für LAndtagswahlen sind die Landesverfassungsgerichte zuständig. DAS BVG hätte die Klagen oder EInwendungen gegen die Wahlwiederholung eigentlich abweisen müssen, aber so sind sie in Karlsruhe...
    Das Recht scheint nur genehm wenn es den verbandelten Parteien genehm ist und Karlsruhe wird immer mehr zum Possenspiel.

  5. 20.

    Der Eid von Politikern ist eh für die Katz, er hat keinerlei bindenden Charakter - zu Deutsch er ist wertfrei und kann auch weggelassen werden Politiker können bis auf Straftaten die im StGB stehen mehr oder minder machen was sie wollen haften tun die für nix.
    Und ein Meineid ist kein Meineid wenn der Eid schon von seiner rechtlichen Anlage her nicht bindend ist.

  6. 19.

    Bedauerlich sind vor allem die verschwendeten Ressourcen, statt es gleich richtig zu machen. Allerdings hätte ich gern überhaupt erstmal ein Wahlrecht in Berlin/Deutschland nach über 40 Jahren Aufenthalt hier. Bei der aktuellen Einbürgerungsgeschwindigkeit in Berlin, werden einige der 400.000 heute bereits die Vorraussetzungen erfüllenden Migranten, erst in 20 Jahren eingebürgert. Da fehlen offenbar Ressourcen. Mal schauen, ob ich das noch erlebe.

  7. 18.

    Kommentare sind legitime politische Beiträge, wenn sie als solche gekennzeichnet werden. Das ist hier der Fall.
    Und das ist deutlich sauberer als wenn wie neulich im Tagesspiegel falsche Tatsachenbehauptungen in Fragen gekleidet werden, wie Linke und Grüne seien gegen die Wirtschaft oder Grüne und Linke wollen Wohnungsbau überall verhindern.

  8. 17.

    Ich gehe davon aus, dass die Wiederholungswahl bestand haben wird. Das Bundesverfassungsgericht wird sich hüten die Demokratie zu schädigen, indem die Wahl nachträglich annulliert wird. Anderseits wäre es auch schädigend nicht ganz penibel zu prüfen und das Hauptverfahren korrekt durchzuführen. Dann wird das Gericht voraussichtlich eine von zwei Varianten entscheiden. Erstens kann es sein, dass es sich nicht für zuständig befindet und die Klagen formell zurück weist. Zweites, könnte Karlsruhe ein paar fundierte Empfehlungen und Abwägungen für das nächste Mal mitgeben und es beim Ergebnis belassen (sofern bei der Wiederholungswahl alles glatt läuft).

  9. 16.

    Ein april-april ist im April nicht ausgeschlossen.

  10. 15.

    Dann sollten die Ergebnisse erst ausgezählt werden, wenn das BVG endgültig geurteilt hat.

    Warum nicht gleich Neuwahlen, statt Wahlwiederholung. Mittlerweile gibt es ja gestorbene Personen und Personen, die nun 18 sind!

  11. 14.

    Die Wiederholungswahl ist unter anderem notwendig, weil nach 18 Uhr teilweise gewählt wurde, nach dem erste Zahlen veröffentlicht wurden. Wenn jetzt das Bundesverwaltungsgericht Wochen nach der Wahl festlegt, ob das Wahlergebnis gültig ist oder nicht, sehe ich Parallelen zur Wahl nach 18 Uhr.

  12. 13.

    Welche aller möglichen Entscheidungen wäre/n denn nicht "irritierend" gewesen?
    Ich empfinde es nicht als "schwere Bürde" - noch dazu bequem per Briefwahl von zu Hause aus - meine Stimme abzugeben und das dann gegebenfalls umsonst getan zu haben. Man kann´s auch übertreiben...

  13. 12.

    Super, so kann nach Wahl entschieden werden ob die Partei passt oder nicht. Ich vertraue den Medien(siehe ARD und ZDF) und den Politikern nicht mehr. Ihr Eid ist für die Katz!

  14. 11.

    Also erstens gibt es keinen Rechtshelf beim BverfG. Es ist unser oberstes Gericht und deren Beschlüsse sind endgültig. Zweitens wurde lediglich der Eilantrag abgelehnt, die Beschwerde als solches aber angenommen.
    Nun warten wir es doch einfach mal ab. Die 2. Kammer wird sich den Wahlhergang genau anschauen, abwägen und dann beschließen.
    Es sind theoretisch noch sämtliche Entscheidungsrichtungen möglich.

  15. 10.

    Das Gericht will sich nicht in die Karten schauen lassen, Sie müssen ja auch noch über die Wiederholung der Bundestagswahl entscheiden. Auch hier gibt es nur eine Möglichkeit, komplette Neuwahlen....

  16. 9.

    „ Ein Kommentar ist bestenfalls eine persönliche, wohl eher doch aber eine redaktionell ausgesuchte Meinung von Einzelpersonen (Suchmashine: volo wahl). Daher haben Kommentare weder hier noch in der Tagesschau etwas zu suchen.“

    Und was macht Ihrer hier???

  17. 8.

    Gut erkannt. Die Überschrift irritiert. Ein „aber“ gibt es nicht. Der Eilantrag ist abgelehnt...
    Wenn man kommentiert, dann über Konsequenzen der Verantwortlichen und Geld....Versagen kostet...

  18. 7.

    In 2021-2023 wurde nicht die richtige Reihenfolge beachtet:

    1. Grundsatz- bzw. Rahmenentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht:
    - Neuwahl (mit neuen Kandidaten) oder Wiederholungswahl (nur mit den bisherigen Kandidaten und Parteien)
    - Gesamtwahl (in allen Wahllokalen) oder Teilwahl (in nur relativ wenigen Wahllokalen)?

    2. Detailentscheidungen durch das Landesverfassungsgericht:
    - bei einerTeilwahl: Bestimmung der betroffenen Wahllokale.

  19. 6.

    Ein Kommentar ist bestenfalls eine persönliche, wohl eher doch aber eine redaktionell ausgesuchte Meinung von Einzelpersonen (Suchmashine: volo wahl). Daher haben Kommentare weder hier noch in der Tagesschau etwas zu suchen.
    Wählen an versdchiedenen Tagen ist wie Wählen nach 18 Uhr, wenn die Hochrechnungen bereits vorliegen und hier sogar schon amtliche Endergebnisse. Das ist der Inbegriff von Wahlverstoß. Daher kann es nur eine komplette Wahl geben. Und zwar auch Bundestag. Denn wenn man nicht wählen konnte oder erst nach 18 Uhr, dann trifft das auf beide Wahlen zu. Und das waren längst nicht alle Verstöße.
    Ich sehe weder ein "ja aber" noch etwas verwirrendes, noch einen Vorbehalt oder welche Worthülsen im Artikel sonst noch verwendet werden. Das BVerfG hat lediglich einen Eilantrag abgelehnt. Es hat auch jetzt 2023 erst über die Parteienfinanzierung aus 2018 geurteilt. Die Wahl hätte lediglich bereits 2021 für nichtig erklärt werden müssen. Stattdessen wird fleißg regiert.

  20. 5.

    Der Schluss ist nicht logisch oder ich verstehe ihn nicht. Irgendeine Legislatur läuft natürlich immer, aber Art. 70 VvG meint wohl: zur gleichen Zeit (einer ordnungsgemäßen) Wahl des AGH. Der Bericht bzw. Kommentar greift im Übrigen viel zu kurz. Ohne Begründung des Beschlusses (bislang nicht veröffentlicht) und ohne jegliche Differenzierung nach Körperschaften, Wahlgesetzen, sich daraus ergebenden Problemen und ohne Grundkenntnisse von Rechtszügen, ordentlichen und außerordentlichen Rechtsbehelfen sowie juristischem Handwerkszeug in Eilverfahren ist das eine Luftnummer. Aber große Teile der Bevölkerung haben auch ohne Trainerschein jederzeit eine eigene Aufstellung der Fußball-Nationalmannschaft im Kopf....

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