Heroin-Ersatz - Fentanyl bei Berliner Drogenkonsumenten nicht weit verbreitet

Experten erwarteten, dass der Fentanyl-Konsum nach Berichten aus den USA auch in Berlin stark steigen würde. Doch das ist nicht eingetreten. Die Droge wirkt extrem stark, Konsumenten gehen das erhöhte Risiko einer Überdosis ein. Von Anna Bordel
Fentanyl ist bislang nicht flächendeckend in der Berliner Drogenszene verbreitet. Davon gehen mehrere in der Berliner Suchthilfe tätige Experten aus. Das würde in ihren Einrichtungen nicht unbemerkt bleiben, sagten sie auf Anfrage von rbb|24.
Fentanyl ist ein synthetisches Opiat, wirkt mindestens 80 mal so stark wie Heroin und wird bei sehr starken Schmerzen in der Medizin eingesetzt. Illegales Fentanyl wird vor allem in China in Laboren hergestellt. Besonders gefährlich ist der Konsum von Fentanyl deshalb, weil es wegen seiner extrem hohen Wirksamkeit sehr schwer zu dosieren ist. Das Risiko beim Konsumieren versehentlich eine Überdosis einzunehmen, steigt bei Fentanyl laut Experten ganz erheblich.
In den USA und Kanada hat es durch Fentanyl einen starken Anstieg an Drogentoten gegeben. In Deutschland hatte man sich auf ein entsprechendes Szenario eingestellt, was bisher ausbleibt.
Heroin-Ersatz in mehreren Ländern
In einigen Ländern Europas hat Fentanyl Heroin fast ersetzt, so laut Europäischer Drogenagentur zum Beispiel in Estland. Auch in Deutschland ist Fentanyl schon länger im Umlauf und ist auch auf dem Berliner Markt in einschlägigen Messenger-Diensten erhältlich. "Ein Gramm, das für mehrere Konsumeinheiten reicht, kostet dort rund 100 bis 120 Euro", sagt Thomas Luthmann, Sprecher des Notdiensts für Suchtmittelgefährdete und -abhängige. Beobachtet werde das schon länger, eine tragende Rolle spiele es aber derzeit nicht.
Diese Einschätzung teilt auch Thomas Haustein, Suchtberater bei der Caritas. "Eine Zeitlang ist man von Szenarien wie in den USA ausgegangen. Bis jetzt ist das aber nicht eingetroffen", sagt er.
Fentanyl wird entweder direkt eingenommen oder Heroin wird damit gestreckt. Beim Drug-Checking wurde bislang eine Probe Fentanyl zum Testen eingereicht, das war laut einer Sprecherin der Suchtberatung im Januar 2025. In Heroin-Proben habe man Fentanyl noch nicht nachgewiesen, sagt sie.
Große regionale Unterschiede bei Konsum
Lokal gibt es in Deutschland offenbar Unterschiede, was den Fentanyl-Konsum angeht. Das legt zumindest ein Pilotprojekt der Deutschen Aidshilfe von 2023 nahe. Vier Prozent aller deutschlandweit dabei getesteten Heroinproben enthielten demnach Fentanyl. Am meisten seien es in Hamburg mit elf Prozent gewesen, in Berlin hingegen nur 0,4 Prozent. In anderen ostdeutschen Bundesländern wie Sachsen oder Thüringen sei der Konsum bereits nachweisbar angestiegen, so Luthmann vom Suchtnotdienst.
Fentanyl wurde auch deshalb eine große Zukunft vorausgesagt, weil man davon ausging, dass die Heroinvorräte stark zurückgehen würden. Die Taliban hatten 2023 den Anbau von Schlafmohn, also dem Grundstoff für Heroin, in Afghanistan, dem größten Schlafmohnproduzenten weltweit, verboten. Noch sei das aber auf dem Berliner Markt nicht sichtbar, sagt Thomas Haustein von der Caritas, Heroin also noch ausreichend vorhanden.
Erhöhtes Risiko einer Überdosis
Insgesamt beobachtet der Suchtberater keinen generellen Anstieg von Heroinkonsum in Berlin. Kokainabhängige würden mehr und der Mischkonsum mehrerer Drogen parallel gehe nach oben. Vielen Konsumenten ist das Risiko von Fentanyl Experten zufolge durchaus bewusst. "Unsere Klienten sind deutlich zurückhaltender, was Fentanyl angeht, weil die Wirkdauer viel kürzer ist als bei Heroin. Außerdem ist es hochpotent - das Risiko, zu hoch zu dosieren, ist extrem groß", so Luthmann.
2023 sind in Deutschland laut Bundesdrogenbeauftragtem 72 Menschen gestorben, die zuvor nur oder unter anderem Fetanyl konsumiert hatten. Zum Vergleich: 712 Menschen starben demnach an Heroinkonsum. Die Verhältnisse können sich aber jederzeit ändern, sagt Haustein. "Das Szenario, auf das wir uns seit einiger Zeit eingestellt haben, kann jederzeit kommen".