Franziska Giffey nach der Berlin-Wahl - Schicksalstage einer Regierenden

Sa 25.02.23 | 08:20 Uhr | Von Jan Menzel
  92
Franziska Giffey am 13.02.2023 bei einer Pressekonferenz anlässlich des Wahlausganges der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus (Quelle: IMAGO/Felix Zahn)
Audio: rbb24 Inforadio | 25.02.2023 | Thorsten Gabriel | Bild: IMAGO/Felix Zahn

Die Zukunft von Franziska Giffey hängt an ein paar Dutzend Stimmen. Regierende Bürgermeisterin kann sie nur bleiben, wenn die SPD am Ende weiter vor den Grünen liegt. Wenn nicht, könnte ihre steile politische Karriere zu Ende sein. Von Jan Menzel

Sie macht das, was eine Regierende Bürgermeisterin nach einer Wahl machen muss. Franziska Giffey regiert, repräsentiert und sondiert. Siebeneinhalb Stunden sitzt sie mit den alten und vielleicht neuen Koalitionspartnern Grüne und Linke zusammen. Kaum kürzer fällt die Runde mit der CDU aus. Am Abend steht die Regierende auf dem Roten Teppich der Berlinale. Ach ja, und der Senat tagt auch noch und dann gibt es den Gipfel gegen Jugendgewalt.

Die Regierende im Schwebezustand

Politik ist schon in normalen Zeiten ein Knochenjob. In Wahlkampfzeiten und danach gilt das noch einmal mehr, zumal wenn so viel Unsicherheit herrscht.

Fast zwei Wochen nach der denkwürdigen Wiederholungswahl ist noch nicht entschieden, wer mit wem die Stadt regiert und was aus der Frau im Roten Rathaus wird. "Wir sondieren ergebnisoffen", beschreibt Franziska Giffey den Schwebezustand. Genauso offen wie die Koalitionsfrage ist zur Zeit aber auch das genaue Ergebnis dieser Wahl und damit ist eben auch offen, was aus ihr wird.

Wenn der Landeswahlleiter am Montag das amtliche Endergebnis feststellt und bekannt gibt, geht es für die ehemalige Bürgermeisterin von Neukölln, die frühere Bundesfamilienministerin und amtierende Regierende Bürgermeisterin politisch um alles oder nichts. Denn sollten die Sozialdemokraten nach über 20 Jahren das Rote Rathaus verlieren oder sollte gar die Oppositionsrolle winken, werden in der Partei Dämme brechen, die bislang gehalten haben.

Weit abgeschlagen hinter dem Wahlsieger

Die Auszählung zunächst "vergessener" Stimmen im Bezirk Lichtenberg hat gezeigt, wie knapp die Ergebnisse vielerorts sind. Nur eine Handvoll Stimmen kann den Ausschlag geben, wer ein Direktmandat gewinnt. Wenn sich hier etwas verändert, kommt automatisch die gesamte Mechanik der Überhang- und Ausgleichsmandate in Bewegung. Berlinweit liegt die SPD ohnehin nur knapp 100 Stimmen vor den Grünen auf Platz Zwei, weit abgeschlagen hinter dem Wahlsieger CDU.

Das beste Szenario für Giffey wäre, dass sich an dieser Reihenfolge auch mit dem amtlichen Endergebnis nichts ändert. So könnte Giffey ihren Anspruch auf das Amt der Regierenden Bürgermeisterin weiter aufrechterhalten. "Ich bin gekommen, um zu bleiben", hat Giffey im Wahlkampf gesagt. Wer sie beobachtet, könnte durchaus auf die Idee kommen, dass hier eine ihren Traumjob gefunden hat. Giffey müsste dafür die rot-grün-rote Koalition fortsetzen, auch wenn die nicht ihr Herzens-Bündnis ist.

Kann Giffey auch Juniorpartner?

Ganz anders wäre die Lage, wenn Giffey und die SPD sich am Ende mit dem dritten Platz begnügen müssten. Dann käme einiges, wenn nicht alles ins Rutschen. Rot-Grün-Rot könnte in so einem Fall als Grün-Rot-Rot weitermachen. Entsprechend den politischen Gepflogenheiten stünde den Grünen als stärkste Kraft das Rote Rathaus zu. Die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch hatte es im Wahlkampf darauf angelegt und provokant die Frage in den Raum gestellt: "Kann die SPD auch Juniorpartner?"

Noch spannender ist allerdings die Frage, ob Giffey bereit wäre, in die Rolle des Juniorpartners unter einer Regierenden Bürgermeisterin Bettina Jarasch zu schlüpfen. Einiges spricht dafür, dass das nicht ihrem Verständnis entsprechen würde. Zumal sie und die grüne Mobilitätssenatorin sich im Wahlkampf nichts geschenkt haben. Freundinnen waren beide ohnehin nie. Als Politikerinnen verkörpern sie dann doch sehr unterschiedliche Typen.

Eine Kettenreaktion in der SPD, wenn...

Eher vorstellbar scheint da, dass Giffey sich für ein Super-Senatorinnen-Amt unter einem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner erwärmen könnte. Politisch gäbe es in dieser Konstellation durchaus einige Schnittmengen: Sowohl Giffey als auch Wegner halten nichts davon, den Autoverkehr deutlich zu reduzieren. Beide sind sich einig, dass die Enteignung großer Wohnungskonzerne der falsche Weg ist. Doch auch wenn Schwarz-Rot für Franziska Giffey politisch und persönlich eine Option sein könnte, die Berliner SPD wird sich nur schwer in diese ungeliebteste aller möglichen Konstellationen zwingen lassen. Eher droht bei einem möglichen Verlust des Roten Rathauses und insbesondere bei einem Abbiegen in Richtung Große Koalition eine Kettenreaktion in der Partei.

Auffällig ist, dass in der sonst stets diskussionsfreudigen Berliner SPD nach der historischen Wahlschlappe gespannte Stille herrscht. Der Kreischef von Charlottenburg-Wilmersdorf Kian Niroomand wagte sich kurz mit der Forderung nach einem "Neuanfang" aus der Deckung. Niroomand wurde aber prompt wieder von der Parteispitze eingefangen. Ein Altvorderer der SPD sinnierte darüber, ob es nicht besser wäre, sich nach diesem Wahlergebnis in der Opposition zu erneuern. Breite öffentliche Unterstützung dafür oder gar Aufruhr gibt es in der Partei nicht.

Bislang keine Äußerungen über möglche Alternativen

"Wir wollen Ruhe, damit es zu einer Wiederauflage des rot-grün-roten Bündnisses kommt", sagt einer, der sich mit der Parteiseele und dem Machgefüge gut auskennt und nicht zu den Unterstützern der Landesvorsitzenden und Regierenden Bürgermeisterin zählt. Umgekehrt bedeutet das: Wenn Franziska Giffey den Weg Richtung CDU einschlagen sollte oder die SPD in die Opposition gehen müsste, wäre es mit der Ruhe schlagartig vorbei. Konflikte, die jetzt mühsam unter dem Teppich gehalten werden, würden offen ausbrechen.

Franziska Giffey selbst hat sich nie dazu geäußert, was sie machen würde, wenn sie nicht weiter als Regierende Bürgermeisterin arbeiten könnte. "Ach wissen Sie, damit beschäftige ich mich nicht", hat sie im Wahlkampf stets gesagt. Das ist typisch Giffey: Optimistisch bleiben und das Ziel Rotes Rathaus fest im Blick behalten. Kommt es aber doch anders, würden etwa die Grünen an der SPD vorbei ein Bündnis mit der CDU schmieden, dürften Giffeys Tage als Landesvorsitzende der Berliner SPD gezählt sein.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.02.2023, 17:20 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

92 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 92.

    Es wird sie überraschen, aber das einzige was ich leugne, ist dass die Situation von vo 22 Jahren bis heute für das Unvermögen der SPD Führung herhalten soll. Spätestens 2010 konnte die SPD Führung dagegen steuern... sie haben es nicht getan auch in den letzten 6 Jahren unter R2G nicht. DAS ist ein Fakt und der Grund warum Berlin heute in allen Belangen so schlecht dasteht wie nie zuvor. Aber sie haben recht, das muss man verstehen wollen ...

  2. 91.

    Ja, es gibt Menschen, die lieber in ihrer eigenen Realität unterwegs sind und 22 Jahre SPD-Mitverantwortung ignorieren!

  3. 90.

    Ja, aber das interessiert doch Menschen wie den Thorsten nicht, dass die einen DEUTLICH Stimmen VERLOREN haben. Erinnert an Pipi Langstrumpf - ich mach mir die Welt wie Sie mir gefällt. Sowohl CDU-SPD aussuchen CDU-Grüne haben eine Mehrheit, aber hey, Addition ist nicht so einfach.

  4. 89.

    Ach herrje, bislang habe ich ja noch versucht ihre Ausführungen zu interpretieren aber wenn's albern wird muss ich leider passen ;-)

  5. 88.

    Sie wollen nicht diskutieren, da sie Fakten leugnen. Zuerst war (nicht nur) der Bankenskandal und der Haushaltsnotstand.

    Berlin bekam kein Geld vom Bund und saß auf einen Milliardenberg Schulden, da mußte gespart werden. Koste was wolle. Ihre Huhn-Ei Debatte ist lächerlich. Sie tragen alternative Fakten zusammen. Daran isr aber nichts amüsant, sondern eher ignorant.

    EOD

  6. 87.

    Sie wollen nicht diskutieren, da sie Fakten leugnen. Zuerst war (nicht nur) der Bankenskandal und der Haushaltsnotstand.

    Berlin bekam kein Geld vom Bund und saß auf einen Milliardenberg Schulden, da mußte gespart werden. Koste was wolle. Ihre Huhn-Ei Debatte ist lächerlich. Sie tragen alternative Fakten zusammen. Daran isr aber nichts amüsant, sondern eher ignorant.

    EOD

  7. 86.

    "Der ÖD mitsamt Polizei, Feuerwehren und Justiz wurde bis an die Dysfunktionalität zusammengespart. Schulen und andere öffentliche Gebäude hat man vergammeln lassen“
    Stimmt, nur das ist in 22 Jahren SPD Führung passiert und zwar bis dato. Sie wissen das und ich weiß das auch, aber Ihre alternativen Fakten sind zumindest unterhaltsam ...

  8. 85.

    "das der LBB Skandal noch heute als Grund für das Versagen der Berliner SPD Regierung seit 2001 herhalten muss ist lächerlich. aber immer wieder gerne genommen. Die Genossen hatten 22 Jahre Zeit in ihrer Führungsrolle, egal in welcher Koalition, Berlin wieder auf Kurs zu bringen und nicht zu dem zu machen was es heute ist ..."

    Nein, das ist Fakt. Der ÖD mitsamt Polizei, Feuerwehren und Justiz wurde bis an die Dysfunktionalität zusammengespart. Schulen und andere öffentliche Gebäude hat man vergammeln lassen.

    Die sPD durfte somit die Scherben zusammenkehren, die der Diepgen Senat hinterlassen hatte. Auch wenn Fugmann Heesing kräftig mitgeholfen hatte und man sich schnell wieder mit dem Verursacher einig wurde.

    Letztens haben sie noch behauptet "Hmmm, als die CDU noch "im Amt" war (lang ist's her), ".

    Berlin wird noch viele Milliarden ausgeben müssen um wieder zu dem Zustand vor den Skandalen (!) zu kommen. Der Bankenskandal war nur die Spitze des Eisbergs.

  9. 84.

    das der LBB Skandal noch heute als Grund für das Versagen der Berliner SPD Regierung seit 2001 herhalten muss ist lächerlich. aber immer wieder gerne genommen. Die Genossen hatten 22 Jahre Zeit in ihrer Führungsrolle, egal in welcher Koalition, Berlin wieder auf Kurs zu bringen und nicht zu dem zu machen was es heute ist ...

  10. 83.

    CDU + AfD +FDP 42%; SPD + Grüne + Linke 49%. Weil die FDP garnicht erst die 5% - Hürde übersprungen hat sieht es mit den Mandaten noch deutlicher aus. Das alles trotz dem ganzen Murks. Ich seh da keine Wende, nur ein "Jetzt reist euch mal am Riemen". Frau Giffey sollte man auch austauschen. Nichts Anderes hab ich geschrieben.

  11. 82.

    "Nur noch peinlich." finde ich solche Aussagen: "SPD hatte jahrelang Zeit. Aber wenn man sich um Gendern, andere Kleinigkeiten und runde Tische kümmert statt um das wichtige bleibt für das wichtige keine Zeit." Dieser Senat hatte den schlechtesten Start ever: mitten in der Pandemie, es mussten Entscheidungen getroffen und Massnahmen verhängt werden, die nicht immer auf Verständnis gestossen sind. Dann kam der Krieg und mit ihm die vielen Flüchtlinge, auch hier war der Senat an vielen Stellen gefragt, auch, wenn immer so getan wird, als hätten nur die Bürger geholfen. Dadurch ist vieles, was auf der Agenda steht, in den Hintergrund gerückt. Frau Giffey und ihr Senat sind nicht allein schuld an dem Dilemma, in dem Berlin steckt und ich finde es völlig unangemessen, sie mit dummen "Spitznamen" zu betiteln und öffentlich zu beschimpfen.

  12. 81.

    Fragt sich nach ihrem Kommentar wer hier anmaßend und belehrend sein will, Reuters war für die heutige Situation Berlins nicht maßgebend. Diepgen und sein Raubzug durch die Stadt schon.

    Das war ja nicht nur der Bankenskandal und die Milliardenpleite, die Privatisierungswelle ging schon früher los. Da ist die verpatzte milliardenteure Olympiabewerbung fast Peanuts dagegen.

  13. 80.

    "Fakt ist aber auch dass die CDU beim Bankenskandal nicht alleine regiert hat sondern zusammen mit der SPD! "

    Die cDU war beim Bankenskandal federführend.

  14. 79.

    Noch mal, es werden keine Koalitionen gewählt, sondern Parteien Mehrheiten ergeben sich. Außerdem gibt es noch andere Koalitionsmöglichkeiten als RGR, die eine Mehrheit hätten. Deshalb kann ich Ihrer Formulierung, dass RGR "mit überwältigter Mehrheit" wieder regieren will, durchaus etwas abgewinnen. ; )

  15. 78.

    Offensichtlich wünschen sich viele Berliner eine Regierungsbeteiligung der CDU (mit SPD oder Grüne)."
    Ja, so in etwa ein Teil der 28 % wird sich das wohl wünschen. Ein anderer Teil wird wohl eher nicht mit denen koalieren wollen, über die man jetzt jahrelang hergezogen ist.
    Die Kopfstehpartei steht aus den bekannten Gründen nicht zur Verfügung. Mit dem gärigen Haufen traut man sich (noch) nicht, würde aber auch nicht reichen.
    Und unsere Verfassung sieht nicht vor, das angemasste Wahlgewinner andere Parteien (hier: spd und grüne) dienstverpflichten können.
    Is also nicht so weit her mit den vielen Berlinern.

  16. 77.

    Die letzte Rot-Rot-Grüne Landesregierung hat historisch viel Stimmen verloren. Augen auf und nicht Schönreden!

  17. 76.

    @ Andi, Sie sollten alle bezogenen Kommentare lesen, dann ergibt sich bei Antworten meist ein Sinn. Zugegeben nicht immer. Hier bezog sich die undenkbare Koalition auf einen Kommentar vom Samstag

  18. 75.

    Nanu, warum CDU / AFD ? war oder ist das ein Thema ? Was soll der Quatsch. Offensichtlich wünschen sich viele Berliner eine Regierungsbeteiligung der CDU (mit SPD oder Grüne). Nicht mehr und nicht weniger ...

  19. 74.

    Ich mag Grinsebackse auch nicht, aber Frau Giffey mit Trump zu vergleichen? Immerhin hat Berlin mit einer überwältigten Mehrheit an Mandaten RRG wiedergewählt, trotz der vielen Baustellen, die aus dilettantischen und juristisch fragwürdigen Handeln resultierten. Berlin unter der Führung von CDU und AFD will ich mir, und scheinbar viele Andere auch, nicht einmal vorstellen.

  20. 73.
    Antwort auf [Swen] vom 25.02.2023 um 21:24

    Nicht die Fakten sind anmaßend, sondern die Art und Weise Ihrer abwertenden und teilweise beleidigenden Wortwahl gegenüber anderen Kommentatoren und deren Ihnen nicht genehme Meinung.Dies machen Sie unter den verschiedensten Identitäten, verraten sich aber immer wieder selbst durch die plumpe Gliederung und vorsätzlich falschen und diffamierenden Schlussfolgerungen. Vom Wahrheitsgehalt ganz zu schweigen. ( Raubzug des Diepgen, Milliardenpleite, milliardenteure Olympiabewerbung, usw. )Dies wurde auch schon öfters von Usern bemängelt, allerdings wie man sieht, ohne Selbstreflexion und dadurch auch ohne Resonanz. Es ist auch ein Beweis, wie Demokratie unter dem moralischen Deckmantel missbraucht werden kann.

Nächster Artikel