Koalitionsverhandlungen in Berlin - SPD und CDU zanken um Verwaltungsreform

Mi 29.03.23 | 06:10 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Raed Saleh (SPD, l-r), Vorsitzender der SPD Berlin, Kai Wegner Vorsitzender der Berliner CDU, Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, und Stefan Evers, Berliner CDU-Generalsekretär, geben am 15.03.2023 gegenüber der Presse ein Statement zum Stand der Entwicklung bei der Regierungsbildung in Berlin ab (Quelle: dpa / Carsten Koall).
Audio: rbb24 Inforadio | 29.03.2023 | Sebastian Schöbel | Bild: dpa

Eigentlich wollten SPD, Grüne und Linke die Verwaltung bis 2026 reformieren. Dann kam die Wiederholungswahl, und nun müssen es wohl CDU und SPD gemeinsam richten. Doch in zentralen Punkten sind sie sich nicht einig. Von Sebastian Schöbel

In der politischen Zeitrechnung war es auf die allerletzte Minute, als die Spitzen des rot-grün-roten Senats am 7. Februar ihre Eckpunkte für eine Verwaltungsreform vorstellten. Denn nur wenige Tage später stand die Wiederholungswahl an, die Zukunft der Regierung stand auf dem Spiel. SPD, Grüne und Linke wollten aber unbedingt noch ihre Pflöcke einschlagen, bevor die Wählerinnen und Wähler ihre Kreuzchen machen - bei einem Thema, das langweilig klingt, aber elementar ist für die Stadt.

Vorgelegt wurde damals ein Zeitplan, mit dem die Struktur der Berliner Verwaltung grundlegend modernisiert und verbessert werden soll: klare Zuständigkeiten, mehr Effizienz, starke Bezirke unter Senatsaufsicht. Grüne und Linke werden den Plan nun nicht mehr umsetzen können - Giffey aber könnte damals mit der rot-grün-roten Last-Minute-Reform für die Verwaltung eine taktische Weichenstellung für die schwarz-roten Koalitionsverhandlungen gelungen sein.

Appell der Wirtschaft: Reform nicht abwürgen

Denn die Facharbeitsgruppe, in der CDU und SPD die Verwaltungsreform diskutiert haben, hat sich nach rbb-Informationen auf ein klares Bekenntnis zu den von SPD, Grünen und Linken vorgelegten Eckpunkten geeinigt. Von ersten Reformschritten, die ohne Verfassungsänderung noch in diesem Jahr eingeleitet werden sollen, über die Stärkung des Rates der Bürgermeister, bis zur Neuregelung der Zuständigkeiten zwischen Senat und Bezirken in einem neuen Gesetz, das Mitte 2024 vorliegen soll: Alles, was Rot-Grün-Rot auf die letzten Meter beschlossen hat, findet sich nun in der schwarz-roten Verwaltungsreform wieder.

In einigen wichtigen Punkten aber gibt es weiterhin Streit - und diese Punkte sind so gravierend, dass inzwischen auch die wichtigsten Wirtschaftsverbände Berlins davon mitbekommen haben, obwohl die Verhandler Schweigen vereinbart hatten. Am Dienstag, einen Tag bevor die Verhandlungsführer um Giffey und Kai Wegner die Verwaltungsreform final abstimmen wollen, schickten die Industrie- und Handelskammer, der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller und der Architekten- und Ingenieurverein einen gemeinsamen Appell an CDU und SPD: Auf keinen Fall dürfe schwarz-rot den schon beschlossenen Fahrplan zur Verwaltungsreform infrage stellen. "Wolle der künftige Senat seine Arbeit nicht mit einem Fehlstart beginnen, dürfen zentrale Punkte der Verwaltungsreform nicht aufgeweicht werden", heißt es in dem Schreiben.

CDU will Modernisierung aus dem Roten Rathaus steuern

Im Detail sind es vor allem zwei Fragen, bei denen sich die Verhandler:innen von CDU und SPD verhakt haben. Einerseits geht es um Machtgerangel: Die SPD will, dass die Innenverwaltung für die Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung sowie Personalfragen zuständig ist. Der Grund dürfte wohl auch sein, dass die Sozialdemokraten das Ressort in den Koalitionsverhandlungen für sich reklamieren. Die CDU will das Thema hingegen zur Chefsache machen und im Roten Rathaus ansiedeln - wo bald Kai Wegner sitzen könnte. Ganz ähnlich hatte es zuvor Giffey mit dem Wohnungsbau gemacht.

Während man sich hier vermutlich irgendwie einigen kann, dürfte das zweite Problem schwieriger werden. Die SPD pocht darauf, dass die Führungsposten der Bezirksämter künftig nicht mehr nach Proporz vergeben werden und das Stärkeverhältnis in der Bezirksverordnetenversammlung widerspiegeln, sondern nach dem Mehrheitsprinzip: Die Bezirksstadträte würden dann in einem "politischen Bezirksamt" ebenfalls von der Mehrheit der Bezirksverordnetenversammlung gewählt, so wie bereits die Bezirksbürgermeister. Die Idee wird seit Jahrzehnten in Berlin diskutiert, die SPD selbst war in der Vergangenheit mal dafür und mal dagegen.

SPD will politisches Bezirksamt, CDU nicht

Die CDU aber will laut rbb-Informationen das "politische Bezirksamt" im Koalitionsvertrag explizit ausschließen - und bringt ihrerseits einen anderen, ebenfalls nicht ganz neuen Vorschlag mit: Die Direktwahl der Bezirksbürgermeister, die dann mit mehr politischer Autorität gegenüber dem Senat agieren könnten. Ganz uneigennützig dürfte das allerdings auch nicht sein: Die CDU hatte zuletzt bei Bezirkswahlen öfter die Erfahrung gemacht, als stärkste Kraft von einer Zählgemeinschaft der unterlegenen Parteien ausgebootet zu werden. Bei der Wiederholungswahl hatten die Christdemokraten neun von zwölf Bezirken gewonnen - und hätten wohl auch am meisten von einer Direktwahl der Bürgermeister profitiert.

Auf welchen Kompromiss sich CDU und SPD am Ende bei der Verwaltungsreform einigen, entscheiden die Verhandlungsführer am Mittwoch. Dann wird es auch um die teils millionenschweren Ausgaben für die Digitalisierung gehen, die in der Facharbeitsgruppe besprochen wurden. Allein für das landeseigene IT-Dienstleistungszentrum (ITDZ) sollen nach rbb-Informationen bis 2027, also über die Legislatur hinaus, mehr als 100 Millionen Euro ausgegeben werden. ITDZ-Chef Marc Böttcher hatte Mitte März überraschend das Handtuch geworfen - offenbar frustriert ob der schlechten finanziellen Ausstattung des wichtigsten IT-Dienstleisters der Berliner Verwaltung.

Zumindest beim Tempo aber ist man sich weitgehend einig: Noch in dieser Legislaturperiode, also bis 2026, will man den Behördenapparat grundlegend reformiert haben - Verfassungsänderung inklusive.

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.03.2023, 12:00 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

33 Kommentare

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  1. 33.

    Was für eine Verwaltung? Haben wir so etwas in Berlin überhaupt?

  2. 32.

    Die Boulevardpresse neigt allerdings gerne zu Übertreibungen. Gestern konnte man z.B. auch schon lesen, dass die Verhandlungen auch zum Thema Verwaltung sehr gut laufen:
    https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2023/03/berlin-koalitionsverhandlungen-spd-cdu-wegner-saleh-integration-kita.html

  3. 31.

    Bekommen wir überhaupt noch eine funktionierende Regierung bis zu den nächsten Wahlen hin? Das ganze hin und her ist so ein unfassbares Kasperletheater. Warum bekommt die demokratisch gewähle Partei mit den meisten Stimmen nicht einfach 51% der Sitze und die restlichen 49% werden Prozentual umververteilt? Irgendwie sowas wie eine Wahlreform und ein Demokratieupdate.

  4. 30.

    Dem Elias sollte zu denken geben, dass selbst der RBB über die Blockade der Energiewende und sogar über die Sabotage der Verkehrswende seotens des zuständigen Senates berichtet hat. Die Kreuzberger Presse hat zudem gerade wieder due Autozentriertheit der Dame mit dem Termindruck am Beispiel der Invalidenstrasse aufgezeigt. Dort wurde die Sperrfläche auf den Straßenbahngleisen von Verkehrssenat zugunsten der Linksabbieger entfernt.

  5. 29.

    die neue " Regierungsambition " ist klar überfordert , man kloppt sich auf Nebenfelder , Ablenkungsmanöver , setzt sich auf gemachte Polster , der alten Regierung , - nicht Neues , kein Konzept , fachlich , unfähig Berlin zu regieren - - fuchtelt auf Nebenfelder der Wirtschaft rum - will für 215 480 Berliner Angestellte im öffentlichen Dienst einen Glasfaseranschluß mit schnellen PC einbauen - ne Entschuldigung - hab mich verhört , is ja Brandenburg , - he Ihr Anfänger : warum kommen die vielen Neuberliner denn nach Berlin - die wollen Geld verdienen -schafft endlich gut bezahlte Arbeitsplätze ,die Berliner Wirtschaft will ,wo ist der bezahlbaren Wohnraum für die Beschäftigten , damit Sie bleiben ,? unterstützt die vielen jungen Mütter , damit sich die Kindern mal was gönnen können , bedank euch bei den alte Berliner Pioniere , mit flüssiger Kohle - ist das schwer zu kapieren ! ein Wohlstandskabinett , fernab von Berliner Realität macht den Bürgerstreich rückwärts

  6. 28.

    Wenn ich das obige Foto anhand der Mimik der Anwesenden mit Sprechblasen versehen dürfte, wären meine Favoriten, von links nach rechts: Bla Laber Sag'was // Mach' jetzt keinen Mist! // Noch so'n Ding und wir unterhalten uns draußen // Ein Spezi vor dem Herrn
    Ich wünsche den Berlinern, das ich mich irre.


  7. 27.

    KarlMittwoch, 29.03.2023 | 13:38 Uhr
    Antwort auf [Martina] vom 29.03.2023 um 12:26
    „Geben Sie noch eine inhaltliche Begründung“
    *Mehr Demokratie.*
    *Dann kann ich direkt abwählen, wenn mir die Nase/Stil nicht passt.*

    Das ist aber gar nicht mehr Demokratie. Demokratie ist ja nicht um Sie zu bespassen. Demokratie ist, das Sachfragen sachlich ausgehandelt werden. Wie kommen Sie darauf, Sie hätten da mehr Ahnung projiziert in eine einzige Person, als ein Parlament, dass sich aus dieser bereits differenzierten Fachexpertise quasi den Chef, die Chefin wählt?

    Sie würden den wählen, der die beste Kirmesperformance und Personality-Show hinlegt. Das hat aber mit Demokratie nix zum tun. Das ist bloss Waschmittelauswahl im Supermarkt.

  8. 26.

    Durch einen hohen Tarifabschluss im ÖD wird die Personaldecke noch dünner.

    Jahrelang wurde der ÖD kaputt gespart um Steuererhöhungen zu vermeiden.

    Der Senat muss Steuern erhöhen, freiwillige Ausgaben (Bibliotheken, Vereine ect) drastisch einschränken oder streichen. Anders geht's nicht mehr. Dann kann auch mehr Personal eingestellt werden

    Und vor allem muss Personal wieder gut ausgebildet und verbeamtet werden. Schluss mit der unsinnigen Ausbildung zum Vereatungsfachangestellten.

  9. 25.

    CDU versucht in die Bezirke reinzuregieren bzw da ihre Bürgermeister zu platzieren. Es gibt da jeweils ein Parlament und dad sollte mehr Kompetenzen haben, sodass Poltik an näher an die Menschen da jeweils im Bezirk gebunden ist und diese sich mehr als gerade noch greifbare Gemeinschaft verstehen. Dieser Gemeinschaftsgefühl ist so arg verloren gegangen und auch die Fähigkeiten Interesse abzustimmen. Teils auch einfach weil Berluin an sich zu groß ist für funktionierende demokratische Teilhabe da. Innen und Außenbezirke unterscheiden sich stark in Problemlagen und Bedürfnisse der Menschen. Besser den Bezirken vor ort mehr Kompetenzen geben und die Menschen mehr mitsprechen lassen vor Ort statt zu Zentraliseren oder Machtpolitik vom Bürgermeister statt Verhältniswahl. Achtung da vor Plänen von CDU. Sie können ja die Außenbezirke dominieren, bzw da wo sie Mehrheiten hinter sich bringen. Auch in der Opposition wär das möglich dann. wenn man den Bezirken mehr Verantwortung zuspricht.

  10. 24.

    Eine Reform der Verwaltung gelingt nur, wenn die Politik sie in Ruhe ihre Arbeit verrichten lässt.
    Gibt es neue Aufgaben, muss die Politik auch sagen, wer sie erledigen soll und erklären, warum derjenige bisher nichts zu tun hatte.

  11. 23.

    Was will die SPD in 3 Jahren schaffen wozu man über 20 Jahre Zeit hatte? Deren Versuch ist doch absolut gescheitert.
    Akzente setzen passt eher in diese Koalition statt alte Fehler neu zu verkaufen. Ich hoffe die raufen sich zusammen

  12. 22.

    "Die Roten, Tiefroten und Grünen brauchten sich gar nicht erst zanken, da sie eh nullkommanix gebacken bekommen haben - abgesehen von unnützen Popup-Radwegen. "

    Eine durchsichtige Lüge aus der blaubraunen Ecke, wie gehabt. Fragt man aber mal nach kommen außer dumpfen Stammtischparolen nichts von Substanz.

    Mal ganz davon abgesehen, was hat das mit dem Thema zu tun?

  13. 21.

    Sehr gut, sehr gut.
    Je mehr Zank vor der Regierung, desto zuversichtlicher bin ich, dass diese tolle Koalition hier Großes zaubern wird LOL.

    Aber macht ihr mal.
    Ihr seid ja Profis :zwinker:
    Ich werde mich wahlweise köstlich amüsieren.
    Oder im Strahl in den Eimer rückwärts essen.
    Oder beides zusammen.

  14. 20.

    „ Begriffe wie "zanken" oder die vor Enttäuschung über den Volksentscheid fast triefende Einleitung sind Indikatoren. “
    Der Gedanke kam mir auch beim lesen des Beitrages, danke für den Kommentar.

  15. 19.

    So lange Sie die Artikel über das Thema lesen und kommentieren, schreiben wir sie auch. ;)

  16. 18.

    „Geben Sie noch eine inhaltliche Begründung“

    Mehr Demokratie.

    Dann kann ich direkt abwählen, wenn mir die Nase/Stil nicht passt.

  17. 17.

    Verwaltungs- und Bezirksreform sind in Berlin überfällig. Gut, dass die neue CDU/SPD-Koalition dieses Thema zeitnah angehen wird. #gutfuerberlin

  18. 16.

    Direktwahl der Bezirks Bürgermeister oder Bezirksmeisterinnen finde ich sehr demokratisch. Damit sind die Gewählten unabhängiger von den Parteien. Dabei kommt mehr herum wie bisher. Wäre ein prima Kompromiss.

  19. 15.

    Die machen doch sowieso was sie wollen der Bürger steht außen vor. Wir müssen doch nicht glauben daß es Bürgerfreundlicher wird und man schneller einen Termin bekommt.

  20. 14.

    Wieviele Berichte dazu macht der rbb denn noch? Soll wohl möglichst nicht untergehen das Thema. Je öfter man es liest um so.... ???

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