Bundesverfassungsgericht - Verfassungsbeschwerde gegen Berliner Wahlwiederholung war unzulässig
Im Januar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Wiederholungswahl in Berlin wie geplant stattfinden konnte. Der Fall war kompliziert - "auf die Schnelle" sei keine Begründung machbar, hieß es damals. Gut 15 Wochen später liegt die nun vor.
Die Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs für die Wiederholungswahlen vom 12. Februar bleibt bestehen. Das Bundesverfassungsgericht begründete das am Mittwoch schriftlich mit der alleinigen Zuständigkeit der Länder für das Wahlrecht und das Wahlprüfungsverfahren. Eine von 43 Personen eingelegte Verfassungsbeschwerde sei nicht statthaft - und damit unzulässig.
Die Kläger hatten versucht, die Wiederholungswahlen mit einem Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht doch noch zu stoppen. Ende Januar hatten die Karlsruher Richter das abgelehnt - vorerst ohne Begründung. Die lieferte das Gericht nun schriftlich nach. Und erklärte gleich mit, warum nicht nur der Eilantrag, sondern auch die ganze Verfassungsbeschwerde "nicht statthaft" sei.
Wahlen in den Bundesländern sind auch Ländersache
Das wichtigste Argument der Bundesrichter: Das Grundgesetz gewähre den Ländern eigene Verfassungsbereiche - darunter auch das Wahlrecht. Dabei müssten alle Länder zwar die gemeinsamen demokratischen Grundsätze einhalten. Das sei aber in Berlin der Fall - auch durch die Regelung, dass über Wahlanfechtungen abschließend der Verfassungsgerichtshof entscheidet. Das Bundesverfassungsgericht sei "keine zweite Instanz über den Landesverfassungsgerichten", das deren Urteile überprüfe. Schon gar nicht bei Einzelentscheidungen wie der des Verfassungsgerichtshofes, die Wahl vom September 2021 für ungültig zu erklären.
Etwas anderes sei es, wenn die Normen eines Landes andauernd und systematisch infrage gestellt würden. Hier aber fanden die Karlsruher Richter nichts zu beanstanden - weder im Berliner Wahlrecht noch im Wahlprüfungsverfahren oder beim Vorgehen des Gerichts beziehungsweise dessen Besetzung.
Beschwerdeführer kritisieren Argumentation
Die Beschwerdeführer Bertram von Boxberg (Grüne), Stefan Förster (FDP), Jan Lehmann (SPD) und Sebastian Schlüsselburg (Linke) kritisierten das Bundesverfassungsgericht: Es treffe nicht zu, dass die Beschwerdeführer letztlich die endgültige Verhinderung einer Wiederholungswahl als Ziel gehabt hätten. Sie hätten die Prüfung massiver Wahlfehler verlangt und dass es nur dort zur Wiederholungswahl komme, wo sich die Wahlfehler auf die Sitzverteilung im Parlament ausgewirkt hätten.
Außerdem lasse das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich offen, ob der Berliner Verfassungsgerichtshof die Grundrechte der Beschwerdeführenden verletzt habe. "Ungeachtet der Gefahren, die sich daraus für künftige Wahlen in deutschen Bundesländern ergeben, hat sich das Bundesverfassungsgericht aus einer Prüfung von Landtagswahlen nun vollständig und endgültig verabschiedet", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Es sei darüber hinaus bemerkenswert, dass das Bundesverfassungsgericht auf 57 Seiten begründen müsse, dass die erhobene Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig sei.
Klagen zur Bundestagswahl noch nicht entschieden
Mit der deutlichen Begründung der Eilentscheidung ist zwar noch keine Entscheidung über das noch laufende Hauptsacheverfahren verbunden, die Argumente dürften aber dieselben sein.
Auch die Verfahren zur 2021 zeitgleich abgehaltenen Bundestagswahl sind noch nicht entschieden. Hier hatte der Bundestag die Wiederholung in über 431 Berliner Wahlbezirken beschlossen.
Gegen diese Entscheidung seien noch mehrere Verfahren in Karlsruhe anhängig, bestätigte eine Sprecher des Gerichts. Die Bearbeitung dauere noch an. Wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, sei derzeit nicht absehbar.
Vierfach-Wahl und Marathon: Zahlreiche Pannen im September 2021
Hintergrund der am Mittwoch veröffentlichten Begründung sind die zahlreichen Pannen bei der Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses am 26. September 2021. An dem Tag fanden neben den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und für die Bezirke noch die Bundestagswahl und ein Volksentscheid statt. Zudem gab es Verkehrsbehinderungen wegen des Berlin-Marathons. In manchen Wahllokalen fehlten Stimmzettel, einige schlossen vorübergehend oder blieben zu lange geöffnet. Vielerorts bildeten sich lange Schlangen.
Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin entschied am 16. November 2022, dass die Wahl komplett wiederholt werden muss. Dagegen gab es mehr als 40 Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht, neben Wählerinnen und Wählern insbesondere auch von mehreren Mitgliedern des Berliner Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen.
Das Bundesverfassungsgericht bestätigte die Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs Ende Januar, ohne allerdings hierzu auch schon eine Begründung zu liefern. Die schnelle Bekanntgabe nur des Ergebnisses sollte zunächst die Vorbereitung der Wiederholungswahl am 12. Februar absichern.
Sendung: rbb24 Abendschau, 17.05.2023, 19:30 Uhr