Bundesverfassungsgericht - Verfassungsbeschwerde gegen Berliner Wahlwiederholung war unzulässig

Mi 17.05.23 | 12:35 Uhr
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Außenaufnahme des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe (Quelle: dpa/Uli Deck)
Audio: rbb24 Inforadio | 17.05.2023 | Sabine Müller | Bild: dpa/Uli Deck

Im Januar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Wiederholungswahl in Berlin wie geplant stattfinden konnte. Der Fall war kompliziert - "auf die Schnelle" sei keine Begründung machbar, hieß es damals. Gut 15 Wochen später liegt die nun vor.

Die Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs für die Wiederholungswahlen vom 12. Februar bleibt bestehen. Das Bundesverfassungsgericht begründete das am Mittwoch schriftlich mit der alleinigen Zuständigkeit der Länder für das Wahlrecht und das Wahlprüfungsverfahren. Eine von 43 Personen eingelegte Verfassungsbeschwerde sei nicht statthaft - und damit unzulässig.

Die Kläger hatten versucht, die Wiederholungswahlen mit einem Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht doch noch zu stoppen. Ende Januar hatten die Karlsruher Richter das abgelehnt - vorerst ohne Begründung. Die lieferte das Gericht nun schriftlich nach. Und erklärte gleich mit, warum nicht nur der Eilantrag, sondern auch die ganze Verfassungsbeschwerde "nicht statthaft" sei.

Wahlen in den Bundesländern sind auch Ländersache

Das wichtigste Argument der Bundesrichter: Das Grundgesetz gewähre den Ländern eigene Verfassungsbereiche - darunter auch das Wahlrecht. Dabei müssten alle Länder zwar die gemeinsamen demokratischen Grundsätze einhalten. Das sei aber in Berlin der Fall - auch durch die Regelung, dass über Wahlanfechtungen abschließend der Verfassungsgerichtshof entscheidet. Das Bundesverfassungsgericht sei "keine zweite Instanz über den Landesverfassungsgerichten", das deren Urteile überprüfe. Schon gar nicht bei Einzelentscheidungen wie der des Verfassungsgerichtshofes, die Wahl vom September 2021 für ungültig zu erklären.

Etwas anderes sei es, wenn die Normen eines Landes andauernd und systematisch infrage gestellt würden. Hier aber fanden die Karlsruher Richter nichts zu beanstanden - weder im Berliner Wahlrecht noch im Wahlprüfungsverfahren oder beim Vorgehen des Gerichts beziehungsweise dessen Besetzung.

Beschwerdeführer kritisieren Argumentation

Die Beschwerdeführer Bertram von Boxberg (Grüne), Stefan Förster (FDP), Jan Lehmann (SPD) und Sebastian Schlüsselburg (Linke) kritisierten das Bundesverfassungsgericht: Es treffe nicht zu, dass die Beschwerdeführer letztlich die endgültige Verhinderung einer Wiederholungswahl als Ziel gehabt hätten. Sie hätten die Prüfung massiver Wahlfehler verlangt und dass es nur dort zur Wiederholungswahl komme, wo sich die Wahlfehler auf die Sitzverteilung im Parlament ausgewirkt hätten.

Außerdem lasse das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich offen, ob der Berliner Verfassungsgerichtshof die Grundrechte der Beschwerdeführenden verletzt habe. "Ungeachtet der Gefahren, die sich daraus für künftige Wahlen in deutschen Bundesländern ergeben, hat sich das Bundesverfassungsgericht aus einer Prüfung von Landtagswahlen nun vollständig und endgültig verabschiedet", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Es sei darüber hinaus bemerkenswert, dass das Bundesverfassungsgericht auf 57 Seiten begründen müsse, dass die erhobene Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig sei.

Klagen zur Bundestagswahl noch nicht entschieden

Mit der deutlichen Begründung der Eilentscheidung ist zwar noch keine Entscheidung über das noch laufende Hauptsacheverfahren verbunden, die Argumente dürften aber dieselben sein.

Auch die Verfahren zur 2021 zeitgleich abgehaltenen Bundestagswahl sind noch nicht entschieden. Hier hatte der Bundestag die Wiederholung in über 431 Berliner Wahlbezirken beschlossen.

Gegen diese Entscheidung seien noch mehrere Verfahren in Karlsruhe anhängig, bestätigte eine Sprecher des Gerichts. Die Bearbeitung dauere noch an. Wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, sei derzeit nicht absehbar.

Vierfach-Wahl und Marathon: Zahlreiche Pannen im September 2021

Hintergrund der am Mittwoch veröffentlichten Begründung sind die zahlreichen Pannen bei der Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses am 26. September 2021. An dem Tag fanden neben den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und für die Bezirke noch die Bundestagswahl und ein Volksentscheid statt. Zudem gab es Verkehrsbehinderungen wegen des Berlin-Marathons. In manchen Wahllokalen fehlten Stimmzettel, einige schlossen vorübergehend oder blieben zu lange geöffnet. Vielerorts bildeten sich lange Schlangen.

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin entschied am 16. November 2022, dass die Wahl komplett wiederholt werden muss. Dagegen gab es mehr als 40 Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht, neben Wählerinnen und Wählern insbesondere auch von mehreren Mitgliedern des Berliner Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen.

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte die Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs Ende Januar, ohne allerdings hierzu auch schon eine Begründung zu liefern. Die schnelle Bekanntgabe nur des Ergebnisses sollte zunächst die Vorbereitung der Wiederholungswahl am 12. Februar absichern.

Sendung: rbb24 Abendschau, 17.05.2023, 19:30 Uhr

27 Kommentare

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  1. 27.

    Das mit "in den Kram passen" liegt wohl ganz auf ihrer Seite, so wie sie aus persönlichen Gründen auch gegen den Mietendeckel gewettert haben.

    Selbstverständlich war die Entscheidung des BerlVerfGH politisch motiviert, kein Wunder wenn gleich 3 cDU Mitglieder Richter sind. Deshalb stand das Urteil ja bereits VOR der Urteilverkündung fest.

    Es wäre die Aufgabe des BVerfG gewesen die Rechtmäßigkeit wieder herzustellen, stattdessen lehnt man die Klage mit einer windelweichen Ausrede ab.

    "Außerdem lasse das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich offen, ob der Berliner Verfassungsgerichtshof die Grundrechte der Beschwerdeführenden verletzt habe. "Ungeachtet der Gefahren, die sich daraus für künftige Wahlen in deutschen Bundesländern ergeben, hat sich das Bundesverfassungsgericht aus einer Prüfung von Landtagswahlen nun vollständig und endgültig verabschiedet", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. "

    Wenn das keine Skandale sind, was dann?

  2. 26.

    Das BVerfG hat lediglich einen Eilantrag nicht stattgegeben. Den eingereichten Eilanträgen wird stattgegeben oder nicht, je nach Dringlichkeit und Wichtigkeit der Sache,und die Begründung folgt immer nachhinein.
    Es ging nicht um eine politische Entscheidung, sondern um eine Ablehnung in der Sache, und nun folgte die Begründung.

    Die Gerichte sind weder befangen, noch fällen sie Skandalurteile, obwohl es manche von der AfD, Linke und co. behaupten, nur weil es denen nicht in den "Kram" passt.

  3. 25.

    Mal abgesehen davon, dass das BVerfG immer mehr zu einer Reparaturwerkstatt der Politik verkommt hat das BVerfG eine politische Entscheidung getroffen und war min. so befangen wie der BerlVerfGH, wo das Urteil schon VOR der Urteilsverkündigung feststand.

    Die Skandalurteile häufen sich.

  4. 24.

    Eine unzulässige Verfassungsbeschwerde zieht kein Hauptverfahren nach sich, ist doch logisch.

  5. 23.

    Ist schon erstaunlich, wie bei einigen Abgeordneten das Demokratieverständnis ausgebildet ist. Es geht ihnen nicht um das Wohlergehen der Bürger, sondern scheinbar nur um ihr eigenes. Das zeigt, wie einige "Volksvertreter" einzuschätzen sind.
    Mehr Demokratie als durch eine Wahlwiederholung geht eigentlich nicht. Ist ja auch ein Zeugnis für erbrachte Leistung.

  6. 22.

    Welches Hauptverfahren? In der Sache Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus fühlt sich das BVerfG überraschenderweise grundsätzlich nun doch für nicht zuständig. Und das ist umso überraschender, da einige Mandatsträger ja ohne Wahlmangel ihr Mandat erworben hatten und nun hoffen durften, dass sich das BVerfG mit dem Eingriff in ihre Grundrechte schon befasst.
    Das der VerfGH grundsätzlich für die Wahlprüfung gemäß Landesverfassung zuständig ist, war ja von vornherein klar, dagegen hat ja niemand Beschwerde eingereicht.

  7. 21.

    Ja die juristischen Zeitkonstanten sind wie im Zivilrecht inzwischen viel zu hoch.
    Aber im Fall der Wahl zum Abgeordnetenhaus wurde ja offenbar hoch priorisiert mit ca. 1/2 Jahre Verfahrensdauer im Gegensatz zu den üblichen 2-5 Jahren schon sportlich entschieden.

  8. 20.

    Sie meinen ernsthaft, das BVerfG hält sich im einstweiligen Verfahren für nicht zuständig, wohl aber im Hauptverfahren?

  9. 18.

    Universalgenieen gibt es in Deutschland für Taschengeld nicht.
    Siehe Unsere Politiker,
    keine beendete Ausbildung aber eigen-genehmigte Nebentätigkeiten.
    Inzwischen sogar bei, tadah, DieGrünen.

  10. 16.

    Nein, nicht wegen 40 Menschlein.
    Wegen Schutz der Demokratie, gegen Schlamperei von Amtes wegen in einem Bundesland.

  11. 15.

    Mit Ansage!

  12. 14.

    Wie diametral wäre die Diskussion hier wohl verlaufen, wenn sich zb ne absolute Mehrheit der Liberalen, oder der Afd aus der ersten Wahl ergeben hätte ?

  13. 13.

    Formaljuristisch ist das klar, aber trotzdem ist das nicht befriedigend (vorallem, wenn es erst nach der Legislaturperiode oder kurz vor den nächsten Wahlen zum Urteil kommen sollte)

  14. 12.

    Das liegt wohl daran, dass das BVerfG aus zwei Senate besteht und alle bundesweiten Verfassungsbeschwerden bearbeiten muss. Und davon werden reichlich eingereicht. Ca. 5500 im Jahr 2020. Also im Mittel ca. 15 täglich.
    Noch ein kleiner Tipp: In Echtzeit lassen sich diese Beschwerdemengen nicht abarbeiten, also folgt daraus ein immer größer werdende Queue (FIFO). Zwar werden die dringlichen Fälle nach vorne priosisiert aber, nun dürfte klar sein, warum es inzwischen Jahre dauert, bis einige niederpriorisierte Verfahren abgeschlossen sind.

  15. 11.

    Und sie? Wissen gar nichts. Meckern, mehr geht da nicht. Von daher: Wie immer bei Kommentaren wie dem ihren:Heiße Luft. Viel Getöse und Sehnsucht nach 1950. Gehen Sie mal in Rente. Von Ihnen kommt eh nichts von Bedeutung.

  16. 10.

    "So ist es in diesem Staat. " Ja, so ist es in diesem Staat, den sie so abgrundtief verachten.

  17. 9.

    Die Frage stellt sich nicht. Man kann eine mangelhafte Wahl nur wiederholen und damit die restliche Zeit der regulären Legislaturperiode heilen.
    Dauert das Verfahren bis über die nächste reguläre Neuwahl hinaus, entfaltet das Urteil keine Rechtswirkung mehr.

  18. 8.

    Wie lange immer gebraucht wird, um irgendetwas festzustellen. Staatsbeamte brauchen wohl lange, lange Zeit, um zu Wissen für was man eigentlich zuständig sind. Wenn Richter ihre Zuständigkeiten nicht wissen, woher sollen es die Politiker wissen. So ist es in diesem Staat.

  19. 7.
    Antwort auf [Wossi ] vom 17.05.2023 um 10:23

    Mindestens 98,89% für RotGrün, alles andere wäre Faschismus!

  20. 6.
    Antwort auf [Wossi ] vom 17.05.2023 um 10:24

    "1989 haben Mutige gezeigt, wie man ein Staat zu Fall bringt, der nicht den Menschen dienen will. Besser „Ihr Verlierer“ versucht es nicht schon wieder..."

    Und deshalb müssen sie diesen neoliberalen und sozialdarwinistischen Blödsinn gleich doppelt schreiben, damit sie selbst daran glauben können?

    Der Staat wurde nicht zu "Fall gebracht", er ist in sich zusammengebrochen, weil die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit nicht mehr zu übertünchen war. Dazu kamen noch die wirtschaftlichen Probleme.

  21. 5.

    Mal schauen was das Gericht zu den Beschwerden bezüglich der Bundestagswahl sagt, denn hierfür ist es ja zuständig.
    Aber das jetzige Urteil ist eindeutig und eine Ohrfeige für alle die, die mit der Wiederholungswahl nicht einverstanden sind und nur geklagt hatten der Posten wegen.

  22. 4.

    Sind grundsätzlich Wahlwiederholungen nach so langer Zeit überhaupt noch sinnvoll oder sollte dann nicht immer eine Neuwahl erfolgen?

  23. 3.

    Da das BVerfG nach eigener Einschätzung nicht zuständig ist, dürften die Anträge als unzulässig zurückgewiesen werden. Eine materielle Prüfung im Hauptverfahren erübrigt sich dann.

  24. 2.

    Donnerwetter, wegen 40 Menschlein - und die Beschäftigungsschleife läuft und läuft immer weiter.

  25. 1.

    Und wann kommt das Hauptverfahren?

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