Fünf Erkenntnisse aus der Berlin-Wahl - Gewonnen hat die CDU und verloren haben alle anderen

Mo 13.02.23 | 19:44 Uhr | Von Wanda Bleckmann und Haluka Maier-Borst
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Karten Berlin Wahl:Zweitstimme Stärkste Kraft 2021 und 2023.(Geodaten:Stat. Landesamt,GeoBasis-DE/BKG (2020))
Bild: Stat. Landesamt, GeoBasis-DE / BKG (2020)

Schon klar, die CDU hat die Wahl zum Abgeordnetenhaus gewonnen. Das rbb|24-Datenteam hat aber etwas tiefer in Daten gewühlt, um ein paar interessante Details und erste Erklärungen für die Ergebnisse zu finden. Von Wanda Bleckmann und Haluka Maier-Borst

Die Demokratie hat verloren

Ein "Tiefpunkt für das Ansehen Berlins", so kommentierte die CDU die Tatsache, dass die Wahl von 2021 nun dieses Jahr wiederholt werden musste. Und auch die anderen Oppositionsparteien wie AfD und FDP erklärten, dass es bei der Wiederholung der Wahl auch darum gehe, wie gut Berlin noch funktioniere.

Nun, auf den ersten Blick führte die Wahlwiederholung erstmal dazu, dass in jedem Bezirk sich deutlich weniger Leute an der Wahl beteiligten. Einerseits ist das vorhersehbar, denn bei regionalen Wahlen beteiligen sich nun mal weniger Menschen als an Bundestagswahlen. Entsprechend glücklich war der Umstand 2021, dass man mehrere Wahlen auf einmal abhalten konnte. Andererseits bedeutet es, dass das neue Abgeordnetenhaus weniger Menschen repräsentiert.

Wo die SPD schwächelt, gewinnt die CDU – außer in der Highdeck-Siedlung

Neukölln 4, 5 und 6: Dort wo die CDU massiv Wähler:innen dazugewonnen hat, sind auch die Wahlkreise, wo die SPD massiv verloren hat. Das muss natürlich nicht notwendigerweise heißen, dass viele SPD-Wähler:innen nun bei der CDU ihr Kreuz gemacht haben. Es kann auch heißen, dass in diesen Gebieten die SPD-Wählerschaft diesmal zu Hause geblieben ist und andersrum die CDU ihnen politisch nahestehende Menschen mobilisiert bekommen hat.

Interessant ist jedenfalls dabei auch, dass es ausgerechnet Neukölln ist, in dem so viele Zugewinne vorhanden waren. Das widerspricht einerseits der mehrfach geäußerten Behauptung, dass vor allem die CDU in jenen Stadtteilen mit dem Thema Sicherheit punktet, in denen Menschen keine Ahnung von der durch die Silvesterkrawalle berüchtigt gewordenen High-Deck-Siedlung haben. Andererseits liegt die High-Deck-Siedlung in einem benachbarten Wahlkreis, nämlich Neukölln 3.

Auch die FDP kann sich gegen die CDU nur schwerlich behaupten

Die Stärke der CDU lässt sich nicht nur mit der Schwäche der SPD erklären. Anscheinend war es auch für die FDP schwierig, sich in direkter Konkurrenz von der CDU zu behaupten. Denn neben Neukölln sind auch Bezirke wie Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg oder auch Treptow-Köpenick Gegenden, in denen die CDU Wähler:innen gewinnen konnte und die FDP verlor.

Die Folge dessen ist, dass die FDP wohl nicht die Fünf-Prozent-Hürde erreicht, folglich nicht im Abgeordnetenhaus ist und entsprechend die bisherige Opposition weniger stark im Parlament und in der Stadt vertreten sein wird, als wenn die CDU nicht der FDP es so schwierig gemacht hätte.

Die AfD profitiert von Nicht-Wähler:innen - verliert aber Stimmen

Die AfD hat einen größeren Wähleranteil als bei der letzten Wahl, sie wird im nächsten Abgeordnetenhaus deutlich mehr Sitze bekommen aufgrund von Ausgleichsmandaten und dem Wegfall der FDP. Und das alles, obwohl sie verloren hat. 7.902 Stimmen hat sie in der Stadt unter dem Strich weniger errungen als letztes Mal.

Weil aber zugleich auch 312.114 Stimmen insgesamt abgebeben wurden, hat die AfD einen größeren Stimmanteil erreicht. Ein extremes Beispiel sind dabei Marzahn-Hellersdorf 1 und Marzahn-Hellersdorf 3, wo anstatt rund 60 Prozent nicht einmal 50 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben haben. Weil die AfD hier aber "nur" 373 (Marzahn-Hellersorf 3) bzw. 173 Stimmen (Marzahn-Hellersorf 1) weniger bekam, hat sie dort am meisten prozentual zugelegt.

Die Grünen und die Linke konkurrieren um die Stadtmitte

Auch die Grünen und die Linke haben überall Wähler:innen verloren. Aber bei ihnen ist vor allem interessant, wie beide zunehmend um benachbarte Wahlkreise kämpfen. War die Linke früher eine klare Ost-Partei, so liegen inzwischen ihre stärksten Gebiete in Neukölln.

Und auch bei den Grünen sind es, wie kaum anders zu erwarten, vor allem Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln, in denen die Partei punktet, sowie zusätzlich in Prenzlauer Berg.

Inwiefern das ein Problem für die bisherigen Koalitonäre sein wird, könnte spannend werden. Denn bei der vorherigen Wahl konnten Linke und Grüne sich gut ergänzen, weil die einen in Bezirken wie Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick punkteten und die anderen (Grüne) auch in eher bürgerlichen Bezirken wie Reinickendorf teils 17 Prozente holten. Nun droht aber, dass die eine Partei dem Koalitionspartner bei künftigen Wahlen das Leben schwer macht - so wie aktuell die CDU der FDP.

Sendung: rbb24 Abendschau, 13.02.2023, 19:30 Uhr

 

Beitrag von Wanda Bleckmann und Haluka Maier-Borst

56 Kommentare

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  1. 56.

    Dann hätte die Berliner CDU im Wahlkampf nicht die Tür für alle möglichen Koalitionspartner schließen sollen...

  2. 55.

    Das Problem sehe ich aber darin, dass eigentlich der von den WählerInnen angestrebte Wechsel in Berlin somit nicht möglich ist, heißt eigentlich braucht man hier dann gar nicht mehr zu wählen, da die CDU niemals eine absolute Mehrheit haben wird.
    Allein in den Bezirken ist die CDU in 9 von 12 stärkste Kraft. Bringt aber wohl auch nichts bei verbeamteten BürgermeisterInnen.
    Für dieses ganze Debakel hat die jetzige Koaliton noch nicht einmal Dir Verantwortung übernommen.

  3. 54.

    Ricochet, was schreiben Sie denn da als Antwort auf meinen Kommentar. Das passt ja garnicht.
    Mein Kommentar, auf den Sie sich berufen, lautete:
    "Achso, deshalb hat die CDU auch in den Aussenbezirken, die von Armut belastet sind und keine dicken Autos fahren, gewonnen.
    Kleiner Tipp. Erst Denken dann schreiben."

  4. 53.

    Reise, was schreiben Sie hier. Das ist keine Antwort auf meinen Kommentar, auf den Sie sich beziehen.
    Mein Kommentar lautete:
    "Achso, deshalb hat die CDU auch in den Aussenbezirken, die von Armut belastet sind und keine dicken Autos fahren, gewonnen.
    Kleiner Tipp. Erst Denken dann schreiben."

  5. 52.

    Zitat: "Aus meiner Sicht sollte IMMER die Stärkste Partei den Bürgermeister stellen , und somit auch die Regierung bilden . Und wer als Koalitionspartner mitmachen darf , sollte dieses demütig annehmen und als Pflichterfüllung für das deutsche Volk betrachten."

    Also selbst wenn die Partei mit den meisten Stimmen nur 1% vorm 'Verfolger' liegen würde, und Letzterer viel mehr Überschneidungen mit anderen Bewerbern hätte, sollte dem 'Sieger' automatisch die Regierungsverantwortung zustehen und alle anderen Bewerber sich in demütiger Pflichterfüllung für das deutsche Volk üben, Ule?

    Btw: Wie soll das dann in Sachsen oder Thüringen laufen, falls dort die AfD bei den nächsten Wahlen stärkste Partei werden sollte?

  6. 51.

    Zitat: "Wie kommen Sie denn dazu, einErgebnis von 3 verschiedenen Parteien zu addieren?" . . . "Fakt: Die CDU hat mit Abstand die Mehrheit..."

    Da es sich hierbei um einen Wiederholungswahl handelte, also die aktuelle Koalition szn. auf einem (Zwischen-)Prüfstand war, ist es durchaus angebracht, diese drei zusammen zu betrachten. Und es ist nicht Fakt, dass die CDU "mit Abstand die Mehrheit" hat. Sie hat deutlich mehr Prozente als SPD oder Grüne eingefahren, deshalb aber kein Anrecht darauf, den Senat anzuführen, Arnold.

  7. 50.

    Das heutige Berlin mit dem von vor 20 Jahren zu vergleichen ist für mich ein Luftschloss. Zu 49% hat sich die Regierung es nicht verscherzt. "..mit den Berlinern verscherzt.." mal eben dahin gesagt. Die CDU hat mehr Prozentpunkte gewonnen, als die regierenden Parteien zusammen verloren haben.

  8. 49.

    Sie wollen uns allen Ernstes erzählen, das die Grünenwähler, die alle im Zentrum wohnen, bettelarm sind? Großes Kino.

  9. 48.

    Der Wählerwille ist, dass Rot-Grün-Rot im Abgeordnetenhaus eine klare Mehrheit von 10 Sitzen hat und die CDU mit knapp 30% eben nicht. Knapp 30% ist deutlich von einer Mehrheit entfernt. Einen Regierungsauftrag für die stärkste Partei sieht das Grundgesetz nicht vor. SPD, Grüne und Linke haben vor der Wahl gesagt, dass sie die Zusammenarbeit fortsetzen wollen, wenn sie eine Mehrheit dafür bekommen. Ich sehe es daher als Wahlbetrug wenn Abgeordnete von SPD oder Grüne einen CDU-Bürgermeister wählen.

  10. 47.

    Aus meiner Sicht sollte IMMER die Stärkste Partei den Bürgermeister stellen , und somit auch die Regierung bilden . Und wer als Koalitionspartner mitmachen darf , sollte dieses demütig annehmen und als Pflichterfüllung für das deutsche Volk betrachten.

  11. 46.

    Das ist eine Mär. Als ich noch armer Schüler und Student war, musste ich quasi im Außenbezirk wohnen, da dort die Mieten bezahlbar waren und die 75min zur Uni in Kauf nehmen. Wie kann man jetzt behaupten, die Mieten mitten in der Innenstadt wären geringer? Das erklären Sie mal bitte. Woher die Gedanken/Zahlen?

  12. 45.

    Das liegt eigentlich auf der Hand. Sollte die SPD den Wählerwillen so hart ignorieren, nur um die Regierende zu stellen, wäre dies ein bitteres Armutszeugnis der Frau Giffey. Die CDU sollte den Auftrag zu Regierungsbildung erhalten, da beißt die Maus keinen Faden ab!

  13. 44.

    Und Frau Giffey soll jetzt logischerweise am Amt kleben, weil die Nichtwähler sie ja eventuell gewählt haben würden, hätten, könnten, wollten? Sie bemerken es hoffentlich selbst oder?

  14. 43.

    Nach dem Wahlausgang kann der neue Regierende nur Kai Wegner heißen unterstützt von Fr.Giffey alles andere ist Murks .

  15. 42.

    Sollte sie das tun, wird sich das für die SPD bei der nächsten Wahl extrem bitter rächen. Frau Giffey als Sozialsenatorin wäre eine Traumbesetzung und würde wahre Größe beweisen. Alles andere (kein CDU-Bürgermeister) ist mMn quasi Betrug am Wähler.

  16. 41.

    Mehrheit wäre CDU/SPD, um dem Wählerwillen zu entsprechen und einen Rückhalt der Bevölkerung zu besitzen. Beim primitiven „Weiter so“ sieht das wohl nur noch eine Minderheit.

  17. 40.

    Falls Giffey am Amt kleben sollte und dadurch den Wählerwillen ignorieren würde, würde ihr sicher einiges an Protest entgegenschlagen. Die alte Koalition hat es sich mit den Berlinern verscherzt. Politiker sollten schon Ahnung von Berlin besitzen, bestenfalls hier aufgewachsen oder 20 Jahre hier in verschiedenen Kiezen gewohnt haben. Leider trifft dies nicht einmal auf Spitzenkandidatinnnen/Spitzenkandidaten zu. Daher kamen auch diese unerträglichen Phantastereien und Luftschlösser.

  18. 39.

    "Gewonnen hat die CDU und verloren haben alle anderen" Meines Erachtens hat die AfD nicht "verloren". Durch die niedrige Wahlbeteiligung hat sie, wie auch andere Parteien, in Absolutzahlen weniger Wähler gehabt. Die Aussage wäre nur dann korrekt, wenn man diesen Gesichtspunkt auch bei den Altparteien anwendet. "Machtpolitisch" hat die AfD an Stimmengewicht im Abgeordnetenhaus sogar gewonnen.

  19. 38.

    Ich habe Zweifel, ob das hier gültige Verhältniswahlrecht die beste Lösung ist. Die Machtbasis der Spitze wird mit den sicheren Plätzen vorne auf der von der Partei aufgestellten Liste bedacht. Der einzelne Kandidat muss sich so keiner direkten Wahl durch den Bürger stellen, sondern mit den Funktionären gutstellen. Der Bürger muss dann die fernab entschiedene Liste schlucken – oder eben mit der Zweitstimme eine andere Partei wählen. Das passiert oft genug: Giffey erreicht in ihrem Bezirk in dieser Wahl 29 Prozent der Erststimmen – ihre SPD aber nur 25 Prozent. Aus dem Grundgesetz läßt sich die Machtfülle der Parteien nicht ableiten. Dort gibt es nur einen Hinweis, dass die Parteien bei der Willensbildung "mitwirken".

  20. 37.

    Egal. Das Zauberwort heißt parlamentarische Mehrheit, sprich es bleibt alles so wie es ist. Oder um es in den Fußball zu übertragen, der Senat ist nicht abgestiegen und kann weitermachen, aber natürlich wird er künftig alles besser machen…. Wie Hertha….

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