Regierungsbildung in Berlin - Wie man in der CDU auf den Koalitionsvertrag blickt
Während in der SPD darüber diskutiert wird, ob der ausgehandelte Koalitionsvertrag für ein Regierungsbündnis mit der CDU taugt, herrscht bei der CDU auffällige Stille. Das hat nicht nur damit zu tun, dass dort die Zufriedenheit groß ist. Von Thorsten Gabriel
- In der Berliner CDU sind viele zuversichtlich, dass die SPD-Basis dem Koalitionsvertrag zustimmt
- Meinungsäußerungen über den Koalitionsvertrag sind rar - mutmaßlich um das Mitgliedervotum der SPD nicht zu beeinflussen
- Dass Ressorts wie Inneres oder Wirtschaft nicht an die CDU gegangen sind, schmerzt zwar – die Aussicht, die Regierung anzuführen, entschädigt dafür
Im Willy-Brandt-Haus, der Bundeszentrale der SPD, brannte am Dienstag noch bis in den späten Abend hinein Licht. Die Spitze der Landespartei um die Vorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh hatte zu einem ersten Mitgliederforum geladen: einerseits, um die interessierte Parteibasis aus erster Hand über den Koalitionsvertrag mit der CDU zu informieren, andererseits um ein Ventil für vorhandenen Unmut zu schaffen.
Bis zum 21. April haben die knapp 19.000 Berliner Genossinnen und Genossen Gelegenheit, über eine Koalition mit der Union abzustimmen.
CDU-Funktionärsebene zuversichtlich, dass SPD zustimmt
In der CDU beobachten sie die Debatte nebenan mit großem Interesse, aber auch nicht allzu besorgt. Auf der Funktionärsebene kann sich bei der Union niemand so recht vorstellen, dass die SPD-Mitglieder ihrer Parteispitze die Gefolgschaft verweigern. Nicht umsonst war CDU-Chef Kai Wegner den Sozialdemokraten auf allen erdenklichen Wegen in den vergangenen Wochen entgegengekommen.
Obwohl die SPD am Wahltag weit abgeschlagen hinter der CDU landete, bot er ihr zügig ein Verhandeln "auf Augenhöhe" an, bis hin zur Ressortaufteilung. Selbst als die Sozialdemokraten, mit beachtlichem Selbstbewusstsein angesichts der verlorenen Wahl, das Innenressort für sich reklamierten, gab es von Seiten der CDU sofort zustimmende Signale: Geht klar, Genossen! Im Gegenzug konnte die Union zwar im Koalitionsvertrag gerade beim Thema Innere Sicherheit eigene Punkte setzen, die Grundhaltung dieses Vertrags aber, die "Erzählung", wie es so schön heißt, ist deutlich sozialdemokratisch geprägt.
"Weder reine CDU-Lehre noch reine SPD-Lehre bilden die Stadt ab"
Doch daran stört sich in der CDU kaum jemand - auch die nicht, die beispielsweise die Themen "Vielfalt" und "queeres Leben" nicht so weit nach vorn gepackt hätten, wie sie nun im Koalitionsvertrag zu finden sind. Hört man in die wirtschaftsnahen Zweige der Partei hinein, gibt es zwar Bedauern darüber, dass das Wirtschaftsressort nicht an die CDU gegangen ist und es Begriffe wie "Ausbildungsplatzumlage" und "Tariftreue" in den Vertrag geschafft haben.
Aber genauso grummelt es von anderer Seite, die Union hätte unbedingt das Innenressort für sich beanspruchen müssen. Dass sich im Koalitionsvertrag nicht "CDU pur" finde, hält wieder ein anderer Mandatsträger aus der Union sogar für wichtig und richtig. Nicht nur, weil eine Koalition immer ein "Geben und Nehmen" sei: "Weder reine CDU-Lehre noch reine SPD-Lehre bilden die Stadt ab, der Segen liegt im Kompromiss".
Bloß nicht jubeln, bloß nicht triumphieren
Grundsätzlich zeigen sie sich in der Union zurzeit allerdings wenig auskunftsfreudig, wenn man tiefer bohren will, was am Koalitionsvertrag gefällt oder nicht. "Fragen Sie mich das nochmal nach dem 23. April", hört man häufiger. An diesem Tag wird die SPD das Ergebnis ihres Mitgliedervotums bekannt geben. Man spürt: Unter keinen Umständen will man irgendetwas sagen oder später lesen, das negativen Einfluss auf die Befragung beim möglichen Koalitionspartner haben könnte.
Dieses Verhalten folgt der Strategie, die Parteichef Kai Wegner seit dem Wahlabend verfolgt: bloß nicht jubeln, bloß nicht triumphieren und damit auf den Gefühlen von anderen herumtrampeln, die noch wichtig für einen werden könnten. "Eine Mitgliederbefragung ist ein hohes Gut, und wir sollten uns einfach in die Angelegenheit einer anderen Partei nicht einmischen", sagt einer - und versichert aber, dass es dafür keiner "Ansage von oben" in der CDU bedurfte. Die Partei sei schließlich keine Autokratie.
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