Regierungsbildung in Berlin - Wie man in der CDU auf den Koalitionsvertrag blickt

Mi 05.04.23 | 15:43 Uhr | Von Thorsten Gabriel
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Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, und Kai Wegner, Vorsitzender der CDU Berlin, unterhalten sich nach einem Pressetermin zur Vorstellung des ausgehandelten Koalitionsvertrags. (Quelle: dpa/Monika Skolimowska)
Bild: dpa/Monika Skolimowska

Während in der SPD darüber diskutiert wird, ob der ausgehandelte Koalitionsvertrag für ein Regierungsbündnis mit der CDU taugt, herrscht bei der CDU auffällige Stille. Das hat nicht nur damit zu tun, dass dort die Zufriedenheit groß ist. Von Thorsten Gabriel

  • In der Berliner CDU sind viele zuversichtlich, dass die SPD-Basis dem Koalitionsvertrag zustimmt
  • Meinungsäußerungen über den Koalitionsvertrag sind rar - mutmaßlich um das Mitgliedervotum der SPD nicht zu beeinflussen
  • Dass Ressorts wie Inneres oder Wirtschaft nicht an die CDU gegangen sind, schmerzt zwar – die Aussicht, die Regierung anzuführen, entschädigt dafür

Im Willy-Brandt-Haus, der Bundeszentrale der SPD, brannte am Dienstag noch bis in den späten Abend hinein Licht. Die Spitze der Landespartei um die Vorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh hatte zu einem ersten Mitgliederforum geladen: einerseits, um die interessierte Parteibasis aus erster Hand über den Koalitionsvertrag mit der CDU zu informieren, andererseits um ein Ventil für vorhandenen Unmut zu schaffen.

Bis zum 21. April haben die knapp 19.000 Berliner Genossinnen und Genossen Gelegenheit, über eine Koalition mit der Union abzustimmen.

CDU-Funktionärsebene zuversichtlich, dass SPD zustimmt

In der CDU beobachten sie die Debatte nebenan mit großem Interesse, aber auch nicht allzu besorgt. Auf der Funktionärsebene kann sich bei der Union niemand so recht vorstellen, dass die SPD-Mitglieder ihrer Parteispitze die Gefolgschaft verweigern. Nicht umsonst war CDU-Chef Kai Wegner den Sozialdemokraten auf allen erdenklichen Wegen in den vergangenen Wochen entgegengekommen.

Obwohl die SPD am Wahltag weit abgeschlagen hinter der CDU landete, bot er ihr zügig ein Verhandeln "auf Augenhöhe" an, bis hin zur Ressortaufteilung. Selbst als die Sozialdemokraten, mit beachtlichem Selbstbewusstsein angesichts der verlorenen Wahl, das Innenressort für sich reklamierten, gab es von Seiten der CDU sofort zustimmende Signale: Geht klar, Genossen! Im Gegenzug konnte die Union zwar im Koalitionsvertrag gerade beim Thema Innere Sicherheit eigene Punkte setzen, die Grundhaltung dieses Vertrags aber, die "Erzählung", wie es so schön heißt, ist deutlich sozialdemokratisch geprägt.

"Weder reine CDU-Lehre noch reine SPD-Lehre bilden die Stadt ab"

Doch daran stört sich in der CDU kaum jemand - auch die nicht, die beispielsweise die Themen "Vielfalt" und "queeres Leben" nicht so weit nach vorn gepackt hätten, wie sie nun im Koalitionsvertrag zu finden sind. Hört man in die wirtschaftsnahen Zweige der Partei hinein, gibt es zwar Bedauern darüber, dass das Wirtschaftsressort nicht an die CDU gegangen ist und es Begriffe wie "Ausbildungsplatzumlage" und "Tariftreue" in den Vertrag geschafft haben.

Aber genauso grummelt es von anderer Seite, die Union hätte unbedingt das Innenressort für sich beanspruchen müssen. Dass sich im Koalitionsvertrag nicht "CDU pur" finde, hält wieder ein anderer Mandatsträger aus der Union sogar für wichtig und richtig. Nicht nur, weil eine Koalition immer ein "Geben und Nehmen" sei: "Weder reine CDU-Lehre noch reine SPD-Lehre bilden die Stadt ab, der Segen liegt im Kompromiss".

Bloß nicht jubeln, bloß nicht triumphieren

Grundsätzlich zeigen sie sich in der Union zurzeit allerdings wenig auskunftsfreudig, wenn man tiefer bohren will, was am Koalitionsvertrag gefällt oder nicht. "Fragen Sie mich das nochmal nach dem 23. April", hört man häufiger. An diesem Tag wird die SPD das Ergebnis ihres Mitgliedervotums bekannt geben. Man spürt: Unter keinen Umständen will man irgendetwas sagen oder später lesen, das negativen Einfluss auf die Befragung beim möglichen Koalitionspartner haben könnte.

Dieses Verhalten folgt der Strategie, die Parteichef Kai Wegner seit dem Wahlabend verfolgt: bloß nicht jubeln, bloß nicht triumphieren und damit auf den Gefühlen von anderen herumtrampeln, die noch wichtig für einen werden könnten. "Eine Mitgliederbefragung ist ein hohes Gut, und wir sollten uns einfach in die Angelegenheit einer anderen Partei nicht einmischen", sagt einer - und versichert aber, dass es dafür keiner "Ansage von oben" in der CDU bedurfte. Die Partei sei schließlich keine Autokratie.

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Beitrag von Thorsten Gabriel

32 Kommentare

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  1. 32.

    Aber Ihre Meinung, dass RRG nicht hätte weiter regieren dürfen, obwohl RRG eine absolute Mehrheit im Parlament hat, ist mit unserer Demokratie nicht vereinbar. Und es ist auch nicht nachvollziehbar, für Sie eine Partei schon dann Wahlsieger sei, wenn sie nur eine relative, aber keine absolute Mehrheit erlangt hat (bzw. dass Sie die Frage, wer eine Wahl gewonnen habe, nur daran festmachen, wieviel Zugewinne eine Partei erlangt hat, aber nicht daran, wieviel Prozente sie insgesamt bekommen hat).

  2. 29.

    Ihr Verständnis von Demokratie liegt auf dem gleichen mangelhaften, bzw. ungenügenden Niveau, das viele Kommentator*innen hier seit Wochen abgeben. Populismus wirkt scheinbar, denn selbst die einfachsten demokratischen Grundlagen werden mittlerweile (bewusst?) ignoriert oder sind gar nicht mehr im Grundwissen vorhanden.
    Was, diese Weiterführung sei erwähnt, einmal mehr belegt, dass mehr direkte Demokratie keine Basis hat. Direktere Demokratie setzt informierte Bürger*innen voraus, die sich der Tragweite ihrer Wahlen und Entscheidungen bewusst sind. Das setzt Wissen voraus - das aber nicht an der YouTube-Universtität, in Telegramgruppen oder durch populistische Statements von Politker*innen und Wirtschaftsakteur*innen vermittelt wird.

  3. 28.

    Justina:
    "Antwort auf [Berliner] vom 06.04.2023 um 13:34
    Was manche Berliner für Fortschritt halten, dass wird uns in Berlin vorgeführt, und die Republik schüttelt den Kopf, und wundert sich über die "Lachnummer - Berlin", eine möchte gern offene Weltstadt belegt die letzten Plätze, wo sie eigentlich ganz vorne sein müsste, aber bei negativen Erscheinungen liegt sie ganz vorn."

    Was meinen Sie konkret? Ihr Satz enthält leider keine konnkreten Tatsachen. Fakt ist jedenfalls, dass Berlin weiterhin begehrt ist, sowohl als Wohnort, wie auch für Tourismus!

    Justina:
    "Nun, die meisten Berliner hoffen auf eine Wende, und die hat Berlin nötig, wie keine andere Großstadt in Deutschland."

    Wie kommen Sie darauf? Bitte konkret mit Fakten belegen!

    Das Wahlergebnis hat sich jedenfalls nicht so stark verändert, als dass man annehmen könnte, die Berliner Wähler würden mehrheitlich eine volle Kehrtwende wünschen. RRG war auch nach dem letzten Wahlergebnis jedenfalls weiterhin möglich!

  4. 27.

    Ich kann bedingt verstehen, dass hier im Forum manche RRG gerne weiter gehabt hätten. Sie hatten sich damit eingerichtet. Das tat der Stadt insgesamt jedoch nicht gut.

    Wäre das jetzt wieder so gekommen, wäre in der Außenstadt die Unzufriedenheit noch mehr gewachsen.

    Politik ist nicht nur an Mehrheiten geknüpft. Die Inhalte müssen stimmen.

    Das Berlin durch die Politik in den letzen 6,7 Jahren eine geteilte Stadt wurde, in Innenstadt und Außenstadt, ist nicht wenigen Berlinern gegen ihr Empfinden gegangen. Sie haben die Stadtteilung erlebt und wollen das nicht mehr.

    Schwarz-Rot hat die meisten Gemeinsamkeiten diese Teilung zu beenden.

  5. 26.

    Was manche Berliner für Fortschritt halten, dass wird uns in Berlin vorgeführt, und die Republik schüttelt den Kopf, und wundert sich über die "Lachnummer - Berlin", eine möchte gern offene Weltstadt belegt die letzten Plätze, wo sie eigentlich ganz vorne sein müsste, aber bei negativen Erscheinungen liegt sie ganz vorn.

    Nun, die meisten Berliner hoffen auf eine Wende, und die hat Berlin nötig, wie keine andere Großstadt in Deutschland.

  6. 25.

    blner:
    "Der Wahlsieger war CDU nit 28% 2023."

    Nein, es gab keinen absoluten Wahlsieger, weil keine Partei die absolute Mehrheit errungen hat!

    Nach Ihrer Logik wäre eine Partei, die statt vorher 70% jetzt nur noch 60% bekommt, ein Wahlverlierer, und eine Partei, die von 0% auf 10% kommt, ein Wahlsieger. Das ist unlogisch!

  7. 24.

    "Es wäre den Berlinern nicht zu vermitteln gewesen, wenn RRG weiter gemacht hätte. Der Wahlsieger war CDU nit 28% 2023. "

    Unterlassen sie es im Namen aller Berliner zu sprechen, zumal ihr "Wahlsieger" mit rassistischer Hetze Wahlkampf betrieben hatte.

    "Die Gemeinsamkeiten von Schwarz-Rot waren größer. " Nein, aber die politische Überlebenschance von Giffey.


    "Das zeigt sich auch im Koalitionsvertrag der nun steht, nach 25 Tagen. Beachtlich schnell. " Kein, ist der ja auch in großen Teilen von RGR abgekupfert. Eigene Akzente hat man nur dort gesetzt wo man sich auf einen Rückschritt geeinigt hat.

  8. 23.

    Helga:
    "Antwort auf [Clueso] vom 05.04.2023 um 18:40
    Ein Auto ist wichtig."

    Wieso? Ungefähr die Hälfte meiner erwachsenen Freunde haben kein Auto und ein Großteil davon nicht einmal eine Fahrerlaubnis! Es geht also für Viele auch ohne Auto!

  9. 22.

    blner:
    "Was sich jetzt anbahnt, wollten 2021, die meisten Wähler in Berlin. Leider schwenkte die SPD 2021, nach fer Wahl, völlig unverständlich wieder in die RRG-Richtung ein. Jetzt kommt hoffentlich das, was die Wähler 2021 wollten."

    Das ist frei erfundener Unsinn!

    Aus den Wahlergebnissen lassen sich keine Regierungskoalitionspräferenzen herleiten. Lediglich wenn eine Partei die absolute Mehrheit erlangt, also mehr als 50% der gültigen Stimmen, kann man feststellen, dass die Mehrheit diese Partei regieren sehen will. Wenn aber alle Parteien zwischen 5% und 30% haben, dann kann man daraus keine Wählerpräferenzen für oder gegen eine bestimmte Regierungskoalition herleiten. Alles andere ist frei erfundene Kaffeesatzleserei!

  10. 21.

    Es wäre den Berlinern nicht zu vermitteln gewesen, wenn RRG weiter gemacht hätte. Der Wahlsieger war CDU nit 28% 2023.

    Ihnen ist sicherlich bekannt, dass auch die Grünen, zu Schwarz-Grün bereit waren. Das es nicht zustande kam lag daran, dass es unüberbrückbare Differenzen gab.

    Die Gemeinsamkeiten von Schwarz-Rot waren größer. Das zeigt sich auch im Koalitionsvertrag der nun steht, nach 25 Tagen. Beachtlich schnell.

  11. 20.

    Wen wollen Sie hier den hinters Licht führen? 2021 CDU/SPD zusammen 39% und 2023 46% der gültigen Stimmen, die "meisten" Wählenden "wollten" dann wohl doch etwas anderes als das von Ihnen behauptete und wählten weder CDU noch SPD.

  12. 19.

    Mehrheit für RRG ist das, was beide Wahlen geliefert haben. Also das ist dann auch das, was die Wähler wollten.

  13. 18.

    Was ich im Koalition Vertrag vermisse wie man Armut/Kinderarmut in Berlin bekämpfen will. Es sollen Milliarden an Euro an Kredite aufgenommen werden für Umweltschutz und was ist mit Armutsbekämpfung auch für Kinder. Kinder sind unsere Zukunft.

  14. 17.

    Der Besitz eines Autos heißt ja nicht,dass jeder Weg mit dem Auto zurückgelegt wird.Auch ich habe ein Auto,werde mir aber trotzdem die 49 Euro Fahrkarte zulegen.Und von Hellersdorf in die Innenstadt z.B
    bieten sich doch U Bahn und Straßenbahn an.

  15. 16.

    Was sich jetzt anbahnt, wollten 2021, die meisten Wähler in Berlin. Leider schwenkte die SPD 2021, nach fer Wahl, völlig unverständlich wieder in die RRG-Richtung ein. Jetzt kommt hoffentlich das, was die Wähler 2021 wollten.

  16. 15.

    Aber Habeck ist in der Bundesregierung doch gar nicht zuständig für dass, was das Verfassungsgericht der Bundesregierung ins Pflichtenheft schrieb mit dem Mietendeckelurteil: Sie haben die Voraussetzungen zu schaffen, das Landes- und Kommunalpolitik soziale Wohnungspolitik machen kann.

  17. 14.

    Dann ziehen sie mal die unter 18 jährigen ab und gegen mal davon aus das im Schnitt 2 - 3 Personen in einem Haushalt leben und das bei 3,7 Millionen Einwohner und schon werden sie feststellen das ein beachtlicher Teil der Berliner Haushalte ein Fahrzeug besitzt. Das was sie uns da vorrechnen will haben die Grünen auch immer versucht und sind zum Glück jetzt gescheitert.

  18. 13.

    Nachdem die überprüfbare Datenlage nachweist, dass seit Jahrzehnten Politik für Leute gemacht wird, die es selbstverständlich finden 3-3500 Netto im Monat zu erlösen - obwohl das nachweisbar eine Minderheit ist -
    schlage ich vor wir machen nun mal Politik, Gesetz und Verordnung für die, die höchstens 1500 Netto im Monat schaffen.

    Stufe 1 dieses Planes lautet: Selbsterkenntnis. Halte ich es eigentlich für das Übliche, dass jede und jeder doch 3-3500 Netto im Monat hat? Oder habe ich die sogar - oder mehr - im Monat?

    Stufe 2: Perspektivwechsel. Ich bin mit meinen mindestens 3-3500 Netto im Monat gar nicht der Masstab.

    Stufe 3: Auf dieser Basis Politik, Projekt, Gesetz und Verordnung konzipieren.

    Stufe 4: Umsetzen.

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