Kleinere Klassen gefordert - Erster Streiktag der GEW: Unterrichtsausfall an Berliner Schulen
Die Gewerkschaft GEW hat in Berlin zu einem weiteren Warnstreik für kleinere Klassen aufgerufen - erstmals über drei Tage. Die Schülervertretung unterstützt das Anliegen zwar, sieht den Warnstreik aber auch kritisch.
Für viele Berliner Schülerinnen und Schüler ist am Dienstag der Unterricht entfallen. Auch am Mittwoch und Donnerstag soll der normale Schulalltag an zahlreichen Berliner Schulen stillstehen. Grund dafür ist ein Warnstreik der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Dazu hatte die GEW vor etwa zwei Wochen aufgerufen. Sie will ihre Forderung nach kleineren Klassen unterstreichen. So soll nach Ansicht der Gewerkschaft die Klassengröße an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen in einem Tarifvertrag für Gesundheitsschutz festgeschrieben werden. Bereits seit Juni 2021 steht das Anliegen im Raum, seitdem ruft die GEW immer wieder zu Warnstreiks auf.
An dem Streik am Dienstag beteiligten sich nach Angaben eines Sprechers der Berliner Bildungsverwaltung etwa 2.300 Lehrkräfte - insgesamt gibt es in Berlin rund 34.000. Viele davon sind Angestellte und dürfen daher, anders als verbeamtete Lehrkräfte, streiken. Trotz des Warnstreiks habe der Unterricht vielerorts regulär stattgefunden, so der Sprecher. Eine zentrale Prüfung des Abiturs, ein Nachschreibetermin in Biologie, habe wie geplant durchgeführt werden können.
Bildungssenatorin: Forderungen nicht zu erfüllen
Die Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) sagte am Dienstag dem rbb, dass sie die Botschaft verstanden habe. Sie könne die Forderungen aber nicht umsetzen. "Mir fehlen hunderte Lehrer und tausende Schulplätze", so Günther-Wünsch bei Radioeins. Es seien deshalb andere Entlastungen angeboten worden, um den Streik abzuwenden. Dazu zählten unter anderem zusätzliche Verwaltungs- oder IT-Kräfte.
Bei einem gemeinsamen Gespräch mit der GEW hatte Günther-Wünsch bereits in der vergangenen Woche erklärt, die Landesregierung sehe keine Möglichkeit für eine tarifliche Regelung zur Verkleinerung der Schulklassen. Zusammen mit Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hatte sie darauf verwiesen, dass Berlin der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) angehöre und kein Alleingang unternommen werden könne. "Die GEW-Forderung nach einem Tarifvertrag Gesundheitsschutz, der die Klassengröße regelt, würde Berlins Weg raus aus der Tarifgemeinschaft der Länder bedeuten", hieß es in einer Erklärung beider Politiker.
Die GEW lässt dieses Argument nicht gelten. "Das ist nicht schlüssig", sagte Geschäftsführer Markus Hanisch am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Das Land Berlin kann handeln und hat das an anderer Stelle auch schon getan", sagte er und verwies zum Beispiel auf die sogenannte Berlin-Zulage, die Beschäftigte im Landesdienst bekommen. Bei der TdL habe Berlin das Anliegen überhaupt noch nicht vorgebracht.
Evers wiederholte am Dienstag Argumentation
Evers wies am Dienstag erneut auf diese Argumentation hin: Die Forderung der GEW nach einem Tarifvertrag Gesundheitsschutz sei für das Land Berlin schon aus rechtlichen Gründen nicht umsetzbar. Das wisse die Gewerkschaft auch, ignoriere das aber seit Jahren.
Linke fordert Senat auf, zu verhandeln
Dagegen forderten die Abgeordneten der Linke-Fraktion im Landesparlament den Senat auf, Verhandlungen über einen entsprechenden Tarifvertrag zu beginnen. Sie wollen einen Antrag dazu zur nächsten Sitzung des Abgeordnetenhauses einbringen, wie die Fraktion mitteilte.
"Wir müssen diesen Kolleginnen und Kollegen dringend eine Perspektive bieten", sagte die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Franziska Brychcy. "Dabei ist klar, dass die GEW-Forderungen nur schrittweise und nicht von heute auf morgen umsetzbar sind." Aber es brauche Verhandlungen mit dem Ziel, tarifvertraglich Klassenhöchstgrenzen festzusetzen.
Schülervertretung kritisiert Zeitpunkt
Die Berliner Schülervertretung unterstützte den Warnstreik, übt aber auch Kritik an der Gewerkschaft GEW. "Wir finden problematisch, dass der Warnstreik an Prüfungstagen stattfindet. Das ist unsolidarisch", sagte der Sprecher des Landesschülerausschusses, Paul Seidel, am Montag. Für die betroffenen Schülerinnen und Schüler sei es schwierig, wenn mündliche Abiturprüfungen verschoben oder von anderen Lehrkräften als geplant abgenommen würden.
Das Anliegen des Arbeitskampfs der Lehrer unterstützte der Landesschülerausschuss indes. "Es ist richtig, dass für gute Bildung auch gestreikt wird", sagte Seidel. "Die Lehrkräfte machen das nicht nur für sich, sondern auch für die Schülerinnen und Schüler."
Auch der Landeselternausschuss stellte sich hinter die GEW-Forderung und den Warnstreik. "Wir sehen im Moment keinen anderen Weg", sagte der Vorsitzende Norman Heise. "Die Politik hat das Thema verschlafen." Aus Sicht Heises hätte sie längst das Schulgesetz ändern oder andere Regelungen für kleinere Klassen finden können.
Die GEW hatte schon vor einigen Tagen erklärt, sie habe bei der Ansetzung des Warnstreiks versucht, möglichst wenige zentrale Prüfungstermine zu beeinträchtigen.
Sendung: rbb 88.8, 06.06.2023, 15:30 Uhr