Ausreisezentren in Brandenburg - Neue Härte gegenüber Ausreisepflichtigen

Do 09.11.23 | 17:44 Uhr | Von Michael Schon
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Symbolbild: Ein Flugzeug und ein Zaun im Vordergrund. (Quelle: dpa/Jakub Porzycki)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 08.11.2023 | Nico Hecht | Bild: dpa/Jakub Porzycki

Task-Force, Behördenzentrum, Ausreisezentren: Brandenburgs Innenminister eckt mit seinen Plänen zur Organisation von Ausreisen an einem Koalitionspartner an. Wer soll wofür zuständig sein? Und wie viele Menschen betrifft es überhaupt? Von Michael Schon

• Organisation von Abschiebungen soll erleichtert werden
• Konkrete Pläne sollen im Januar vorgestellt werden
• Bündnis 90/Die Grünen kündigt Widerstand an

Zum Einstieg ein paar Zahlen, die mit denen die Dimension der Abschiebungs-Debatte etwas greifbarer wird: In Brandenburg leben laut Ausländerzentralregister aktuell rund 47.000 Menschen, die aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen hergekommen sind. Deren Recht es also war, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen und hier Schutz zu finden.

Die Zahl der Menschen, die Brandenburg wieder verlassen müssen, ist zehnmal kleiner: Rund 4.500 Personen sind vollziehbar ausreisepflichtig, wie es im Beamtendeutsch heißt. Das bedeutet: Sie haben alle juristischen Instanzen durchlaufen. Ihre Anträge sind endgültig abgelehnt. Was es nicht bedeutet: Dass sie Brandenburg auch tatsächlich verlassen müssen, weil Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete oft ausgesetzt werden. In den Iran zum Beispiel werden Menschen seit einiger Zeit nicht mehr zurückgeschickt. In die Russische Föderation gibt es keine Direktflüge. Und bei Afghanistan und Syrien verweist das Innenministerium auf fehlende diplomatische Beziehungen.

Rund 2.300 Menschen müssen Brandenburg verlassen

Die Zahl, um die es in der Abschiebungs-Debatte eigentlich geht, ist noch einmal halb so groß: Rund 2300 Menschen könnten tatsächlich in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden, wenn alle bürokratischen Rahmenbedingungen erfüllt sind. Um diese Menschen geht es, wenn beispielsweise Innenminister Stübgen davon spricht, die Zahl der Abschiebungen erhöhen zu wollen.

Für das ganze Bild braucht es dann noch eine letzte Zahl: 577. So viele Menschen ohne Bleiberecht haben Brandenburg in diesem Jahr verlassen. Entweder freiwillig oder weil sie abgeschoben wurden. Aus Sicht von Stübgen, und angesichts aktueller Wahlumfragen offenbar auch vieler Brandenburgerinnen und Brandenburger, sind das zu wenige.

Deshalb will Stübgen diese Zahl nun mit sogenannten Ausreisezentren steigern. Die Idee hat er sich, so erzählt es Stübgen, in Schleswig-Holstein abgeschaut. Es handelt sich dabei um Sammelunterkünfte, in der Menschen "mit Abschiebehindernis" zentral untergebracht werden. Solche Hindernisse können fehlende Pässe oder Ersatzpapiere sein - oder, "dass das Land sie nicht zurücknimmt", wie es Stübgen formuliert.

Fahndung nach untergetauchten Ausreisepflichtigen

Das Besondere ist, dass es in den Einrichtungen eine Residenzpflicht geben soll. Verstöße werden mit dem Entzug von Unterstützungsleistungen geahndet und die Betroffenen zur Fahndung ausgeschrieben. Damit soll verhindert werden, dass sie vor ihrer Abschiebung untertauchen können, wie es bisher in den dezentralen Gemeinschaftsunterkünften der Landkreise immer wieder vorkommt.

Die neuen Ausreisezentren sollen zwar ebenfalls von Landkreisen betrieben werden, allerdings in Zusammenarbeit mit der Zentralen Ausländerbehörde des Landes (ZABH), die ab Januar die Gesamtverantwortung für Rückführungen übernimmt. "Wir straffen das System", fasst Stübgen das Manöver zusammen. Bis Januar will er mit einzelnen Landkreisen über mögliche Standorte sprechen, vorzugsweise im Westen oder der Mitte Brandenburgs. Im Osten, in Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder), sind bereits die großen Standorte der Erstaufnahmeeinrichtung.

Grüne: CDU und SPD folgen Rhetorik des rechten Randes

Die härtere Gangart ist in Brandenburgs "Kenia"-Koalition umstritten. Der Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen hat gegen das Vorhaben protestiert. Man lehne Stübgens "Alleingang" ab, teilte die bündnisgrüne Landesvorsitzende Hanna Große Holtrup mit. Die Ankündigung sei weder abgestimmt noch zielführend und stoße auf den Widerstand der Grünen: "Wer sich auf Abschiebungen konzentriert, setzt am falschen Ende an", argumentiert Große Holtrup. CDU und SPD wirft sie vor, der Rhetorik des rechten Randes hinterherzulaufen und Scheinlösungen vorzuschlagen.

Tatsächlich begrüßt die AfD den Vorstoß. "Wir haben in der Vergangenheit mehrfach Abschiebehaftanstalten gefordert. Das ist ja doch relativ ähnlich", findet die innenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Lena Kotré.

Grünes Licht für Behördenzentrum

Parallel zum Aufbau der Ausreisezentren in einzelnen Landkreisen soll am Flughafen BER in Schönefeld ein von der Landesregierung so genanntes Behördenzentrum gebaut werden. Finanzministerin Katrin Lange (SPD) hat in der vergangenen Woche dafür Verpflichtungsermächtigungen freigegeben, also finanziell grünes Licht gegeben. "Jetzt wird angefangen zu bauen", ist sich Stübgen sicher - auch wenn das Projekt beim grünen Koalitionspartner nach wie vor auf Ablehnung stößt.

Das Innenministerium beginne bereits damit, die Verträge mit Untermietern auszuhandeln. Einziehen sollen unter anderem Mitarbeiter der ZABH und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). In dem Gebäude sollen sowohl Flughafenasylverfahren als auch Verfahren zur Beschäftigungseinwanderung abgewickelt werden. Auch für den Vollzug von Abschiebungen soll das Gebäude genutzt werden.

Gegen das Behördenzentrum haben die Grünen bereits zahlreiche Protestnoten eingereicht. Trotzdem ist bisher nicht erkennbar, dass die Projekte des Innenministers in der Kenia-Koalition an ihrem Widerstand tatsächlich scheitern werden. Dazu scheint die Verhandlungsposition der Grünen in der aktuellen Stimmungslage und unter dem Druck hoher Umfragewerde der AfD zu schwach.

Sollte Stübgen bis Anfang nächsten Jahres unter den Landkreisen Partner für die Ausreisezentren finden, dürfte die Gangart Brandenburgs bei der Abschiebung von Ausreisepflichtigen also spürbar härter werden.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 09.11.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Michael Schon

33 Kommentare

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  1. 33.

    Vielen Dank Inge, du sprichst mir aus den Herzen. Ich arbeite seit vielen Jahren mit Geflüchteten und kann mich nur über soviel Unsinn wundern, der hierzulande statt fand und gerade findet. Wer sind die nächsten Randgruppen, die stigmatisiert werden?Beschäftigungsverbot als Strafe, Unterbringung in Massenunterkünften, die reihenweise psychisch, kranke Menschen produzieren. Milliardenausgaben für sogenannte Abschiebezentren , die nie ausgelastet sein werden. Dafür könnte man auch die Menschen, die bereits seit vielen Jahren hier sind und bisher keine Chance auf Bildung hatten, ausbilden in den sogenannten Mangelberufen oder Handwerksberufen, statt sie abzuschieben. Alles Politik der letzten Jahrzehnte. Ich empfehle Literatur mit Migrationshintergrund. „MOVE- Das Zeitalter der Migration“, Autor Parag Khanna. Denn wie sagte Sir Peter Ustinov: …Wenn man schon Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, dass die Zelle anständig möbliert ist. Gruß Silke

  2. 32.

    Gehen Sie über zu den machbaren Lösungen statt den rechten Rand zu stärken. Machen Sie die Augen auf, werden Sie sensibel für Chancenungleichheit und Benachteiligungen...und das hat nichts, aber auch gar nichts mit der Nationalität zu tun. In Brandenburg sind bald Wahlen.

  3. 31.

    Herr Wossi,
    Sie verstehen überhaupt nicht, dass Ihre enge Perspektive, Ihrer Geschichtsklitterung, Ihre funktionale Erzählung von Weltordnung, Realität und existenzieller Not in der Welt komplett vernachlässigbar ist. Der Realität ist es vollkommen schnurz, was Sie sich fürs bessere Gefühl, oder als Simulation von politisch-gesellschaftlich-ökonomischer Bildung zurechtlegen. Das kapieren ja noch nicht Mal die Redaktionen, die Professionellen, schaut man sich die überwiegend erbärmliche Analyse- und Informations- und Bewusstseinsproduktion der bürgerlichen Presse an.
    Der Geflüchtete macht Sie oder den Staat arm? Wie macht er das? Weil er Ihnen als Lieferando zum Dumpingpreis anliefert?
    Die komplette volkswirtschaftlich-soziale Wette auf die Zukunft der rechten Moderne, ist eine einzige Katastrophe. Der destruktive Umgang mit dem Flucht-Problem Ausdruck davon.
    Und Herr Wossi: Sie sind noch lange nicht Pleite. Für ne grosse Runde Rüstung und Krieg ausrüsten ist jede Menge Geld da.

  4. 30.

    "Ich frage mich warum werfen die Flüchtlinge ihre Papiere weg?"

    Glaube ich, dass Sie sich das fragen. Und damit ja auch nicht der Einzige sind.

    Sie stellen die Frage falsch. Sie sollten sich fragen, warum Sie sich das Fragen. Die Antwort darauf ist viel spannender. Sie nähert sich Ihrer Persönlichkeit. Und beantwortet die Frage, ob man im Zweifelsfall mit Ihnen rechnen kann.
    Im Moment sieht es so aus: Kann man nicht.

    Jeder halbwegs gebildete Mensch, im Land das aus Flüchtenden und Geflüchteten gemacht ist weiss: Man hat nur die Papiere die einem nützen. Die müssen noch nicht einmal echt sein. Hauptsache sie nützen. Sind schliesslich nur Papiere. Während es um das Leben und die Existenz eines Menschen, oft einer ganzen Familie geht. Papier, Stempel. Was man halt so ist für die Obrigkeit.
    Wenn Sie da bei der Sache mit den Papieren Fünfe nicht gerade sein lassen, möchte ich nicht auf Sie angewiesen sein. In Existenz und Lebensfragen. Ob Jüdin, oder Schlesier-Sudeten-wasimmer.

  5. 29.

    In diesem Staat funktioniert bei der illegalen Migration so gut wie nichts. Es werden in verschiedenen EU Ländern Asyl-Anträge gestellt, und es wird doppelt, dreifach und mehrfach kassiert. Niemand in der EU hat den Überblick. Asylrechtler Daniel Thym skizziert Wege, trotz eines „engen Korsetts“ des Verfassungsgerichts die in Deutschland besonders hohen Zahlungen an Asylzuwanderer stark zu senken. Für ihn steht fest: In einem einheitlichen EU-Asylsystem müssten mehrfache Asylanträge abgeschafft werden.

  6. 28.

    Sie zielen auf einen christlichen Gedanken ab? Dabei vermischen Sie das Wollen und (bezahlen) Können. Und weil Sie es vermischen, kommen Sie zu falschen (beleidigenden) Schlüssen. Wenn Sie einen Euro haben, 70 Cent davon für Soziales ausgeben, bekommen Sie ein Problem. Wenn Sie wie gewohnt, sich nicht mehr „in einer Sauna wohlfühlen können“, dann fragen Sie sich auch, wer sich wem anpassen sollte und den „Frieden“ tatsächlich stört.

  7. 27.

    Ich frage mich warum werfen die Flüchtlinge ihre Papiere weg?
    Ich es ist alles von langer Hand geplant.
    Wir sind in einer Sackgasse und müssen unbedingt wieder versuchen herauszufinden. Also zuerst die EU Grenzen kontrolliert dicht machen und die hier unrechtmäßig sind, abschieben ohne wenn und aber!!!

  8. 26.

    Gibt es einen Grund, warum Sie die Tatsache, die " zappa " erwähnt, vorsätzlich ins Gegenteil verdrehen ? Das ist doch kein zufälliger Ausrutscher !

  9. 25.

    Gesetze einhalten ? Seit wann denn das ? Das sind ja ganz neue Töne !

  10. 24.

    Sie können nicht allen Ihr (!) Geld abgeben. Soviel haben Sie nicht. Herr Wüst hat in NRW ausgerechnet, dass 1700 €/Person ausgegeben werden. Wirklich human ist es, wenn man dann das Richtige macht. Darüber muss geredet und nicht verschwiegen werden.
    Die Menschen wissen doch, wem man hier nicht haben möchte. Aber wenn der Eindruck entsteht, dass genau diese sich durchsetzen, dann „dreht“ sich die Stimmung. Das wollen Sie nicht...

  11. 23.

    "Fluchtpunkt-Hamburg, kirchliche Hilfsstelle für Flüchtlinge"
    (evanglisch-lutherischer Kirchenkreis. Diakonie Hamburg-West Südholstein)

    schreibt eine Stellungnahme zu den Bemühungen der Regierungen Menschen-, Grund-, Bürgerrechte einzuschränken. Deren Ergebnis keine signifikante Ausweisungsbilanz sein wird. Dabei aber im erheblichen Masse gesellschaftliche Spaltung, Ausgrenzung, Desintegration und Entrechtung bedeutet. Tatsächlich bedrohen nicht ausreisepflichtige Ausländer den sozialen Frieden und die gesellschaftlich-ökonomische Perspektive, sondern die Massnahmen der Regierungen, der rechte Mainstream im öffentlichen Diskurs, der sie zum Urheber und Verantwortlichen des Unfriedens macht.

    Wer nicht einmal mehr der Analyse und Haltung von Christen zuhören will, befindet sich bis zum Hals in funktional-folge extremistischen Denken und Handeln.

    https://fluchtpunkt-hamburg.de/wp-content/uploads/Stellungnahme-Zweites-Gesetzes-zur-besseren-Durchsetzung-der-Ausreisepflicht.pdf

  12. 22.

    "Fluchtpunkt-Hamburg, kirchliche Hilfsstelle für Flüchtlinge"
    (evanglisch-lutherischer Kirchenkreis. Diakonie Hamburg-West Südholstein)

    schreibt eine Stellungnahme zu den Bemühungen der Regierungen Menschen-, Grund-, Bürgerrechte einzuschränken. Deren Ergebnis keine signifikante Ausweisungsbilanz sein wird. Dabei aber im erheblichen Masse gesellschaftliche Spaltung, Ausgrenzung, Desintegration und Entrechtung bedeutet. Tatsächlich bedrohen nicht ausreisepflichtige Ausländer den sozialen Frieden und die gesellschaftlich-ökonomische Perspektive, sondern die Massnahmen der Regierungen, der rechte Mainstream im öffentlichen Diskurs, der sie zum Urheber und Verantwortlichen des Unfriedens macht.

    Wer nicht einmal mehr der Analyse und Haltung von Christen zuhören will, befindet sich bis zum Hals in funktional-folge extremistischen Denken und Handeln.

    https://fluchtpunkt-hamburg.de/wp-content/uploads/Stellungnahme-Zweites-Gesetzes-zur-besseren-Durchsetzung-der-Ausreisepflicht.pdf

  13. 21.

    Sie sprechen mir aus der Seele. Es ist unerträglich, was hier zum Beispiel auf Neuköllns Straßen passiert. Danke für Ihren Beitrag.

  14. 20.

    "Neue Härte? Verstehe ich nicht. Müssen nicht schlicht Gesetze eingehalten werden?"
    Zustimmung. Klingt nach fehlender Neutralität und Verunglimpfung von Politikern, eben nach rbb.

  15. 19.

    Vielleicht hängt ja das eine oder andere von Ihnen angesprochene Problem mit der Migration zusammen? Z.B. immer mehr Leute brauchen immer mehr Verwaltung, Ärzte, ÖPNV, Lehrer usw. usf.
    Aber Sie dürfen natürlich auch weiter die Augen vor dem Problem verschließen.

  16. 18.

    Neue Härte? Verstehe ich nicht. Müssen nicht schlicht Gesetze eingehalten werden?

  17. 17.

    Die Realität sehen: Fast eine halbe Million Migranten und Familienangehörige kommen 2023 ins Land.

  18. 16.

    "Ich hätte mir nie träumen lassen, dass sich Juden in Deutschland nochmal unsicher fühlen werden." sagte die 102-jährige Holocaust-Überlebende, die heute Ehrengast des Bundestages war.
    Ich hätte mir auch nie träumen lassen, dass Menschen die vorgeben Schutz zu benötigen und die wir bei uns willkommen hießen, was wir mit unbeschreiblichen Anstrengungen ermöglichen, sich dermaßen gegen uns stellen, indem sie hier einen Stellvertreterkrieg führen wollen, statt sich unserer Gesellschaft anzupassen.
    Getreu dem Spruch "Nie wieder" müssen wir die Betreffenden ausweisen, wie Scholz androhte.

  19. 14.

    Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg – wo kein Wille ist, gibt es Bund-Länder-Konferenzen

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