Haushalt - Finanzsenator schwört Berlin auf "lange Wegstrecke" ein

Do 06.06.24 | 16:48 Uhr
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06.06.2024, Berlin: Stefan Evers (CDU), Berliner Senator für Finanzen, spricht am 06.06.2024 in der Plenarsitzung des Berliner Abgeordnetenhauses. (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Video: rbb24 Abendschau | 06.06.2024 | Boris Hermel | Bild: dpa/Britta Pedersen

"Berlin kann, muss und wird mit weniger Geld funktionieren, und das vielleicht sogar besser", so argumentiert Finanzsenator Evers in der Aktuellen Stunde zur Haushaltspolitik. Er kündigt teils empfindliche Einsparungen im Haushalt an.

  • Abgeordnetenhaus debattiert über Haushaltspläne der CDU-SPD-Landesregierung
  • Finanzsenator Evers (CDU) kündigt weitere drastische Sparmaßnahmen in Berlin an
  • SPD will Haushalt auf "Normalniveau" senken
  • Grüne und Linke werfen schwarz-rotem Senat vor, nicht ausreichend über Sparpläne aufzuklären
  • AfD führt 29-Euro-Ticket als Beispiel für Verschwendung an

Nach den von der Koalition vorgenommen Kürzungen hat das Berliner Abgeordnetenhaus in einer Aktuellen Stunde kontrovers über die Haushaltspolitik diskutiert. Redner der Opposition hielten der schwarz-roten Koalition am Donnerstag vor, Entscheidungen verschleppt, die Stadt verunsichert und keine Strategie für die Zukunft zu haben. Finanzsenator Stefan Evers (CDU) sprach dagegen von einem "ersten Schritt", auf den nun noch deutlich härtere Entscheidungen folgen müssten.

Erst am Mittwoch waren zu den geplanten Kürzungen im Berliner Landeshaushalt neue Einzelheiten bekannt geworden. Dem rbb liegt eine Liste mit mehr als 600 Vorhaben vor, bei denen in diesem Jahr insgesamt knapp 570 Millionen Euro eingespart werden sollen.

Der im Vorjahr beschlossene Doppelhaushalt hat für 2024 ein Volumen von 39,3 Milliarden Euro, für 2025 sind es 40,5 Milliarden Euro. So hohe Ausgaben gab es noch nie. Erklärtes Ziel der Koalition ist es, das während der Corona-Pandemie stark gestiegene Haushaltsvolumen mittelfristig deutlich zu reduzieren. Deshalb sollen im Etat für das laufende Jahr 1,75 Milliarden Euro gestrichen werden.

"Rücklagen sind für Krisen da"

Für die Linke hatte der haushaltspolitische Sprecher Steffen Zillich der Koalition vorgehalten, dass sie keine Strategie habe, um die Haushaltskrise zu meistern. Schwarz-Rot habe einen Haushalt der ungedeckten Schecks vorgelegt. Die nachträglichen Kürzungen hätten gezeigt, dass das Zahlenwerk nur Makulatur sei. Die Stadt habe in den vergangenen Wochen eine "lebenden Kakophonie von Kürzungsvorschlägen, von Hü und Hott, von klein und kleiner, von du schon, ich nicht" erlebt, so Zillich. Das Ergebnis sei eine große Verunsicherung in der Stadt.

Die Regierungskoalition wies die Vorwürfe zurück. Die Vorgängerregierung von SPD, Grünen und Linken habe "an keiner Stelle Vorsorge getroffen für die veränderte finanzpolitische Lage", sagte der haushaltspolitische Sprecher der CDU, Christian Goiny.

Dass jetzt die Reserven angezapft werden müssen, sei gerechtfertigt. "Rücklagen sind für Krisen da", so Goiny. Die bekannt gewordenen Kürzungen seien schmerzhaft, aber nötig – und auch nicht die letzten. Man werde sich in den kommenden Jahren auch "von Projekten verabschieden" müssen, sagte Goiny, ohne allerdings Details zu nennen. Die schwarz-rote Koalition werde nach weiterem Sparpotential suchen, etwa beim Raumbedarf. Gleichzeitig setze man weiter auf Digitalisierung, damit die Verwaltung künftig mit weniger Personal auskomme.

Berlins Ausgaben sollen auf Normalniveau zurück

Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, André Schulze, hielt Goiny vor die "x-te Aufführung des Stücks 'Die Opposition hat Schuld an den Fehlern der Regierung und die Regierung möchte keine Verantwortung für ihre Arbeit tragen'" auf die politische Bühne zu bringen. Es sei vielmehr die schwarz-rote Koalition, die Beschäftige und Träger im Land seit einem halben Jahr im Unklaren lasse, welche Projekte gestrichen werden. Unternehmen könnten sich nicht auf Förderung verlassen und Träger müssten um Zuschüsse bangen. "Lieber Senat, das ist das Gegenteil von einfach mal machen. Das ist das Gegenteil von verantwortlicher Politik. Das ist ein schwarz-rotes Haushaltschaos mit Ansage."

Der Haushaltsexperte der SPD, Torsten Schneider, wies die Kritik der Opposition als unangemessen zurück. Es gehe darum, die Ausgaben des Landes Berlin auf ein Normalniveau zurückzuführen. "Haushalt hoch kann jeder, Haushalt runter - sozial gerecht - ist die Königsdisziplin." Seit Beginn der Corona-Krise seien einzelne Bereiche des Haushalts "überproportional gewachsen", etwa im Bildungsbereich, während im Etat der Verkehrsverwaltung noch "grüne Phantasiepolitik" stecke, die teuer sei. Dies zurückzudrehen sei richtig, so Schneider. Zudem hätten die Bezirke, die seit 2019 zwei Milliarden Euro zusätzlich bekommen hätten, bislang noch gar keine Einsparungen geliefert.

Finanzsenator kündigt weitere Einsparungen an

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker warnte in der Debatte vor "immensen Haushaltsrisken". Die Politik der Koalition bleibe die Antworten darauf schuldig und ignoriere die Realität. Deutschland habe die höchste Steuerlast und die höchsten Steuereinnahmen. Das Problem liege daher woanders, so Brinker in Richtung der mitregierenden SPD. "Ihr damaliger Finanzsenator Sarrazin hatte ein Mantra, das bis heute gilt: Wir haben kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem." In diesem Zusammenhang kritisierte die AfD-Fraktionschefin speziell das neue 29-Euro-Ticket als "Kostenlos-Sperenzien" und Kürzungen bei Feuerwehr und Polizei.

Finanzsenator Stefan Evers kündigte in der Aussprache weitere, teils empfindliche Einsparungen im Haushalt an. Ohne Gegenmaßnahmen müssten ab 2026 weitere fünf Milliarden Euro aus dem Etat gestrichen werden, so der CDU-Politiker. "Das wäre fast jeder achte Euro" im Haushalt. Zu schaffen sei das nur mit mehr Effizienz, um mit weniger Personal auszukommen. Gleichzeitig müsse sich das Land Berlin aber auch von Vorhaben verabschieden. Die schwarz-rote Koalition werde "alle Strukturen in Frage stellen", kündigte Evers an. "Berlin kann, muss und wird mit weniger Geld funktionieren, und das vielleicht sogar besser".

Im Bund keine Anreize für Unternehmen

Bereits in diesem Jahr wollen CDU und SPD klären, wie im Haushalt für das Jahr 2025 weitere zwei Milliarden Euro eingespart werden können. Evers verwies auch auf die sinkenden Steuereinnahmen und das schwache Wirtschaftswachstum. Er kritisierte, dass die Ampel-Koalition im Bund keine Anreize für Unternehmen setze. "Der Bund löst keine Probleme, er ist Teil des Problems."

Sendung: rbb24 Abendschau, 06.06.2024, 19:40 Uhr

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54 Kommentare

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  1. 54.

    Ich weiß nicht, wie Sie auf 1930 kommen. Geben Sie in Ihre Suchmaschine "Berlin um 1900" ein und dann gehen Sie auf Bilder! Die zeigen nichts anderes, als von mir beschrieben. Von den Dörfern rundherum, die heute zu Berlin gehören, waren viele 1920/30 noch gar nicht eingemeindet.
    Der Versuch, durch Besserwisserei zu glänzen, gelingt Ihnen leider nicht. Die Straßen sind für alle da!

  2. 53.

    Ich bezog mich auf die Zeit um 1900, und si beziehen sich auf die Zeit nach 1930, wo die Industrialisierung in Berlin bereits im vollen Gange war.
    Denoch, das Bild was Sie über Berlin Zeichnen, beschreibt eben nur den fortschritlichen kleinen Teil von Berlin, und dies war bei weiten kein Durchschnitt dieser Stadt, geschweige von Deutschland.
    Übrigens, gerade damals waren die Unterschiede nach 30 - 40Jahren genauso markant, wie heutzutage.

    Ergo, mein Beitrag ist nicht peinlich,man muss nur den Zeiträum über den geschrieben wurde beachten.

  3. 52.

    Sie dürfen gern mal recherchieren, wer der Stadt das eingebrockt hat. Wenn Sie Ihre Suchmaschinen anwerfen, bekommen Sie garantiert Berliner Bankenskandal, Eberhard Diepchen und Klaus-Rüdiger Landowsky, beide von der CDU, als Suchergebnis geliefert. Und eine Bundeshauptstadt kostet nun mal zusätzlich, zumal der Regierungssitz in Bonn die Steuerzahler 20 Millionen jährlich kostet.

  4. 51.

    Kreditverbindlichkeiten der langeseihenen Wohnungsgesellschaften beträgt für 2021 mit fast 17 Milliarden Euro an und warnt vor einer "Schieflage". Kann einer mal berechnen, wieviel Zinsen das Land Berlin dafür jährlich berappen muss? Also Schulden hier senken schafft finanzielle Fteiräume:
    Quelle: https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2024/04/berlin-wohnungsbaugesellschaften-hohe-schulden-hohe-ziele-analyse.html

  5. 50.

    Berlin hat kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Hoffentlich wird richtig priorisiert!

  6. 49.

    Ist Berlin eigentlich nicht immer pleite und lebt permanent über seine Verhältnisse? Man hat es nicht geschafft, funktionierende Strukturen aufzubauen. Elementare Aufgaben des Staates, z. B. einen Ausweis zu beantragen und nicht Monate zu warten, funktionieren nicht. Wohnungen hat man billig verkauft und später teurer zurück gekauft. Das Gleiche bei der gasag oder dem Stromnetz. Jetzt also wieder sparen... auch das werden sie nicht hin bekommen.

  7. 48.

    Eine Partei, die die Demokratie abschaffen, Frauen in ihrer Küche anketten und alle Nichtblutsdeitschen deportieren will, soll ein gerechteres Steuersystem vorschlagen? Wer das glaubt, glaubt auch an den Goldesel!

  8. 47.

    "Zu dieser Zeit, da gab es kaum Straßen ..." Peinlich, peinlich ... Scheinbar haben Sie noch nie historische Fotos von BE gesehen. Es gab Koppsteinpflaster, Gehwegplatten, Bürgersteige, Verkehrsinseln, Straßenbahnen und hin und wieder mal ein Auto und die Leute konnten die Straßen an jeder beliebigen Stelle überqueren, weil nicht alles zugeparkt war!
    Es geht nicht um Romantik, es geht um gleiche Rechte für alle!
    Übrigens sind unwahre Tatsachenbehauptungen klt. Kommentar-Regeln auf rbb nicht erlaubt.

  9. 46.

    Ich finde Politiker, die immer nur bei anderen das Sparen einfordern, nur nicht bei sich selber und dann gleichzeitig noch mit dem Finger auf andere Parteien zeigen sehr unglaubwürdig.

  10. 45.

    Hamburg in 2023 zahlte 934 Mio Euro in den Länderausgleich (Wikipedia).
    Als Stadtstaat nicht schlecht, oder?

  11. 44.

    "So wird als ein Beispiel u.a. ein einfacheres und gerechteres Steuersystem vorgeschlagen, dass mit niedrigen Steuern besonders den Mittelstand und Geringverdiener entlasten soll. Dazu ein höherer Grundfreibetrag und einen Tarif mit wenigen Stufen. Im Prinzip ähnlich wie die CDU und die FDP, nur etwas abgewandelt."

    Ja wer kennt sie nicht, die FDP als Beispiel für eine Partei, die stets und ständig für die Geringverdiener kämpft. Satire aus.

  12. 43.

    Wie kommen Sie denn zu solchen absurden Aussagen ? Gerade weil ich auch benachteiligt bin, habe ich das mal recherchiert, weil das gern ungeprüft ventiliert wird. So wird als ein Beispiel u.a. ein einfacheres und gerechteres Steuersystem vorgeschlagen, dass mit niedrigen Steuern besonders den Mittelstand und Geringverdiener entlasten soll. Dazu ein höherer Grundfreibetrag und einen Tarif mit wenigen Stufen. Im Prinzip ähnlich wie die CDU und die FDP, nur etwas abgewandelt. Ich kann daran nichts grundsätzlich falsches finden. Den Rest können Sie selbst nachlesen und beurteilen, wie das Familiensplitting.

  13. 42.

    Wie kommen Sie denn zu solchen absurden Aussagen ? Gerade weil ich auch benachteiligt bin, habe ich das mal recherchiert, weil das gern ungeprüft ventiliert wird. So wird als ein Beispiel u.a. ein einfacheres und gerechteres Steuersystem vorgeschlagen, dass mit niedrigen Steuern besonders den Mittelstand und Geringverdiener entlasten soll. Dazu ein höherer Grundfreibetrag und einen Tarif mit wenigen Stufen. Im Prinzip ähnlich wie die CDU und die FDP, nur etwas abgewandelt. Ich kann daran nichts grundsätzlich falsches finden. Den Rest können Sie selbst nachlesen und beurteilen, wie das Familiensplitting.

  14. 41.

    Man sollte die afd nicht unterschätzen. Unter dem Schaffell verbergen sich zackige Tattoos.
    Naja, hoffen wir, dass wir es nie erfahren werden.

  15. 40.

    Ohne Auto müsste ich ja die 100 Meter zum Supermarkt zu Fuß laufen. Das schrenkt meinen Bewegungsradius aber sowas von ein.

  16. 39.

    ich gehe eher davon aus, daß es sich um so eine Forderung handelt, die von einer Opositionspartei schnell mal gemacht wird, aber von einer Regierungspartei niemals umgesetzt.
    Grundsätzlich haben Sie natürlich Recht, die AfD ist keine Partei der Armen und Benachteiligten, aber am 29-Ticket würden die mit Sicherheit nicht rütteln.

  17. 37.

    Tja, wenn man in Zeiten vor über 100 Jahren verhart, dann hegt man diese romantische Vorstellung, wo es noch kein motorisierten Verkehr gab, keine Versorgung, Entsorgung usw., es stank zum Himmel. der Bewegungsradius war mehr als überschaubar, aber, es gab keine Straßen, eher nur Pfade und Wege..
    Schauen Sie sich mal die Karte von Berlin, die vor 100 Jahren angefertigt wurde an.
    Zu dieser Zeit, da gab es kaum Straßen aber bereits den einen oder anderen Autofahrer auf den Wegen, aber keine Fahrradfahrer.
    Der Straßenausbau fand im laufe der Zeit für die Nutzung des motorisierten Verkehrs statt, da ansonsten die Indusralisierung hierzulande ausgeblieben wäre, und Deutschland wäre ein Agrarland, nach Ihrem Gusto geblieben
    Übrigens es gibt noch genügend Länder, die dieser Agrar - Romantik entsprechen.

  18. 36.

    Natürlich würde sie das. Es ist eine Mär zu glauben, die afd wäre für die Armen und Benachteiligten da. Umso erstaunlicher, dass sie tatsächlich von denen gewählt wird (Na gut, letzteres ist jetzt mehr so ein Gefühl, entstanden durch Beobachtung, denn von mir empirisch belegbar).

  19. 35.

    Lösungsvorschläge für das Ausgabeproblem:

    - Events und -Laufveranstaltungen canceln
    - e.V. dezimieren und überprüfen
    - volles BVG-Monatsticket
    - kein WBS mehr
    - Pflicht zur Arbeit und Vollzeit

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