Streichliste des Senats - Berlin spart halbe Milliarde Euro ein - 600 Projekte betroffen

Mi 05.06.24 | 18:27 Uhr
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Rothes Rathaus in Berlin im Mai 2024
Audio: rbb24 Inforadio | 05.06.2024 | Jan Menzel | Bild: picture alliance

Lange hat der Berliner Senat mit sich gerungen, wie das aktuelle Haushaltsloch gestopft werden soll. Nun steht die Kürzungsliste - mehr als 600 Projekte und Vorhaben sind betroffen.

  • Berliner Senats plant kleinteilig Kürzungen bei Hunderten Projekten
  • 29-Euro-Ticket kommt wie geplant zu Juli, Angebot in den kommenden Jahren fraglich
  • Maßnahmen für Lärmschutz an Straßen um 6,5 Millionen Euro eingedampft
  • Friedrichstadt-Palast bekommt ein Viertel weniger vom Land
  • teilweise auch sensible Bereiche von Einsparungen betroffen
  • Wirtschaftsverwaltung spart am Ausbau des Glasfasernetzes

Zu den geplanten Kürzungen im Berliner Landeshaushalt sind neue Einzelheiten bekannt geworden. Dem rbb liegt eine Liste mit mehr als 600 Vorhaben vor, bei denen in diesem Jahr insgesamt knapp 570 Millionen Euro eingespart werden sollen.

Der Liste zufolge soll in vielen Bereichen sehr kleinteilig gekürzt werden. Betroffen sind Projekte aus ganz verschiedenen Bereichen - von Jugendarbeit über Kultur bis hin zu sicherheitsrelevanten Bereichen.

Besonders ins Auge fällt der Sparbeitrag der Hochschulen. Sie müssen auf 55 Millionen Zuschuss verzichten. Das sind rund fünf Prozent der 1,2 Milliarden Euro, die ihnen für dieses Jahr eigentlich zugesagt worden waren.

Im Bildungsbereich geht Senatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) an besondere Unterstützungsmaßnahmen für Schulen ran. Hier wird der Ansatz um zwei Millionen Euro reduziert.

In gleicher Höhe werden Sachausgaben und Träger-Zuschüsse für Sonderprogramme reduziert. Für freie Jugendarbeit stehen in diesem Jahr 2,3 Millionen Euro weniger zur Verfügung.

Betroffen sind auch Projekte zur Verwaltungsmodernisierung und Digitalisierung in diversen Verwaltungen.

Auch beim Personal werden Haushaltsansätze reduziert. Hier geht es um Mittel für Stellen, die absehbar in diesem Jahr nicht besetzt werden können. Allein die Bildungs- und die Innenverwaltung steuern auf diese Weise hohe zweistellige Millionenbeträge zum Sparpaket bei.

Laut Liste wird es auch Kürzungen in sensiblen Bereichen gehen. Das Krankenhaus des Maßregelvollzugs, das schon jetzt komplett überbelegt ist, bekommt in diesem Jahr 3,29 Millionen Euro weniger für ein Sanierungsvorhaben.

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) kürzt insbesondere die Ansätze für die Beschaffung von Fahrzeugen und technischen Geräten für Polizei und Feuerwehr. Der Neubau einer Wache der Freiwilligen Feuerwehr in Wilhelmshagen ist mindestens aufgeschoben. Das spart in diesem Jahr fast sieben Millionen Euro.

Im Kulturbereich muss der Friedrichstadt-Palast einen besonderen Sparbeitrag leisten. Das Haus in Mitte hat in diesem Jahr 3,7 Millionen Euro weniger zur Verfügung. Das ist fast ein Viertel weniger als ursprünglich im Landeshaushalt veranschlagt. Bei den Zuschüssen für Arbeitsräume von Künstlern fallen rund zwei Millionen Euro weg. Im Bereich der Kinder- und Jugendtheater werden 1,5 Millionen Euro ersatzlos gestrichen.

Beim Haushaltstitel für das 29-Euro-Ticket werden 20 Millionen Euro abgeknapst. Das hat aber praktisch keine Auswirkungen. Im Haushalt war ein Vielfaches der Summe eingeplant, die tatsächlich gebraucht wird. Das Ticket kommt wie geplant zum 1. Juli. Fraglich ist aber, ob es das Angebot auch in den kommenden Jahren geben wird.

Im mehr als 3,2 Milliarden Euro schweren Etat der Verkehrs- und Umweltverwaltung werden unter anderem Maßnahmen zum Lärmschutz an Straßen um 6,5 Millionen Euro reduziert. Zuschüsse für die Vorbereitung und Umsetzung von Radwegen werden um fast 500.000 Euro abgeschmolzen.

Auch Erneuerungen von Fahrbahnen auf der Karl-Liebknecht-Straße und der Märkischen Allee sowie der Neubau einer Fußgängerbrücke im Schlosspark Niederschönhausen fallen dem Rotstift zum Opfer.

Die Wirtschaftsverwaltung kürzt am stärksten bei der Gigabit-Strategie. Als Fördersumme gibt es 4,4 Millionen Euro weniger. Dabei geht es unter anderem um den Ausbau eines flächendeckenden und leistungsstarken Glasfasernetzes in Berlin.

Schon länger war bekannt, wo im Etat der Sozial- und Integrationsverwaltung gespart wird. So sollen 3 Millionen Euro weniger für das Arbeitsmarktprojekt "Solidarisches Grundeinkommen" ausgegeben werden. Für Entschädigungen von Opfern von Gewalttaten sind nun knapp 11,5 Millionen Euro weniger da.

Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) hatte schon deutlich gemacht, dass sie diese Kürzung für vertretbar halte, weil die Mittel absehbar nicht in Anspruch genommen würden.

Der im Vorjahr beschlossene Doppelhaushalt hat für 2024 ein Volumen von 39,3 Milliarden Euro, für 2025 sind es 40,5 Milliarden Euro. So hohe Ausgaben gab es noch nie. Erklärtes Ziel der Koalition ist es, das während der Corona-Pandemie stark gestiegene Haushaltsvolumen mittelfristig deutlich zu reduzieren. Deshalb sollen im Etat für das laufende Jahr 1,75 Milliarden Euro gestrichen werden.

Für 2025 beträgt die sogenannte pauschale Minderausgabe - also die Summe geplanter Einsparungen im Etat - sogar zwei Milliarden Euro. Womöglich muss noch mehr eingespart werden, wenn Steuereinnahmen sinken. Wie das genau geschafft werden soll, ist noch offen.

Am Donnerstag berät das Abgeordnetenhaus über die schwierige Haushaltslage Berlins. Die Opposition kritisiert die Streichliste scharf und dürfte im Parlament davor warnen, Berlin kaputtzusparen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.06.24, 10:20 Uhr

 

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132 Kommentare

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  1. 132.

    Die Ursache des ganzen Dilemmas geht auf die Diepgen-Ära (CDU) zurück . Wowereit (SPD) hat dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt.

  2. 131.

    Ja Menschenskinder, die hatte ich wohl übersehen womöglich vergessen. 2011-2114 mein Fehler

  3. 129.

    Erst einmal richtig lesen, dann können Sie Kritik üben. Ich bezog mich auf einen vorherigen Kommentar von Graubart der eindeutig falsch war. Das die CDU seit 2002 in Opposition ist ist dagegen Fakt. Ich weiß nicht was hier veranstalten. Ich weiß sehr wohl wer in der Verantwortung in Berlin steht.

  4. 128.

    Über 20 Jahre Rot-Grün-Dunkelrot (in wechselnden Konstruktionen)brachten Berlin an den finanzellen Rand, an dem wir jetzt stehen.
    Auch ich nehme die Vorschlägen von @Peter5 (Beitrag106) gerne auf und unterstütze seine Forderungen.
    Leider ist das ganze bei der von Wokeness geprägten linksgrünen Bevölkerung noch nicht in Gänze angekommen, aber der Wiederstand regt sich langsam.

  5. 127.

    Der Ausbau der A100 kostet Berlin nach Schätzungen etwa 720 Millionen laut einem Artikel des RBB von 2023.

    Digitalisierung hinten anzustellen ist meiner Meinung nach eine schlechte Idee. Insbesondere im Hinblick auf die desaströse Lage in den Verwaltungen

  6. 126.

    Unsinn? Der rot - schwarze Senat Senat Diepgen V regierte vom Dezember 1999 bis zum Bankenskandal mit anschließender Milliardenpleite. Es folgte der Senat Wowereit I (rot - grün) als Minderheitssenat.

    Der Senat Wowereit II bildete vom Januar 2002 bis November 2006 einen rot - roten Senat. Es folgte der Senat Wowereit II bis November 2011.

    Senat Wowereit IV (schwarz - rot) November 2011 bis zum Dezember 2014, der Senat Müller I (schwarz - rot) bis Dezember 2016.

    Erst mit dem Senat Müller II gab es eine rot-rot-grüne Landesregierung bis April 2023. Seitdem regiert der Chaos Senat, der nichts auf die Reihe bringt und jetzt wieder bei den Ärmsten sparen will, wie bereits zwischen 2002 und 2016.

    Schwarz - rot hat riesige Löcher im Haushalt und Infrastruktur hinterlassen. Die 7 Jahre RRG konnten da kaum etwas ausrichten, obwohl man es versucht hatte. Man kann zwar Köpfe austauschen aber nicht die Belegschaft. Die alles unternommen hatte die Pläne zu sabotieren.

  7. 125.

    Da wird mal wieder am falschen Ende gespart. Hauptsache die Diäten werden pünktlich erhöht. Wie wäre es den da mal mit einer Nullrunde?

  8. 124.

    2016 so ein Unsinn. Seit 2005 ist die CDU in der parlamentarischen Opposition im Berliner Senat. Wie lange hat Berlin einen SPD/LINKEN geführten Senat? Wer kam danach? der Rot Rot Grüne Senat. Wie lange war Wowi Bürgermeister von Berlin? Sie sehen das ihre Einlassung nicht mal ansatzweise stimmen.

  9. 122.

    Das Ergebnis von unfähiger Politik ! Berlin schafft sich sb !

  10. 121.

    106
    Dem kann ich mich nur anschließen.

  11. 120.

    Da gebe ich Ihnen Recht. Der Schuldenberg, den Berlin seit der unsäglichen Misswirtschaft eines Diepgen und Landowski mit sich schleppt, ist immer noch nicht abgearbeitet.

  12. 119.

    Also, nach meiner Rechnung sind es von 2016 bis 2024 acht und nicht sechzehn Jahre (aber vielleicht verrechne ich mich da ja). Aber dennoch schön, dass Sie die "Vorgängerregierung" von RRG (also die vorigen Große Koalition) für die Misere (mit-)verantwortlich machen, auch wenn Sie sich damit selbst widersprechen.

  13. 118.

    Warten Sie ab. Offenbar erzwingt dieses Urteil die Beendigung der Berliner Praxis, Lehrern an Berliner Musikschulen, Festanstellungen vorzuenthalten. Bislang mußten sich alle freien Mitarbeiter der Musikschulen selber versichern. Das Land Berlin sparte auf deren Kosten Millionen Euro Sozialabgaben.
    Das hat jetzt ein Ende!

  14. 117.

    Das Herrenberg-Urteil erlaubt schlicht in den meisten Fällen nur noch Festanstellungen.

  15. 116.

    Das Land Berlin wurde heruntergewirtschaftet, und nun muss die Konsolidierung her, endlich und hoffentlich..

  16. 115.

    alle reden von Einsparungen, aber wie soll ich mir einen Eindruck verschaffen die Brisant erkennen, wen ich nicht weis wieviel eigentlich ausgegeben werden sollte. Wenn also der Friedrich Stadtpalaste3,7 Mill.€ weniger, wieviel sollte er bekommen gesamt?

  17. 114.

    Wo ist das Geld vom BER?
    Welche großen Firmen - in Berlin - zahlen alle ihre Unternehmenssteuern und Sozialabgaben nicht (richtig)?
    Kurtaxe und Maut einführen.

  18. 113.

    Erschreckend, dass u.a. bei wichtigen Zukunftsthemen wie der Digitalisierung der Verwaltung gespart wird und gleichzeitig am 29 Euro Ticket festgehalten wird. Das sind eindeutig die falschen Prioritäten.

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