Interview | Axel Schulz - Kampf gegen Foreman "hat mein Leben komplett verändert"
Vorige Woche starb Box-Legende George Foreman im Alter von 76 Jahren. Axel Schulz verbindet mit dem US-Amerikaner der Kampf seines Lebens. Im Interview erinnert er sich auch an weitere Begegnungen und die Box-Euphorie in den 1990er Jahren.
rbb|24: Herr Schulz, was war Ihr erster Gedanke, als Sie vom Tod George Foremans gehört haben?
Axel Schulz: Was für ein Mist. Mich macht das sehr traurig, zumal ich noch geplant hatte, zum Jubiläum unseres Kampfes nach Amerika rüberzufliegen.
Für ein Treffen?
Ja, wir wollten uns einfach nochmal wiedersehen und zusammensitzen. Wie man es so macht unter Kollegen. Für mich war es ja vor 30 Jahren als junger Boxer ein bewegender Schritt, um die Weltmeisterschaft boxen zu dürfen gegen so eine Legende.
Wie oft haben Sie in den letzten 30 Jahren an George Foreman gedacht?
Ständig. Täglich ist etwas übertrieben, aber ich wurde ja permanent mit dem WM-Kampf konfrontiert. Ich wurde häufig darauf angesprochen.
Hat der Kampf am 22. April 1995 in Las Vegas Ihr Leben grundlegend verändert?
Er hat mein Leben komplett verändert. Er hat mir ja auch wahnsinnig geholfen für meine zweite und dritte Karriere. Wir beide waren ja, wenn man das so sagen will, wieder in derselben Branche tätig. George hat sehr erfolgreich Grills verkauft und ich vertreibe diverse Grillware zum Essen, Saucen und so weiter.
Wusste Foreman von Ihrem Werdegang?
Das weiß ich nicht genau. Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen, und wenn wir uns sahen, war es immer nur beim Boxen.
Wie erinnern Sie sich an den Kampf vor 30 Jahren in sportlicher Hinsicht?
Ich habe einen sehr guten Kampf gemacht und bin damals wirklich über mich hinausgewachsen. Viele hatten mir ja abgeraten, den Kampf anzunehmen, weil sie dachten, ich würde k.o. gehen. George Foreman war zwar nicht mehr jung [er war zu dem Zeitpunkt 46 Jahre alt; Anm. d. Red.], aber noch ein absolut hervorragender Boxer. Es hätte durchaus so passieren können.
Es kam anders. Sie kämpften bravourös und brachten ihn an den Rand der Niederlage. Am Ende gewann er höchst umstritten nach Punkten. Waren Sie wütend auf ihn oder die Punktrichter?
Nein. Ich hätte ihn schlicht und einfach k.o. schlagen müssen, was mir George hinterher auch gesagt hat. Ich konnte das nur leider nicht. Deshalb hatte er mich ja letztlich auch für den Kampf ausgewählt. Wütend bin ich jedoch nicht darüber gewesen.
Sondern?
Ich bin trotz der Niederlage sehr dankbar gewesen, gegen ihn boxen zu dürfen. Ohne diese Möglichkeit wäre ich nicht der, der ich heute bin.
Wenn man heute Fotos von Ihnen beiden vorm Kampf anschaut, sieht man einen Jüngling und einen 46 Jahre alten Boxer, der amtierender Weltmeister mit Legendenstatus ist. Wussten Sie, der Kampf wird die Chance Ihres Lebens?
Nein, ich hatte schon im Kopf, dass es auch nicht so gut für mich ausgehen könnte und er mich k.o. schlägt. Deshalb gab es ja nicht nur die Stimmen: Toll Axel, das ist deine Chance! Manche warnten auch: Bist du irre?!
Wer hat Ihnen zugeraten?
Mein damaliger Trainer Manfred Wolke. Der sagte wörtlich: Gegen so einen alten Mann wirst du ja wohl gewinnen können. Manfred Wolke kannte ihn. Beiden waren 1968 in Mexiko-Stadt Olympiasieger geworden, in verschiedenen Gewichtsklassen.
Sie hatten großen Respekt vor Foreman - der Legende. Hatten Sie auch Angst?
Nein, Angst nicht. Ich wusste, was ich mache. Aber ich habe den Kampf zunächst tatsächlich abgesagt, als ihn mir Wilfried Sauerland anbot. Ich habe erstmal geantwortet: Gegen so eine Legende boxe ich nicht. Man muss wissen, der hatte erst kurz zuvor Michael Moorer k.o. geschlagen. Er hatte eine wahnsinnig hohe k.o.-Quote und ganz selten verloren. Ich habe gedacht, gegen den kannst du nicht boxen. Aber da hat eben Manfred Wolke gesagt: Der ist fast so alt wie ich, da wirst du ja wohl gewinnen. Das war der ausschlaggebende Punkt, dass ich mich ins Training gestürzt habe. Erst in Frankfurt (Oder), die letzten Wochen vorm Kampf dann in Las Vegas.
Wie haben Sie, ein junger Mann, der in Bad Saarow in der DDR aufwuchs, die Atmosphäre am Boxring im MGM Grand Hotel Las Vegas wahrgenommen?
Ach, ganz positiv. Es waren ja sehr viele Deutsche, auch aus Frankfurt, mit rüber gekommen, um sich den Kampf anzugucken. Die waren eine tolle Unterstützung für mich.
Ihnen ist gelungen, was keinem anderen Sportler gelang: Ohne bedeutenden Titel zu einem der Sporthelden in Deutschland zu werden. Warum denken Sie, haben Sie das geschafft?
Ich weiß nicht. Mein Gefühl war einfach, dass ich so ein Riesenglück hatte, gegen ihn boxen zu dürfen.
Wäre es Ihnen lieber gewesen, einen WM-Titel gegen einen unbekannten Gegner zu gewinnen, als gegen eine Legende zu verlieren, obwohl man aller Welt gezeigt hat, dass man besser war?
Ich wäre lieber Weltmeister geworden, völlig klar. Ich hatte drei Mal die Chance, aber es hat leider nicht geklappt. Bei George war im Prinzip klar, dass ich ohne k.o. nicht gewinnen kann. Aber ich habe das Beste draus gemacht und einen sehr engen Kampf abgeliefert. Die Punktrichter haben George als Legende vorn gesehen, was logisch war. Eine tolle Anerkennung habe ich aber vor ein paar Jahren von der IBF [dem Boxverband International Boxing Federation; Anm. d. Red.] bekommen, als sie mir einen Ersatz-WM-Gürtel überreichten. Viel schlimmer war später die Niederlage gegen den Südafrikaner Francois Botha, der gedopt war. Wer weiß, wie es sonst ausgegangen wäre.

Mitte der Neunziger herrschte - auch durch Henry Maske - eine Box-Euphorie in Deutschland. Was glauben sie, wie viel Anteil Sie daran hatten?
Das kann ich nicht beurteilen, sicherlich einen hohen. Der Kampf gegen Botha hält immer noch den TV-Einschaltrekord mit über 18 Millionen Zuschauern. Das ist mir jedoch nicht wichtig. Ich bin einfach dankbar, dass ich gegen eine Legende antreten und bestehen konnte. Wie sehr der Kampf selbst legendär wurde, merke ich ja daran, wie viele auch junge Leute mich auf ihn ansprechen. Foreman war eben genauso eine Legende wie Muhammad Ali.
Den berühmten Schwergewichtskampf "Rumble in the Jungle" zwischen Foreman und Ali 1974 in Kinshasa dürften Sie als knapp Sechsjähriger nicht gesehen haben…
Doch, doch. Meine Mutter hat mich wachgemacht in der Nacht, aber ich habe den Kampf nicht bewusst mitgekriegt. Trotzdem war es für mich wie Geburtstag und Weihnachten auf einen Tag, dass ich wach sein dürfte um vier Uhr früh.
Berufsboxen war immer eine Mischung aus großartigem Sport und grandiosem Bohei drumherum, mit schillernden Figuren. Auf das Publikum übt das eine gewisse Faszination aus, oder?
Offenbar. Es ist wohl ein bisschen das Verruchte.
Hat Sie das als Junge auch fasziniert?
Nein, ich habe in der DDR Boxen gelernt und das Glück gehabt, dass zur richtigen Zeit die Mauer gefallen ist. Da war ich 20, 21, als ich die Möglichkeit bekam, Profi zu werden. Ich bin jedoch nicht Profi geworden, weil ich dachte, Geld zu verdienen, sondern weil ich schlicht bei meinem Trainer Manfred Wolke bleiben wollte. Der hat damals gesagt, er würde jetzt Profitrainer werden und deshalb habe ich ihn gefragt, ob er sich vorstellen könne, mich auch zu nehmen.
Sie haben übrigens auch für eine legendäre Veränderung im Profiboxen gesorgt. Als es nach dem Kampf gegen Botha in Stuttgart 1995 zu leichten Ausschreitungen kam und die Zuschauer in den ersten Reihen Sektflaschen und Gläser warfen, wurde verfügt, dass keine Flaschen und Sektgläser mehr am Ring gereicht werden dürfen.
Das stimmt. Es dürfen nur noch Plastikbecher verwendet werden. Das ist mein Verdienst.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Gunnar Leue.
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