Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Fahrverbote - Berlins 10-Punkte-Plan gegen hohe Stickoxid-Werte

Mi 21.02.18 | 14:07 Uhr | Von Jan Menzel
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Eine Demonstrantin trägt am 02.08.2017 in Berlin, bei einer Demonstration vor dem im Bundesverkehrsministerium stattfindenden «Diesel-Gipfel» (Quelle: dpa/Kay Nietfeld)
Audio: Inforadio | 22.02.2018 | Jan Menzel | Bild: dpa

Jahrelang haben die Städte bei der Luftverschmutzung weggeschaut. Nun könnten sie dafür die Quittung vom Bundesverwaltungsgericht bekommen. Die Richter entscheiden über Fahrverbote. Der Berliner Senat will die mit einem Maßnahmen-Mix abwenden. Von Jan Menzel

Zumindest Verkehrssenatorin Regine Günther gibt sich optimistisch. "Es ist ein Katalog, der schon Eindruck machen wird", sagt sie mit Blick auf den 10-Punkte-Plan des Berliner Senats. Auf den hatten sich Politik, Wirtschaft, Verbände und Vertreter aus der Wissenschaft auf einem Mobilitätsgipfel beim Regierenden Bürgermeister im Januar verständigt.

Eine konkrete Maßnahme ist die Abwrackprämie für Taxis. In Berlin sind laut Zahlen der Wirtschaftsverwaltung 5.207 Taxis mit Dieselantrieb unterwegs. Rund ein Fünftel erfüllt nur die Euro-Normen 0 bis 4. Der Senat will mit der Prämie einen Anreiz setzen, die größten Dreckschleudern aus dem Verkehr zu ziehen. Wer sein Dieseltaxi verschrottet und dafür einen Hybrid-Wagen anschafft, bekommt eine staatliche Prämie in Höhe von 2.500 Euro.

Taxi-Unternehmer: "Abwrackprämie ist ein Schaufenstergesetz"

Doch bei möglichen Nutznießern wie dem Unternehmer Richard Leipold fällt die Prämie glatt durch. "Sie ist, wenn ich so sagen darf, schlicht ein Schaufenster-Gesetz", sagt Leipold, der auch Chef der Berliner Taxi Vereinigung ist. Für seinen Verband mit rund 400 Wagen bringt die Prämie nichts - denn fast alle Taxis fahren schon mit Erdgas. Aber auch für viele Taxi-Betriebe, die Diesel-Fahrzeuge im Fuhrpark haben, wird sich die Prämie kaum rechnen, ist Leipold sicher.

"Mercedes-Benz hat im letzten Jahr 6.000 Euro dafür ausgeben, dass die Leute ihre Mercedes-Benz-Fahrzeuge in Zahlung geben und einen Neuen kaufen", weiß er. So gesehen steht es 6.000 Euro zu 2.500 Euro. Wenn die Prämie des Senats Taxi-Unternehmer zum Umstieg auf Hybridfahrzeuge bewegen soll, müsste noch einmal ordentlich was oben drauf kommen. Auch deshalb, weil die allermeisten Berliner Diesel-Taxis jüngeren Baujahrs, also noch nicht abgeschrieben, sind. Ein Fahrzeugwechsel dürfte für die Besitzer finanziell kaum möglich sein.

Elektrobusse gibt es nicht von der Stange

Wie sehr Wunsch und Wirklichkeit auseinander klaffen, erfahren derzeit auch die Verkehrsbetriebe. Mit Straßenbahn und U-Bahn ist die BVG schon jetzt ein Pionier der Elektromobilität. Nun sollen weitere Elektrobusse angeschafft werden. 30 davon stehen im 10-Punkte-Plan des Senats. Die Ausschreibung ist raus und Angebote liegen vor, so BVG-Sprecherin Petra Reetz. Doch Elektrobusse "von der Stange" gibt es nicht. Bei Dieselbussen könne die BVG den Herstellern einfach sagen: "Ich hätte gern mal hundert Busse." Bei Bussen mit Elektroantrieb sei das derzeit nicht möglich, sagt Reetz.

Dennoch hofft die BVG, dass 2019 der erste der neu bestellten Elektrobusse durch Berlin rollen könnte. Die übrigen sollen dann nach und nach folgen. Einen ähnlich langen Atem braucht auch die Umsetzung andere Maßnahmen aus dem 10-Punkte-Plan.  So wird der Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur für E-Autos Jahre in Anspruch nehmen. Der Senat will Handwerk und Gewerbe den Umstieg auf Elektrofahrzeuge mit einem Förderprogramm schmackhaft machen.

Die Förderung des Radverkehrs gehört ebenfalls zu den Senatsplänen, mit denen Fahrverbote abgewendet werden sollen. Im Frühjahr soll auf einem Straßenabschnitt der Hasenheide zum ersten Mal ein breiter Radstreifen der neuesten Generation von der Fahrbahn abgetrennt. Der berlinweite Ausbau eines bedarfsgerechten und sicheren Radverkehrsnetzes wird realistischer Weise ein Zehn-Jahres-Projekt werden.

Senat setzt auf Grüne Welle

Kurzfristig setzt Verkehrssenatorin Regine Günther auf Tempolimits auf besonders belasteten Straßenabschnitten. In einem Modellversuch soll unter anderem auf der Potsdamer Straße, der Hauptstraße und auf dem Tempelhofer Damm untersucht werden, ob Tempo 30 die Stickoxid-Belastung reduziert.

Eine "messbare Reduktion" erhofft sich Verkehrssenatorin Günther, wenn - wie geplant - neben dem Tempolimit, die Ampelschaltungen optimiert und Falschparker in der zweiten Reihe rigoros abgeschleppt werden. Schätzungen gehen davon aus, dass  weniger Stop and Go und ein besserer Verkehrsfluss  die Stickoxid-Belastung um 5 vielleicht 10 Prozent verringern könnte.

Ob der Berliner Mix aus punktuellen und langfristigen Maßnahmen reicht, um Richter zu überzeugen und das Schadstoff-Problem aus der Welt zu schaffen, steht auf einem anderen Blatt. Erst kürzlich hatte eine breit angelegte Messreihe von rbb|24 und der Technischen Universität gezeigt, dass die Grenzwerte an weit mehr Straßen als bislang bekannt massiv überschritten werden.

So bremsen andere Städte Dreckschleudern aus

Sendung: Inforadio | 22.02.2018 | 07:20 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

14 Kommentare

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  1. 14.

    1) Die SPD würde dann gar keiner mehr Wählen
    2) linkswählenden Ostberliner Autofahrer sind dann blitzschnell Rechts- statt Links-Protestler
    3) und die Grünen scheitern an permanentem Lobbyismus

    Die Menschen warten nur zu gern auf die nächste Wahl um R2G eine reinzuwürgen.
    Ich auch. Deswegen wird sich genau überlegt, wie man auf Wählerfang geht.
    Heute haben die drei von Minderheiten gewählten Splitterparteien in der R2G-Koalition gerade noch die Mehrheit... wer weiß wie es danach aussieht...

  2. 13.

    Weshalb sträubt sich der Senat derart, die Gesundheit der Berliner zu schützen? Die Dreckschleudern müssen weg, und zwar so schnell wie möglich. Auf den Schrottplatz.

  3. 12.

    Der ÖPNV ist in Berlin schon ein wesentlicher Mobilitätsträger. Es nutzen hier schon weniger Leute einen PKW für den Arbeitsweg als in den Fahrradstädten wie Kopenhagen, die als Vorbild für eine umweltfreundliche Verkehrspolitik angeführt werden.

    Der Senat betreibt zusammen mit den Radaktivisten Augenwischerei, wenn er das Radgesetz als Beitrag zum Klima- und Umweltschutz anführt. Mit dem Rad werden vor allem bei schönem Wetter eher kurze Wege zurück gelegt, während die ÖPNV-Nutzer in der gleichen Zeit durch die halbe Stadt pendeln. Innerhalb des S-Bahn-Ringes spielt das Auto für die Bewohner nur eine vergleichsweise untergeordnete Rolle, weil der ÖPNV ein für die attraktives Angebot bietet. Anders sieht es in den Randbezirken und erst Recht für die Brandenburger Pendler aus. Es ist deshalb ein grundsätzlicher Fehler, dass RRG im Koalitionsvertrag Planungen für U-Bahnstrecken eigentlich kategorisch ausgeschlossen hat. Gut, dass Frau Günter den Mut hat, sich darüber hinweg zu setzen.

  4. 11.

    Wenn man ein Auto kauft, erfärt man nie wieviel Stickoxid es in die Luft bläst, bis vor kurzen war CO2 das große Übel, das wird bei den Fahrzeugen angegeben, jeder weiß jedoch das die Angaben nicht stimmen... Hat nie jemanden interessiert.
    Auf Nachfrage beim Senat, ob eine Ladestation bei mir in der Strasse installiert wird damit ich ein E-Auto kaufen kann, gab es bis heute keine Antwort. Ich soll Radfahren, dabei will ich bei solch einem Wetter wie heute nicht mal draussen laufen, so kalt ist es, geschweige an Tagen mit Regen, Kälte und Schnee. Letzte Woche saß ich neben einer Person auf dem Flughafen der von Hygiene nur wenig hielt, mit solchen Menschen soll ich zu Hunderten in Bahn und Buss gequetscht werden. Oder der Zirkus von einem Ende der Stadt zum anderen Ende, mit Warten in der Kälte auf Bus oder Bahn, umsteigen, Bettler, Penner, Sänger, Krawallmacher und ewigen Zeiten bis man ans Ziel kommt.
    Ich liebe meinen Diesel, meine Sitzheizung, meine 300 PS und meine Musik im Auto.

  5. 10.

    Und die Pendler dürfen sich über neue, grün angemalten Radwege freuen. Das Mobilitätsgesetz mit detaillierten Vorgaben zum Radwegebau hat den Senat passiert und enthält zu anderen Verkehrsteägern nur inhaltslosed Geschwafel.

  6. 9.

    Die Zeit drängt: "Studie belegt tödliche Folgen von Diesel-Abgasen" https://www.heise.de/newsticker/meldung/Studie-belegt-toedliche-Folgen-von-Diesel-Abgasen-3975582.html

  7. 8.

    Kopenhagen baut die U-Bahn gerade massiv aus, weil die die Erfahrung gemacht haben, dass selbst in der viel kleineren Stadt kaum jemand sein Auto stehen lässt nur weil es gute Radwege gibt.

  8. 7.

    Glauben Sie wirklich, dass E Autos nicht die Umwelt belasten?
    Was ist mit der Batterie?
    Auch die Herstellung ist nicht ohne Umwelt Belastung. Vorallem wie und wo wird sie entsorgt?
    Auf die Art wie Atom Müll vielleicht?
    Tolle Verbesserungen.

  9. 6.

    "Ich war gestern in Polen. Bin dort ausgestiegen und dachte, irgendwie riecht es hier..."

    Genauso geht es mir, wenn ich aus dem Havelland wiederkomme und in Berlin aussteige... Sicherlich, es ist eine Frage der Intensität. Ich kann mich auch gut erinnern, wie die Städte zu DDR-Zeiten gestunken haben. Definitiv ist die Luftqualität heute bedeutend besser.
    Aber sauber ist die Berliner Luft nicht, jedenfalls nicht an den Hauptstraßen. Und auch hier wohnen nun mal Menschen! Ich lade Sie gerne zu einer Straßenbesichtigung hier in Steglitz ein. Es ist wahrlich kein Vergnügen, wenn sich Morgen für Morgen die Blechlawine aus TF und dem Berliner Süden durch unsere Straße wälzt - hupend, motoraufheulend, megaaggressiv... Dabei ist man von Teltow aus mit der Bahn im 20-Minuten-Takt in 30 Minuten im Stadtzentrum. Ich verstehe die Leute einfach nicht... Teurer ist das Auto ja auch... Der einzige Weg, diese Autos aus der Stadt zu bekommen, sind wahrscheinlich tatsächlich Fahrverbote.


  10. 5.

    Ja alle Autofahrer sollen auf die Öffentlichen umsteigen, Aha. Das will ich sehen!

    Es funktioniert nicht!

    Wie sehen denn heute die Bahnhöfe aus? Meistens voll!


    Ich war gestern in Polen. Bin dort ausgestiegen und dachte, irgendwie riecht es hier....aber es kam mir bekannt vor....schon eine Weile her, aber der Geruch war bekannt. Es waren die rauchenden Schornsteine....dort wird noch mit Koks geheitzt. Gab's hier in Berlin auch mal. Und da hat es gerochen!!!! Heute ist die Berliner Luft dagegen sauber!!

    Und Tempo 30 bringt rein gar nichts! In Seitenstraßen vielleicht, aber nicht auf Hauptverkehrsstraßen. Dann entsteht erst recht Stau und somit stehende Autos.

    Die Verkehrslenkung Berlin sollte einfach mal besser ihre Ampelschaltung organisieren. Und Baustellen besser organisieren.

    Auf der Stadtautobahn kann man es hervorragend bestaunen, wie es NICHT funktioniert. Es steht plötzlich Tempo 60, alle bremsen und plötzlich geht gar nichts mehr. Obwohl es gar keine Ursache für Tempo 60 gibt.

    Und Berlin ist eine waschsende Stadt! Und kein Dorf. Und wem es hier zu dreckig ist, sollte Berlin verlassen oder gar nicht erst hier herziehen.

    Dit ist Berlin und nicht dit Schwabenländle* ....


    P.S.:* keine Beleidigung, sondern eine Feststellung

  11. 4.

    Weniger Autos=weniger Stickoxide & weniger Tote!

  12. 3.

    Dass in punkto Luft- und Lärmverschmutzung dringend etwas passieren muss, ist richtig. Allerdings setzt der Senat mit seinem Schwerpunkt des Umstiegs auf Elektromobilität auf das falsche Pferd. Die ist langfristig gesehen zu teuer (und global gesehen übrigens ein Ressourcenfresser), logistisch zu aufwendig und erzielt kaum Effekte. Bei über 1.400 Bussen, die die BVG in Berlin fahren lässt, sind 30 E-Busse am Ende nicht mehr als ein schöner PR-Aufmacher für eine Hochglanzbroschüre, die nach Brüssel geschickt werden kann. Ein 17 Tonnen schweres Ungetüm ist meines Wissens nach auch die völlig falsche Baustelle für den Einsatz eines Elektromotors, der Aufwand für die Entwicklung steht in keinem Verhältnis zum Nutzen. Sattdessen lieber das Geld in den Ausbau der Fahrzeugflotte der U, S und Tram investieren, dort den Takt weiter verdichten und Markierungen für Fahrradstreifen auf jede Straße pinseln!

  13. 2.

    Die Stickstoffbelastung ist kaum aufzuhalten, solange DIesel-Limos weiter die Strassen verpesten. Daher sind Fahrverbote das einzig wirksame Mittel, um die Gesudheit der Menschen zu schützen. Denn um die geht es. Nicht um die bequemen Autofahrer, die genau so gut mit Öffentlichen fahren können. Die Stadt muss in die Öffentlichen investieren, und nicht in sinnlose, teuere Massnahmen, die eigentlich die Autoindustrie finanzieren müsste.

  14. 1.

    Grüne Welle auf bestimmte Straßen um die Luft sauberer zu halten. Ist ein alter Hut, vor der Wende bin von Lichtenberg bis zum Alex ohne Halt durchgefahren. Jeder Kraftfahrer mußte eine festgelegte Geschwindigkeit eihalten. Was in der ehemaligen DDR im Straßenverkehr schlecht geredet und abgeschafft wurde. Wird wieder als Neuheit verkauft, dass Fahrrad wird zum 2x erfunden. Hoffentlich wird der Senat dies schnell umsetzen, denn oft entsteht der Eindruck von der Idee bis zur Umsetzung vergehen Jahren bei bestimmten Projekten.

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