Konjunkturumfrage - Regionale Baubranche im Stimmungs- und Auftragstief

Di 26.11.24 | 17:10 Uhr | Von Efthymis Angeloudis, Götz Gringmuth-Dallmer
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Symbolbild: Eine Baustelle. (Quelle: dpa/Pius Koller)
Audio: rbb24 Inforadio | 26.11.2024 | Johannes Frewel | Bild: dpa/Pius Koller

Hohe Materialkosten, aufwendige Bürokratie und überzogene Standards: Die Baubranche beklagt eine weitere Verschlechterung der Lage. Das zeigen auch die Baugenehmigungen, die sich über die letzten zwei Jahre halbiert haben. Von Efthymis Angeloudis und Götz Gringmuth-Dallmer

Die Auftragslage vieler Bauunternehmen in Berlin und Brandenburg ist laut einer Konjunkturumfrage der Fachgemeinschaft Bau schlechter als vor einem Jahr. Hohe Materialpreise, Kostensteigerungen durch bürokratische Hemmnisse und überzogene Standards sind, so die Umfrage, die Gründe für die kriselnde regionale Bauwirtschaft.

"Im Herbst 2024 hat sich die Lage für das Bauhandwerk sowohl in Berlin als auch in Brandenburg weiterhin verschlechtert", sagt die Geschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e.V., Katarzyna Urbanczyk-Siwek dem rbb. "Selbst in den Zeiten der Coronapandemie war die Geschäftslage deutlich besser als aktuell."

Baugenehmigungen auf Tiefststand

Das belegt auch die Zahl der Baugenehmigungen im Wohnungsneubau des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg von November. Diese sind von Januar bis September 2024 in Berlin um 32 und in Brandenburg um 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Gemessen an den letzten zwei Jahren sind das laut der Fachgemeinschaft Bau Rückgänge von rund 50 Prozent in Berlin und über 65 Prozent in Brandenburg.

"Spagat" zwischen Berlin und Brandenburg wachse

Neben den steigenden Materialkosten erschweren laut der Fachgemeinschaft Bau aber auch regional bedingte Stellschrauben die Situation. "Wir haben zu wenig Bewegung in der Förderung für das effiziente Bauen und nach wie vor mangelnde Leistungfähigkeit der Behörden und der öffentlichen Kassen, die natürlich zu dazu führen, dass wenig ausgeschrieben wird, was öffentlichen Investitionen angeht", sagt Urbanczyk-Siwek im Interview mit dem rbb.

Man habe keine einheitliche Bearbeitung von Anträgen, die Nachweisforderungen seien unersichtlich, "und statt einer Synchronisierung in der Wirtschaftsregierung Berlins und Brandenburgs wird der Spagat zwischen den Berliner und Brandenburgischen Bauordnungen immer größer." So gebe es in Berlin eine Solar- und Dachbegrünungspflicht, in Brandenburg wiederum einen Erschütterungsnachweis, der einem Bauauntrag beigelegt werden muss. Beide Maßnahmen müssen im jeweils anderen Bundesland nicht befolgt werden.

"Schneller-Bauen-Gesetz" ab Dezember

Zudem würde Genehmigunsgverfahren besonders in Berlin nach wie vor zu lange dauern. Erstellungsfristen für Baupläne dauern laut FG Bau in der Hauptstadt aktuell zwischen fünf und acht Jahren. In Hamburg benötige im Vergleich nur rund 1,5 Jahre. "In Hamburg wurden Bearbeitungsfristen eingeführt und man hat die Prozesse durchdigitalisiert", erklärt dazu die Geschäftsführerin der Fachgemeinschaft. Dies wäre auch eine der Forderungen an das "Schneller-Bauen-Gesetz".

Um Planungs- und Genehmigungsprozesse beim Neubau von Wohnungen schneller durchzuführen, beschloss der Berliner Senat im August den Entwurf für ein "Schneller-Bauen-Gesetz". Das Gesetzespaket umfasst mehrere Dutzend Maßnahmen, um bei der Vorbereitung und Umsetzung vor allem von Projekten im Wohnungsbau schneller voranzukommen und soll im Dezember in Kraft treten.

"Aber wenn man die Pressemitteilungen verfolgt, dann sieht man, dass 50 Millionen aus diesem Bereich gestrichen werden sollen", sagt Unranczyk-Siwek, die Folgen für die Umsetzung des Gesetzes befürchtet.

Trendwende frühestens 2025

Experten zufolge dürfte die Bundesregierung ihr Wohnungsbauziel angesichts der Flaute deutlich verfehlen. Sie strebt eigentlich 400.000 Einheiten im Jahr an. "Das aktuelle Niveau der Baugenehmigungen entspricht nur rund 200.000 neu gebauten Wohnungen pro Jahr", sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien.

"Eine Trendwende beim deutschen Wohnungsbau ist frühestens im späteren Jahresverlauf 2025 zu erwarten", so Dullien. Dann dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinsen spürbar gesenkt haben und die gelockerte Geldpolitik auch auf die Baunachfrage durchschlagen.

Die Geschäftsaussichten der Berliner und Brandenburger Unternehmen für das kommende Jahr sind laut Urbanczyk-Siwek bei langem nicht so optimistisch. "Die Situation dauert seit zwei Jahren an und wir gehen davon aus, dass es auch im kommenden Jahr keine Verbesserung geben wird."

Korrektur: In einer früheren Version des Artikels waren die Grafiken falsch beschriftet - es handelt sich um Wohngebäude, nicht um Wohnungen. Zudem hieß es im Text, die Baugenehmigungen seien in Berlin um 24 und in Brandenburg um 32 Prozent zurückgegangen. Richtig ist, dass sie in Berlin um 32 und in Brandenburg um 24 Prozent zurückgegangen sind. Wir haben das korrigiert und bitten, den Fehler zu entschuldigen.

 

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.11.2024, 16:40 Uhr

Beitrag von Efthymis Angeloudis, Götz Gringmuth-Dallmer

72 Kommentare

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  1. 72.

    "... kann Ihr Jobcenter Sie ebenfalls finanziell unterstützen" Dem ist auch so. Das Jobcenter finanziert zwar nicht den Erwerb an sich, also die Tilgung, zahlt aber sehr wohl für die anfallenden Zinsen sowie die Betriebskosten, wenn der Wohnraum angemessen ist. Eine Miete käme ja in der Regel teurer.

  2. 71.

    Ich empfehle Ihnen Profis. Beginnend bei der Konzeption der Finanzierung und grundsätzlich bei der Planung und Strukturierung der Finanzen. Und wenn Sie es da im Leben bereits verpasst haben, empfehle ich Ihnen den Gang zu einen professionellen Schuldner-Berater. Bitte hören Sie auf hier Sachverhalte zu konstruieren - beide verlieren zeitgleich den Job, echt mal, was ist denn das für eine Risikodiversifikation. Der Fehler läge dann hier darin, überhaupt ein Haus zu kaufen bei den Rahmenbedingungen, die Sie hier annehmen. Übrigens wenn Sie in Ihrem eigenen Haus oder in Ihrer eigenen Eigentumswohnung wohnen und Anspruch auf Bürgergeld haben, kann Ihr Jobcenter Sie ebenfalls finanziell unterstützen. Beispielsweise kann es, wie bei einer Mietwohnung, die Kosten für Unterkunft und Heizung übernehmen.

  3. 70.

    Es stimmt nicht so wie Sie es schreiben. Man muss sich natürlich darum kümmern, aber die Banken haben auch immer ein Interesse an einer vernünftigen Lösung. Das sind Erfahrungen aus meinem Familienumfeld. Doch Prokrastination war nie gut, man muss wirklich aktiv handeln und nicht den Kopf in den Sand stecken. Und dann noch ganz wichtig: Wie man in den Wald hineinruft schallt es halt auch heraus. Also mit Sitte, Anstand und Transparenz in der Kommunikation klappt es sehr gut.

  4. 69.

    Ja, ich habe gestern auch eine statistische Auswertung gesehen, dass der durchschnittliche Mietpreis in Berlin bei 8 EUR/qm Kaltmiete liegt, allerdings sind die Nebenkosten mittlerweile durch Grundsteuer, Müllabfuhr, Wasser und Strom sowie den Hausmeister quasi explodiert. Menschen ziehen nicht mehr um, weil die Angebotspreise aktuell bei Neuvermietung bei ca. 16 EUR/qm in Berlin liegen. Jedoch muss man sagen, dass 50 qm dann immer noch für 800 EUR/Monat zu haben sind, was für einen 2-Personen-Haushalt mit doppeltem Einkommen nicht zu viel ist.

  5. 68.

    Vor 15 Jahren hatten Sie ein anderes Preisgefüge als vor 2 oder 3 Jahren. Es geht nicht um Ämter, sondern um Banken und Sparkassen als Gläubiger. Wenn Ihre Ansichten wahr wären, gäbe es gar keine Zwangsversteigerungen. Die gibt es immer dann, wenn der Schuldner nicht zahlt. Wenn einem Paar, also 2 Personen heute die Kündigung ins Haus flattert und beide keinen neuen Job mit dem nötigen Einkommen finden, um den Baukredit zu bedienen, bleibt erstmal nur Alg.1, also 60%. Sicher kann man Wohngeld oder Lastenzuschuss erhalten, trotzdem bleibt in den meisten Fällen nicht genug, um das Haus halten zu können. Das interessiert die Bank aber nicht. Es ist leider nicht immer so easy wie Sie es hier darstellen. Wenn immer mehr Arbeitsplätze verloren gehen, ist es schwer einen neuen zu finden, der sich in Wohnortnähe befindet. Nicht alle Menschen wohnen in Berlin. Ich teile Ihren Optimismus nicht, denn mir sind Menschen bekannt, die durch Scheidung oder Arbeitslosigkeit ihr Haus verloren haben.

  6. 66.

    Das sind keine Dramen. Das sind leider Tatsachen - insbesondere die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand. Die Firma soll am Besten in Vorkasse gehen und bei Zahlung nach Baufortschritt warten sie schonmal doch etwas länger auf den Zahlungseingang. Solange steht die Baustelle eben und die Leute werden dann für kleinere Arbeiten eingesetzt. Anruf beim Privatkunden reicht - "Können wir auch früher kommen?". Ein "Nein" habe ich hier noch nie gehört, dafür immer eine pünktliche Rechnungsbegleichung erlebt. Bei Abnahmen von Gewerken kann man auch manchmal den Eindruck gewinnen, der zust. Sachbearbeiter war früher erfolgreicher Flomarkthändler - "Was ist denn dein letzter Preis?" würde noch fehlen. Bei den abnehmenden Leuten vor Ort bin ich mir nicht sicher ob die vll. ein 45Grad-Lot verwenden oder die Blase in der Wasserwaage einen Knick hat.
    Sorry - Reizthema.

  7. 65.

    Man muss hier die Kaltmiete inklusive der nicht-umlagefähigen NK rechnen, weil die umlagefähigen Nebenkosten sind ja auch im Mietverhältnis durch den Mieter zu zahlen sind.

  8. 64.

    Wenn man nichts zu sagen hat, dann eben Unsinn. Übrigens habe ich für selbst Ausschreibungen erstellen müssen. Sie surfen wohl eher ….

  9. 63.

    "Eine MwSt Erstattung ist Firmen und selbständigen unter bestimmten Bedingungen vorbehalten." Genau genommen: Es muss ein Dritter im Gegenzug die Steuerzahlung übernehmen. Es geht dabei nur darum, dass die (Mehrwert)Steuer nicht im Produktionsprozess mehrfach entrichtet werden muss. Ein Betrieb kauft also Material und zahlt dafür auch erst mal Vorsteuern. Wenn aus dem Material dann ein Produkt hergestellt und verkauft wurde, fällt darauf erneut Steuer an und von diesen neuen Steuern wird die alte Steuer abgezogen, also erstattet. Natürlich gewinnt der Staat bei jedem Schritt etwas, weil ja der Wert der Waren jeweils steigt und damit auch die Mehrwertsteuer.

  10. 62.

    "WENN es von der Mehrwertsteuer keine Ausnahmen geben würde." Ihre Beispiele passen aber leider nicht. Die Mehrwertsteuer ist eine Verbrauchssteuer. Weder beim Übertrag von Eigentum, noch von Firmenbeteiligungen wird etwas verbraucht. Bliebe also nur das Beispiel der Kerosinsteuer, welche im Gegensatz zu sonstigen Energiesteuern steht. Dafür gibt es aber als Ausgleich die Luftverkehrssteuer, da die Besteuerung von Kerosin aufgrund internationaler Abkommen nicht ohne Weiteres umsetzbar wäre.

  11. 61.

    Interessante Rechnung. Was steckt in den 7 Euro drin? Da wir gerade eine Eigentumswohnung kaufen, vergleiche ich in meiner Milchmädchenrechnung nur die monatlichen Kreditzinsen + Hausgeld inkl. Instandhaltungsrücklage mit der bisherigen Warmmiete. Die reine Tilgung des Darlehens bleibt bei dieser Rechnung außen vor, da dies nur eine Vermögensumschichtung von unserem Konto in unser Eigentum ist und unser Kapital in Summe dadurch nicht verändert wird. Zumindest habe ich das meiner Frau so schöngerechnet :)

  12. 60.

    Die Solardachpflicht habe ich sogar schon erlebt... Warum muss ich, wenn ich mein Dach erneuere, auf einem Mietshaus Solar zu 30% anbringen, wenn sich der Strom nicht ohne Weiteres in das vorhandene Netz einspeisen lässt? Macht alles nur unnötig teuer.

  13. 59.

    Warum wird in Berlin Klientelpolitik gemacht? Na, ganz klar, es gibt 82% Mietwohnungen in der Stadt. Nur 15% der Wohnungen werden durch Eigentümer genutzt. Also lässt sich mit dem Thema Mieten prima Wahlkampf machen. Nur, was die demokratischen Parteien wirklich bedenken sollten ist, dass durch diese auf Spaltung der Gesellschaft ausgelegte Politik nur der Zulauf zu den beiden politischen Flügeln rechts und links beschleunigt und verstärkt wird. Bitte hört damit auf, denn es schadet uns allen, die gerne in einer Demokratie leben wollen.

  14. 58.

    Falsch. Mit Lieferkettenproblemen. Allerhöchstens. Materialien waren genug vorhanden, nur kamen die nicht immer pünktlich beim Kunden an.

  15. 57.

    So ein Quatsch. Es ist den Ämtern egal, ob man Miete oder die Rate an die Bank zahlt. Es ist also wieder nur ein populistisches Blabla, was Sie hier machen, um den Leuten Angst zu machen. Ich lebte als Kind bereits im Eigenheim meiner Eltern und wohne jetzt auch schon wieder 15 Jahre in einer Eigentumswohnung. Ich zahle ca. 7 EUR/qm an die Bank, die durchschnittliche Miete 2022 in Berlin im Bestand über alle ca. 1,6 Mio. Mietwohnungen beträgt 8 EUR/qm. Ich zahle also immer noch 1 EUR/qm weniger als die Mieter. Hören Sie bitte auf Unwahrheiten zu verbreiten. Diese klienetelgetriebene Stimmungsmache fern jeder Faktenlage (Zahlen übrigens vom Stat. BA) nervt.

  16. 55.

    Eine einzelne Steuer zu betrachten ist deshalb ungenau, weil die Gesamtbelastung im Verglich zu anderen Ländern die Wettbewerbsfähigkeit sichtbar macht. Kurz, die Gesamtbelastung ist in Deutschland zu hoch...und Politiker können nicht kompetent besser verteilen. Unser Geld ist keine Verfügungsmasse (linker) Politiker!

    Das Ziel der Politik muss sein: Zinsen runter, Energiekosten runter .... dann wird gebaut. Stimmt das ganze Umfeld nicht (mehr), dann wird das Schaffen abgewirkt...Wohlstandsverlust durch Schrumpfen...da gibt es neuerdings Artikel, Dokus, Bücher....die man auch als großflächigen Angriff auf den Wohlstand verstehen kann und soll. „Faulis“ wollen „gerecht“ schrumpfen... Hm?

  17. 53.

    Die unsinnigen Auflagen verteuern das Bauen. Egal ob Dachbegrünung, Solarpflicht, energetische Vorschriften und und und.
    Ausschreibungen unterliegen ebenfalls einem astronomischen Aufwand, damit die unfassbar vielen Regeln eingehalten werden und die Ausschreibung juristisch nicht platzt. Zudem ist die öffentliche Hand ein unsicherer Geschäftspartner, was die Bezahlung angeht. Zurückhalten von Zahlungen und juristisches Gezerre ist die Regel, nicht die Ausnahme. Macht man am Ende eine Wirtschaftlichkeitsrechnung auf, kann man feststellen, das der Mindestpreis für den Quadratmeter, schon jenseits der Bereitschaft und Leistungsfähigkeit der Mieter ist.

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