Nonnemacher über Rauswurf - "Das war ein eklatanter Vertrauensbruch"

Di 26.11.24 | 14:22 Uhr
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Dietmar Woidke (SPD) und Ursula Nonnemacher (Grüne) nehmen an einer Sitzung im Bundesrat teil (Archivbild vom 20.10.2023) (Quelle: imago images/Metodi Popow)
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Audio: rbb24 Inforadio | 26.11.2024 | Interview mit Ursula Nonnemacher | Bild: imago images/Metodi Popow

Wenige Tage nach ihrer Entlassung als Gesundheitsministerin, ist Ursula Nonnemacher weiterhin überzeugt, richtig entschieden zu haben. Es habe vor der Abstimmung zur Klinikreform einen Dissens gegeben, mit einer Entlassung habe sie aber nicht gerechnet.

rbb24: Frau Nonnemacher, Ihre Entlassung - oder man könnte auch sagen: Ihr Rauswurf - ist jetzt erst ein paar Tage her. Haben Sie den schon halbwegs verdaut?

Ursula Nonnemacher: Eigentlich ja. Ich bekomme im Moment unglaublich viele Solidaritätskundgebungen, aus Brandenburg, aus meiner Heimatstadt Falkensee, aber auch bundesweit. Viele Leute fragen, wie geht es dir und bist du am Boden zerstört? Ich bin überhaupt nicht am Boden zerstört. Ich bin eigentlich ganz zuversichtlich aufgestellt. Natürlich war die letzte Woche anstrengend. Kein Mensch freut sich, wenn er in schweren Auseinandersetzungen steht.

Meine Mitarbeitenden aus der Fachabteilung und ich sind uns sicher, dass diese Einschätzung richtig ist, dass es für das Bundesland Brandenburg nachteilig wäre, dieses Gesetz (Anm. d. Red.: die Krankenhausreform), an dem so lange rumverhandelt worden ist, nach zwei Jahren Arbeit praktisch im Vermittlungsausschuss zu versenken. Das hätte das Ende bedeutet.

Von daher bin ich mit mir im Reinen. Es war richtig, wie ich mich verhalten habe. Ich war ein bisschen müde und erschöpft, aber jetzt ist es auch gut und ich blicke eigentlich ganz optimistisch auf die Welt.

Das heißt, Sie sind Freitagmorgen im Bundesrat davon ausgegangen, dass es ein normaler Tag mit einem besonderen Gesetz wird. Aber dass Ihnen auf dem Flur die Entlassungspapiere in die Hand gedrückt werden, das war nicht absehbar?

Nein. Es hatte sich seit einigen Tagen abgezeichnet, dass es einen Dissens in der geschäftsführenden Regierung geben würde. Ich habe am Donnerstag vor der Sitzung aus der Staatskanzlei den Hinweis bekommen, dass der Ministerpräsident den Vermittlungsausschuss anrufen möchte, und eine ziemlich klare Ansage: Du musst da doch nicht hingehen und du kannst doch einfach wegbleiben. Ich stellte klar, dass ich an dieser Bundesratssitzung teilnehmen würde und eine Rede angemeldet hatte. Zu diesem Tagesordnungspunkt im Bundesrat waren 13 Reden angemeldet. Das ist sensationell viel.

Dann war erst mal Ruhe. Am Freitagmorgen vor der Sitzung fand die übliche Abstimmungsrunde zu den noch offenen Fragen statt. Wir haben uns bei allen anderen Dingen verständigt. Nur dieser eine Punkt war kontrovers und ich habe gesagt, dass ich bei meiner Meinung und bei meiner Einschätzung den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen, bleibe.

Das hätte bedeutet, Brandenburg stimmt mit Enthaltung im Bundesrat. Daraufhin wurde mir mitgeteilt, dass ich vor der Sitzung entlassen und damit nicht mehr Mitglied des Bundesrates wäre und nicht mehr meine Rede halten könnte.

Zur Person

Ursula Nonnemacher wurde 1957 in Wiesbaden (Hessen) geboren. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. Nonnemacher studierte Medizin in Mainz und Berlin, von 1983 bis 2009 war sie als Ärztin tätig.

Von 2009 bis 2019 war sie Abgeordnete im Brandenburger Landtag. Seit dem 20. November 2019 war Ursula Nonnemacher Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg. Am 22. November 2024 wurde sie ihres Amtes enthoben.

War das eine Art von Erpressung?

Ja, so kann man es sagen. Da ich schon auf dem Weg zum Bundesrat war, habe ich gesagt, ich fahre da jetzt auf jeden Fall hin und bin weiterhin gewillt, diese Rede zu halten. Bevor ich eine Entlassungsurkunde nicht in den Händen habe, werde ich das auch tun.

Diese Stufe der Eskalation war mir neu, die mir erst am Freitagmorgen sozusagen offenbart worden ist. Das war eine Situation, die ich sehr einmalig fand. Das war ein eklatanter Vertrauensbruch und das geht überhaupt nicht meiner Ansicht nach - und diese Ansicht wird von sehr vielen Menschen bundesweit geteilt.

Jetzt müssen Sie früher Bilanz ziehen. Sie wollten für die Krankenhäuser auf dem Land etwas erreichen. Trotzdem steht in dieser Bilanz jetzt eben auch, dass mehrere Krankenhäuser in Brandenburg in der Insolvenz sind oder von der Insolvenz bedroht sind. Kreiden Sie sich solche Dinge auch selber an oder sagen Sie, das ist der Bund?

Das ist ganz klar, dass die Schwierigkeiten, in denen unsere Krankenhäuser - nicht nur in Brandenburg, sondern auch bundesweit, andere Ursachen haben, die nicht der Landespolitik anzulasten sind.

Das ist einmal, dass nach Corona die Patienten nicht in dem Maße zurückgekehrt sind in die Krankenhäuser wie vor der Pandemie. Diese Verunsicherung hat sozusagen aufgezeigt, dass es ein Ambulantisierungspotenzial gibt, dass die Belegung danach in einigen Krankenhäusern wirklich deutlich runtergegangen ist.

Es kam in Folge des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine die hohe Inflation, die starken Energiepreise, die die Krankenhäuser massiv belastet haben. Krankenhäuser sind sehr energieintensive Unternehmen und sind praktisch durch die Vergütungen der Krankenkassen nicht refinanziert worden.

Was ist eine Baustelle, die Sie gerne noch abgearbeitet hätten in diesen fünf Jahren?

Auch wenn es vielleicht ein bisschen unbescheiden klingt, aber ich habe mir neulich nochmal die Abschlussbilanz angeguckt und habe gedacht: Wir sind eigentlich besser gewesen, als ich es selber gedacht hätte.

Mein Ministerium hat drei Jahre lang unglaublich mit Corona zu tun gehabt. Wir standen permanent unter Stress. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass das ein bisschen anerkannt wird. Ich bin sehr sehr viel im Land rumgereist. Diese Aussage, ja es läuft eigentlich ganz gut, das Land steht in vielen Strukturdaten gut da, das ist nie richtig durchgedrungen, sondern nur diese absolut unterirdische Stimmung, alles ist total blöd und die Welt geht unter. Das ist schwer zu verstehen, wie das eine mit dem anderen irgendwie überhaupt noch zusammengeführt werden kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Ursula Nonnemacher führte Amelie Ernst, rbb-Landespolitik Brandenburg.

Der Text ist eine redaktionell bearbeitete und gekürzte Fassung. Das komplette Gespräch können Sie oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.11.2024, 11:05 Uhr

Kommentar

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13 Kommentare

  1. 13.

    Ein Lehrbeispiel für real existierende Partei-und Machtpolitik ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Wähler. Das alle unter den drei Buchstaben : SPD

  2. 12.

    Vor allem in der Corona-Zeit ist mir Frau Nonnemacher positiv aufgefallen, als kompetent und geradlinig, So nun auch bei der Abstimmung über die Krankenhausreform. Woidke hingegen (den ich noch nie lachen gesehen habe) hat sich unmöglich gemacht, das ist der einzige Verdienst, denn die Reform, die besser ist als keine, kommt nun doch. Letztlich ist Lauterbrach der lachende Dritte, Brandenburg peinlich.

  3. 11.

    Ich bin kein Fan der Grünen, aber wie hier zur Zeit mit den Koalitionspartnern umgegangen wird ( .....und bist dunicht meiner Meinung - schmeiß ich dich raus...) hat nichts mit politischer und geistiger Größe zu tun. Das ist einfach nur primitiv und zum fremdschämen geeignet. Da hat Herr Woitke von seinem Parteichef das Falsche abgeguckt.

  4. 10.

    Dass der gewählte Ministerpräsident die Leitlinien der Politik bestimmt, heißt nicht, dass von vornherein strittige Angelegenheiten damit gleichgeschaltet werden. Sonst gäbe es schließlich kein Abstimmungsbedarf innerhalb einer Koalition. Insofern handelt es sich um einen undemokratischen Akt der Gleichschaltung bei Ausbootung des Koalitionspartners.

    Bei Dissenz gilt Enthaltung.

    Nonnemacher, die fachlich angesichts der Nachbesserungen für das Gesetz war - also gegen die Überweisung in den Vermittlungsausschuss gestimmte hätte - hat sich an die Koalitionsgepflogenheiten gehalten: Enthaltung. Woidke nicht. Der fühlte ggf. das BSW im Nacken, mitsamt vorauseilendem Gehorsam.

    Bei der Angelegenheit finde ich übrigens den Vorschlag von Sahra Wagenknecht sinnvoll, eine Regierung aus parteilosen, anerkannten Experten zu bilden. Bspw. so: Das Parlament beschließt quer zu Parteilinien, die Regierung führt aus und erledigt die Tagesgeschäfte, DAZU kann die Reg. Anstöße liefern.

  5. 9.

    Hören Sie auf, do unvergroren über Frau Nonnemacher zu lügen! Das Gegenteil ist der Fall! Sehr viele Brandenburger sind ihr heute noch dankbar für ihren menschlichen Einsatz in der Coronazeit!

  6. 8.

    Sie irren: in jedem Koalitionsvertrag vereinbaren (!) die Koalitionspartner, dass ihre Regierung im Fall von unterschiedlichen Auffassungen im Bundesrat mit Enthaltung stimmt. Diese Vereinbarung hat Woidke gebrochen. Das sagt einiges über seinen Charakter.

  7. 7.

    In Erinnerung bleibt vor Allem ihre Leistung in der Corona Pandemie, als wenig bis nichts geklappt hat und sie sich selbst in diversen Interviews eine gute bis sehr gute Arbeit bescheinigt hat und die Bürger, vor Allem Senioren, die dank der tollen Organisation keinen Impfschutz erhalten haben, für ihr "Gemecker" kritisiert hat.

  8. 6.

    Auch wenn diese Frau sehr viel gearbeitet hat für mich war Sie einfach nicht fähig für diesen Posten. Das hat Sie mit der aufkommenden Schweinepest am besten bewiesen. Wenn mir schon als laie klar die kommt in kurzer Zeit von Polen nach Deutschland und hier wird erst als es schon längst zu spät war etwas unternommen das geht garnicht.

  9. 5.

    Frau Nonnemacher hat sich ganz klar nicht an bekannte Regularien gehalten. Der Ministerpräsident bestimmt die Leitlinien der Politik und das hätte sie anerkennen müssen. Alternativ wäre der eigene Rücktritt möglich gewesen. So war die ganze Aktion auch nicht überraschend, sondern sie hat dies durch ihr eigenes Verhalten herbeigeführt.

  10. 4.

    Was hat sie? Sie hat für Ihre Überzeugung eingestanden und ihre Meinung klar vertreten (wollen). Wir brauchen mehr Politiker, die für ihre Ideale einstehen. Sie betont doch, wie wichtig es für Brandenburg war, dass es ohne Verzögerung durch geht. Respekt dafür.
    Der Herr aus Forst hat sich damit keinem Gefallen getan.

  11. 3.

    Sehr geehrte Frau Nonnenmacher vielen Dank für Ihre und durch Ihre Mitarbeiter geleistete Arbeit. Ich halte es für zynisch und ein Zeichen für äußerst schlechtes Benehmen, wie mit Ihnen umgegangen worden ist. Ich wünsche Ihnen für Ihr weiteres Leben alles Gute. Bleiben Sie frohgemut.
    Ich denke in Brandenburg ist die falsche Person für den Posten des Ministerpräsidenten ausgesucht worden.

  12. 2.

    Klasse Dame!

    Sie erinnert mich ein bisschen an Sankt Regine Hildebrandt.

  13. 1.

    Sie hat doch mit ihrem Verhalten geradezu um ihren Rausschmiss gebettelt.

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