Interview | Ex-Alba-Profi Mithat Demirel - "In der Euroleague fließen Gelder, die außerhalb der Reichweite von Alba sind"
Gegen Villeurbanne bestreitet Alba Berlin am Donnerstag die letzte Euroleague-Partie der Saison, die Playoffs wurden deutlich verpasst. Mithat Demirel, lange Teil des Klubs, analysiert die Spielzeit und spricht über Albas Zukunft auf europäischem Parkett.
Wir erreichen Mithat Demirel telefonisch in Marokko, wo er Urlaub mit der Familie macht und nebenbei bei einem Basketball-Camp mithilft. Für ein Gespräch über seine alte Wirkungsstätte Alba Berlin nimmt sich der ehemalige Basketball-Nationalspieler gerne Zeit.
rbb|24: Herr Demirel, wie eng ist Ihr Kontakt zu Alba Berlin dieser Tage noch?
Mithat Demirel: Bis 2015 war ich bei Alba, als Spieler sowie als Sportdirektor insgesamt 15 Jahre im Klub. Diese Zeitspanne erklärt es am besten. Da sind Freundschaften entstanden und zahlreiche gute Beziehungen, die immer noch bestehen.
Sie verfolgen das Geschehen bei Alba also nach wie vor intensiv?
Ja, ich verfolge die Spiele von Alba regelmäßig - insbesondere die Partien in der Euroleague.
Wie bewerten Sie denn die Auftritte und die nun zu Ende gehende Saison von Alba Berlin auf europäischer Bühne?
Es war vor der Saison abzusehen, dass es schwer werden würde für Alba in der Euroleague gegen die europäischen Topklubs. Hinzu kam die langwierige Verletzung von Marcus Eriksson. Er hätte mit seiner Erfahrung eine Stütze sein können und in der Offensive Aufmerksamkeit auf sich ziehen können. Luke Sikma hat sehr viel getan für den Verein in den letzten Jahren, hat allerdings auch nicht seine beste Saison gespielt. Er ist in einem Alter, in dem er das ganze Pensum, das Alba national und international bewältigen muss, nicht mehr vollständig mitfahren kann.
Trotzdem konnte das Team zu Beginn der Euroleague-Saison mit drei Siegen überraschen, hat die anderen Teams teilweise überannt. Dann folgte eine lange Durstrecke (zwölf Pleiten in Folge, Anm. d Red. ), die gerade bei einer jungen Mannschaft zu Verunsicherung führen kann. Erschwerend kam hinzu, dass man nicht mal zwischendurch ins Trainingslager fahren konnte, um die Festplatte zu löschen. Sondern die Dauerbelastung hört ja nicht auf.
Das heißt die auf den ersten Blick magere Ausbeute zum Saisonende von zehn, möglicherweise elf Siegen waren für Sie erwartbar?
Vielleicht hätten es vier, fünf Siege mehr sein können. Einige Spiele wurden knapp verloren, eher der Unerfahrenheit geschuldet. Für die Playoffs hätte es in der Euroleague aber auch so nicht gereicht.
Was bräuchte es denn dafür, um diese Playoffs mitzuspielen und konstanter Spiele gegen die Topmannschaften Europas zu gewinnen?
In den vergangenen Jahren hat es Alba immer wieder vorgemacht. Es braucht zwei, drei Säulen in der Mannschaft, die eine Partie schultern. Das war aus verschiedenen Gründen in diesem Jahr nicht möglich. In den letzten Jahren haben gerade auf der Flügelposition Spieler internationalen Formats den schwierigen Partien ihren Stempel aufgedrückt, etwa ein Simone Fontecchio, Jayson Granger oder Marius Grigonis. Diese Spieler hat man auch mit Glück für sich gewinnen können, aber nie lange im Klub halten können. An solchen Akteuren hat es in diesem Jahr gefehlt. Hinzu kam dann noch Verletzungspech.
Zu Saisonbeginn wurde Alba dafür gelobt, die Mannschaft weitgehend zusammengehalten zu haben. Andererseits wurde diese auch nicht maßgeblich verstärkt.
Andere Teams haben da ganz andere Möglichkeiten. In der Euroleague herrscht ein harter Kampf um die Spieler. Aufgrund der finanziellen Voraussetzungen kann da nicht jeder Verein mithalten und es fließen Gelder, die sind außerhalb der Reichweite von Alba.
Halten Sie es dennoch für möglich, dass Alba sich in den kommenden Jahren zumindest in den Dunstkreis der Playoff-Mannschaften spielt - auch vor dem Hintergrund des geringen Budgets?
Klar, das war immer eine Stärke von Alba. Man kann sich mit ein bisschen Glück da hochkämpfen. Aber um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, braucht man einfach zwei, drei Spieler, die es nicht zulassen, dass man unter einen gewissen Standard fällt. Auch nicht bei Verletzungspech, auch nicht beim vierten Spiel in acht Tagen. Nächstes Jahr sind einige Spieler noch ein bisschen reifer. Trotzdem muss man sich qualitativ verstärken.
Von welchen Spielern erhoffen Sie sich den nächsten Schritt in der nächsten Saison?
Von Gabriele Procida erwarte ich es. Er hatte in diesem Jahr ähnliche Startschwierigkeiten wie Tamir Blatt im Vorjahr. Ich erhoffe es mir auch von Christ Koumadje, weiß aber nicht, wie man mit ihm plant. Jaleen Smith hat sich in diesem Jahr gut entwickelt, von ihm erhoffe ich mir einen weiteren Schritt, wenn er denn über die Saison hinaus gehalten werden kann. Es ist auf jeden Fall viel zu tun im Sommer - aber ich glaube, da ist man bereits dabei.
Ein Thema ist dabei auch Albas Zukunft in der Euroleague im Allgemeinen. Die Wildcard, die Alba zuletzt zwei Saisons lang hatte, läuft im Sommer aus. Das Alba weiterhin in der Euroleague spielen wird - sei es mit einer weiteren Wildcard oder gar einer dauerhaften A-Lizenz - scheint wahrscheinlich, ist aber noch nicht bestätigt. Was macht Alba Berlin aus Ihrer Sicht auch zukünftig zu einem wertvollen Standort für die Euroleague.
Alba hat in den letzten 25 Jahren wie kein anderer Verein in Europa gezeigt, wie man mit relativ bescheidenen Mitteln oben mitspielen kann und sich gegen die Besten behauptet. Klar, manchmal passiert es auch, dass man ein schlechtes Jahr erwischt. Aber was Alba für den Basketball, im Jugendbereich und jetzt auch im Frauensport geleistet hat – da handelt es sich einfach um eine Top-Adresse in Europa.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jakob Lobach, rbb Sport.
Sendung: rbb24 Inforadio, 12.04.2023, 13:15 Uhr