Analyse zu Unions Remis in Gladbach - Die Harmlosen
In Mönchengladbach zeigt der 1. FC Union Berlin ein gutes Auswärtsspiel. Wie so oft in dieser Saison fehlen aber die Tore, um sich für den Aufwand zu belohnen. Die Lage im Abstiegskampf hat sich nach diesem Spieltag verschärft. Von Till Oppermann
Eine kleine Vorwarnung gleich am Anfang: Vieles könnte Ihnen als Leser dieses Textes schon bekannt vorkommen. Denn für Union Berlin war beim Auswärtsspiel bei Borussia Mönchengladbach alles wie zu oft in dieser Saison. Zum 17. Mal schossen die Eisernen kein Tor.
"Den Punkt nehmen wir in unserer Situation mit", bilanzierte Kevin Volland zwar. Doch an das Spiel am Niederrhein werden sich viele Unioner besonders gut erinnern, sollte die Mannschaft am Ende der Saison doch noch absteigen. Insgesamt sechs verschiedene Offensivspieler versuchten sich am Sonntag. Die 14 Abschlüsse landeten trotzdem nur am Pfosten, an der Latte, beim Torwart oder weit über dem Tor.
Bjelica hadert mit der Offensive
Das ärgerte auch Trainer Nenad Bjelica. Schon fünf oder sechs Tore mehr würden reichen, um nicht mehr um den Klassenerhalt kämpfen zu müssen, rechnete der Trainer am DAZN-Mikrofon vor. Die Realität ist eine andere: Zwei Punkte vor dem Relegationsplatz steht Union nur noch knapp vor dem kommenden Gegner aus Bochum.
Nur die Tordifferenz sichert den 14. Platz. Dass das nicht mit der offensiven Ausbeute der Berliner zu tun haben kann, sollte klar sein. 26 Union-Toren stehen 37 Bochumer Treffern gegenüber. Aber: Die Defensive der Unioner steht mit 50 Gegentoren eben deutlich besser da als die Bochumer, die schon 62 Treffer hinnehmen mussten.
Auch gegen Gladbach konnte sich Bjelica auf seine Hintermannschaft verlassen, die nur wenig zuließ. Für Rani Khedira, der in die Startelf zurückgekehrt war, war das die gute Nachricht des Nachmittags. Man sei in der Abwehr stabil gewesen, so Khedira. "Und das ist die Grundbasis im Abstiegskampf." Für Union gilt das ganz besonders: Wäre die Defensive nicht in der Lage, immer wieder zu Null zu spielen, würden angesichts des schlechten Angriffs wichtige Punkte fehlen. Ganz besonders erwähnenswert ist das, weil die Mannschaft diese Stabilität bei den letzten Niederlagen gegen den FC Augsburg und Bayern München noch hatte vermissen lassen.
Bjelica hat die Mannschaft mental stabilisiert
Dass sie gerade nach dem 1:5 gegen München nicht komplett eingebrochen ist, darf man wohl Trainer Nenad Bjelica zurechnen. Obwohl seine Spieler mit individuellen Fehlern, taktischen Schwächen und fehlendem Einsatz große Teile zu den Treffern des Gegners beigetragen hatten, nahm der Trainer nach dem Spiel die Schuld auf sich. Seine Umstellung auf eine Viererkette nach der Pause sei ein Fehler und der Grund dafür gewesen, dass seine Spieler mit zu großen Abständen verteidigt hätten, sagte er da.
Ein Zeichen an die Spieler, dass Fehler menschlich sind und dass er weiter in ihre Fähigkeiten vertraut. Angesprochen auf die mentale Arbeit mit dem Team sagte Bjelica zwar, dass man auch nach Siegen auf die Mannschaft einwirken müsse. Ein Blick auf die nächste Trainingswoche verrät aber, dass er und sein Trainerteam Ruhe als wichtigen Faktor vor den Endspielen gegen Bochum, Köln und Freiburg erkannt haben. Am Montag wird trainiert, Dienstag haben die Spieler frei und Mittwoch ist das Training sogar öffentlich — kein Krisenmodus in Köpenick.
Eine Entscheidung für die defensive Balance
Diese Einstellung spiegelte sich auch in Bjelicas taktischen Entscheidungen im Spiel gegen Gladbach wider. Nach dem missglückten Experiment mit der Viererkette in der zweiten Hälfte gegen die Bayern setzte Union am Sonntag wieder auf ein System mit drei Innenverteidigern. Selbst in Phasen als die Eisernen die Spielkontrolle hatten, befanden sich in der Regel die meisten Spieler hinter dem Ball auf ihren Positionen. Neben der eklatanten Schwächen im Torabschluss ist Unions größtes Problem in dieser Saison, dass die Mannschaft nur drei Punkte nach einem Rückstand geholt hat.
Umso wichtiger ist es Bjelica, dass seine Spieler schon im Moment des eigenen Angriffs an die Defensive denken. So ist es kein Wunder, dass Union die meisten Abschlüsse am Sonntag aus der Distanz suchte. Der Strafraum war selten ausreichend besetzt, um die Absicherung nicht aufzugeben.
Ganz auserzählt ist das Spiel damit aber nicht. Die beste Gelegenheit hatte der eingewechselte Andras Schäfer in der 73. Spielminute frei vor dem Gladbacher Tor. Auch sein Versuch war zu harmlos, um ein Tor zu schießen. Union muss weiter zittern.
Sendung: rbb24 Inforadio, 29.04.2024, 6:00 Uhr