Chancen-Aufenthaltsrecht - Sie will arbeiten - darf es aber nicht

Di 28.02.23 | 18:16 Uhr
  6
Frau aus Eritrea Strausberg geduldet
Audio: Antenne Brandenburg | 28.02.2023 | Eva Kirchner-Rätsch | Bild: rbb/Eva Kirchner-Rätsch

Seit Ende 2022 können viele ausländische Menschen mit Duldungsstatus eine 18-monatige Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Allein in Märkisch-Oderland könnten hunderte Menschen profitieren - wie eine Eritreerin, die aktuell nicht arbeiten darf.

Seit zwei Monaten ist das Gesetz zur Einführung eines Chancenaufenthaltsrechts in Kraft. Damit sollen Menschen, die nach Deutschland geflüchtet und hier langjährig geduldet sind, langfristig unter bestimmten Voraussetzungen bleiben dürfen. Das Gesetz soll auch dem aktuellen Fachkräftemangel entgegenwirken. Deutschlandweit könnten laut Angaben des Bundestags mehr als 136.000 Menschen davon profitieren. Allein im brandenburgischen Landkreis Märkisch-Oderland sind nach Angaben des Kreises von insgesamt 812 Ausreisepflichtigen 477 vom neuen Gesetz betroffen.

Eine von ihnen ist Fantanesh Birhan. Die 27-jährige Frau aus Eritrea hat in den vergangenen drei Jahren in verschiedenen Restaurants in Strausberg gearbeitet, wie sie sagt. "Ich bin gesund und kann arbeiten." Auf sie warte eigentlich einen neuen Job in einer kleinen Konditorei, doch sie bekomme dafür keine Arbeitsgenehmigung mehr von der Ausländerbehörde. Der Grund dafür: Sie hat eine Duldung bekommen, wie Mona Abdelkarim vom Strausberger Jugendsozialverband dem rbb sagt. Eine Duldung ist eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung von ausreisepflichtigen Ausländern. Birhan dürfe deswegen nicht mehr arbeiten.

Neues Gesetz ermöglicht 18-monatige Aufenthaltsgenehmigung

Eine Lösung für die Eritreerin könnte das seit dem 31. Dezember geltende Chancen-Aufenthaltsrecht sein. Einen Antrag können Menschen stellen, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschland geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis leben. Diese Menschen dürfen wegen einer vorsätzlichen Straftat nicht verurteilt sein und ihre Identität oder Staatsangehörigkeit nicht getäuscht haben. Für sie gibt es auf Antrag eine 18-monatige Aufenthaltsgenehmigung und eine Beschäftigungserlaubnis.

Um nach den 18 Monaten eine dauerhafte Bleibeperspektive zu erhalten, müssen Menschen mit Chancen-Aufenthaltsrecht laut der Integrationsbeauftragen der Bundesregierung hinreichende mündliche Deutschkenntnisse nachweisen, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit sichern und ihre Identität klären. "Sie können sich dann bemühen, Arbeit finden und sich integrieren", sagt Mona Abdelkarim. "Das ist eine große Chance."

Birhan habe auch einen Antrag gestellt, weil sie die Voraussetzungen für das Chancen-Aufenthaltsrecht erfülle. Seit neun Jahren wohne sie nun in Strausberg mit ihrer Familie – Mann und zwei Kindern. Aus Eritrea sei sie aus Angst vor Unterdrückung und Misshandlung geflüchtet. "Ich möchte sicher leben", sagt sie. Eritrea gilt nach dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht als sicheres Herkunftsland. Menschen aus Eritrea haben laut dem BAMF eine gute Bleibeperspektive in Deutschland. In Märkisch-Oderland hat laut Angaben des Kreises eine zweistellige Anzahl an Menschen bereits einen Antrag gestellt.

"Sie ist ambitioniert"

Die Eritreerin hat aber ein weiteres Problem: Sie konnte bisher ihre Identität nicht nachweisen, weil sie aus ihrem Heimatsland ohne jegliche Papiere geflüchtet sei. Doch Menschen, die in Deutschland kein Asyl erhalten und nur geduldet werden, dürfen ohne Identitätsnachweis, beispielsweise einen Reisepass, erstmal nicht arbeiten. Wenn Birhan aber das Chancen-Aufenthaltsrecht bekommt, hat sie weitere 18 Monate, um ihre Identität nachzuweisen.

"Sie ist ambitioniert und will sich auf dem Arbeitsmarkt etablieren", sagt Robert Droß, Chef der Strausberger Konditorei Tortenduft über Birhan. Er suche dringend Mitarbeiter und würde die Eritreerin gern einstellen. Droß verstehe die bürokratischen Hürden nicht. "Es ist eigentlich schade, dass Menschen, die arbeiten wollen, nicht arbeiten dürfen", sagt er.

Sendung: Antenne Brandenburg, 28.02.2023, 16:20 Uhr

Mit Material von Eva Kirchner-Rätsch

6 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 6.

    "Weil heimische Bürgergeldbezieher nicht arbeiten wollen. Was glauben Sie wie lange wir als Hotel Arbeitskräfte suchen. Bewerber sind mehrheitlich nicht - wie Sie es nennen heimisch-. Und wenn erwarten diese das sie an sämtlichen Feiertagen und Wochenenden freihaben."

    Beim DIW war zur Gesprächsrunde mal eine langzeitarbeitslose Gewerkschafterin eingeladen. Sie wünschte sich zwar höhere Transferleistungen, damit sie mehr als einmal im Monat kulturelle Veranstaltungen wie Kino wahrnehmen könne, war sonst aber zufrieden mit ihrer Situation. Keine Spur von Wunsch oder Ambition, nochmal irgendwie berufstätig zu werden.

  2. 5.

    Sie wissen doch selber, dass der Konditoreijob gar nicht für jeden in Frage kommt. Die Alleinerziehende hat morgens früh keine Kinderbetreuung, die 59jährige hat es mit dem Rücken etc. etc. Warum freuen Sie sich nicht einfach, dass der Konditoreibesitzer eine fitte und arbeitswillige Angestellte bekommt?

  3. 4.

    Mit Verlaub gesagt, der RBB Beitrag ist schlecht recherchiert. Es geht nicht nur um die "ambitionierte" 27-jährige Frau aus Eritrea, was ist mit ihrem Mann, geht der arbeiten? Sie sind drei Jahre hier, die vierköpfige Familie lebt von Sozialleistungen, sonst würde sie ja nicht im Jobcenter vorsprechen , unterbrochen von Gelegenheitsjobs. Hat der Mann auch Schwierigkeiten, seine Identität nachzuweisen?

  4. 3.

    Weil heimische Bürgergeldbezieher nicht arbeiten wollen. Was glauben Sie wie lange wir als Hotel Arbeitskräfte suchen. Bewerber sind mehrheitlich nicht - wie Sie es nennen heimisch-. Und wenn erwarten diese das sie an sämtlichen Feiertagen und Wochenenden freihaben.

  5. 2.

    Witzig, einheimische bürgergeldempfänger stehen doch nicht um 4 Uhr auf, um in der Konditorei anzufangen.

  6. 1.

    Warum versucht die Konditorei Tortenduft es nicht mit heimischen Arbeitskräften? Auch in MOL beziehen Tausende jahrelang und teilweise generationsübergreifend Hartz4/Bürgergeld. Warum wurde die Abschiebung der ausreisepflichtigen Afrikanerin ausgesetzt?

Nächster Artikel