Frauen in Ingenieurberufen - "Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass ich das als Frau nicht könnte"

So 03.03.24 | 14:01 Uhr | Von R. Schwaß und J. F. Álvarez Moreno
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Anja Budach, Betriebsingenieurin bei ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt. (Quelle: rbb)
Antenne Brandenburg | 28.02.2024 | Elke Bader | Bild: rbb

Ein Großteil der Ingenieure in Deutschland ist männlich. Jungen Frauen fehlt es oft an weiblichen Vorbildern in diesen Berufen. Im Stahlwerk von Eisenhüttenstadt ist das anders: Dort leitet eine Ingenieurin die Walzenschleiferei.

Anja Budach steht mit grau-orangener Arbeitskleidung und weißem Schutzhelm vor einer Walze und hält in der Hand ein Gerät, das wie ein umgebautes Videorekorder aussieht. Die Ingenieurin überprüft, ob die Oberfläche des Metalls richtig geschliffen wurde. "Das ist eine texturierte Walzenoberfläche. Die Oberfläche ist ausgeraut und wird durch uns so produziert", sagt Budach. "Wir überprüfen, ob sie den Kundenanforderungen anspricht." Damit stelle sie sicher, dass im Kaltwalzwerk anschließend Stahl in hoher Qualität verarbeitet wird.

Budach arbeitet seit 2016 als technische Leiterin in der Walzenschleiferei des Stahlwerks von ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree). Die 34-Jährige gehört damit zu einer Minderheit: Vier Fünftel der etwa 2.700 Beschäftigten am Werk sind laut Unternehmensangaben Männer. In der Walzenschleiferei ist Budach die Chefin von 32 Mitarbeitern – die meisten sind Männer.

Sehr wenige Bau-, IT- oder Wirtschaftsingenieurinnen

Dass Frauen in einem Team von Ingenieuren in der Unterzahl sind, ist keine Seltenheit: Nur ein Drittel der beschäftigten Ingenieure und Wissenschaftler in Deutschland sind laut Eurostat Frauen. Bei vielen Ingenieurberufen sehen die Zahlen schlechter aus: Nur 30 Prozent der Bauingenieure hierzulande sind laut Bundesstatistikamt Frauen, bei den Wirtschaftsingenieuren sind es 22 Prozent und in der Ingenieurinformatik nur 17 Prozent. An den Brandenburger Hochschulen stagniert zudem seit Jahren der Frauenanteil unter den Studierenden bei etwa 30 Prozent.

Anja Budach, Betriebsingenieurin bei ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt. (Quelle: rbb)
Ingenieurin Anja Budach im Stahlwerk von Eisenhüttenstadt. Bild: rbb

Viele junge Frauen interessieren sich für MINT-Fächer

Schon früh habe Budach gewusst, in welche Richtung es für sie gehen soll: "Eigentlich schon innerhalb der Schulzeit, aufgrund der favorisierten Schulfächer: Also Mathe, Physik, Chemie", sagt sie. "Ich war dann bei der Berufsberatung und mir wurde der Ingenieurbereich empfohlen." Danach ließ sie sich in Eisenhüttenstadt zur Industriemechanikerin ausbilden, an der TU Wildau folgte das Maschinenbau-Studium.

Das Interesse an Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik teilt Budach mit vielen jungen Frauen: Laut einer Studie der Internationalen Hochschule in Erfurt sind 70 Prozent an den sogenannten MINT-Fächern interessiert. Trotzdem werden zu wenige Ingenieurinnen. Etwa 40 Prozent fürchten den Ergebnissen zufolge Schwierigkeiten und Überforderung in der Ausbildung. Es fehlt an weiblichen Vorbildern aus diesen Berufsfächern: Nur wenige der Befragten haben der Studie zufolge Freundinnen oder weibliche Verwandte, die in technischen Berufen arbeiten.

Anja Budach, Betriebsingenieurin bei ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt. (Quelle: rbb)
Ingenieurin Anja Budach im Stahlwerk von Eisenhüttenstadt. Bild: rbb

Stahlwerk will mehr Frauen einstellen

In ihrem Studiengang war Budach eine von wenigen Frauen, sagt sie. An Motivation fehlte es ihr offenbar aber nicht: "Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass ich das als Frau nicht könnte", sagt die Ingenieurin. "Für mich war es normal und ich hatte während des Studiums und hier während der Tätigkeit nie das Gefühl, dass es irgendjemand interessiert, ob man jetzt Frau oder Mann ist."

Das Stahlwerk in Eisenhüttenstadt beschäftige bereits mehr Frauen als der Durchschnitt der Stahlindustrie, sagt Sophie Krüger, Unternehmenssprecherin. Doch man wolle noch mehr Frauen gewinnen. "Wir bieten einen Kitazuschuss, die Möglichkeit – wenn es kein Produktionsbetrieb ist – des mobilen Arbeitens, und wir haben noch das Gleitzeitmodel", sagt Krüger.

Trotz allem werden Anja Budach und andere Frauen in Ingenieurberufen wohl noch lange Teil einer Minderheit bleiben. Für junge Frauen, die in technische Berufe wollen, hat sie einen Tipp: "Einfach machen!", sagt die 34-jährige Ingenieurin.

Sendung: Antenne Brandenburg, 27.02.2024, 16:40 Uhr

Mit Material von Elke Bader und Robert Schwaß

Beitrag von R. Schwaß und J. F. Álvarez Moreno

18 Kommentare

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  1. 18.

    Frauen können, wenn sie wollen! Lasst jeder Frau ihren eigenen Willen ... wonach sie auch immer strebt ob Familie, Job oder beides! Frauen, nehmt Euch, was Ihr wollt und nicht das was man für Euch vorsieht!

  2. 16.

    Eigentlich ein gutes Beispiel wie es gehen kann und das Vorbilder nicht notwendig sind. Im Zeitalter einer gleichberechtigten Gesellschaft kommen nun neue Erkenntnisse zum Vorschein. Es ist nicht das den Frauen "Vorbilder" fehlen sondern der Wille. Wieso einen Ingenieursberuf ergreifen wenn Psychologie oder Medizin aber auch die Kranken- oder Altenpflege verlockender für viele junge Frauen sind?

    Ich persönlich lasse meiner Frau die Entscheidung was sie machen möchte und unterstütze sie bei allem. Das bedeutet auch das ich sie dabei unterstütze wenn sie Hausfrau sein möchte. Ich finde es grundlegend falsch jungen Frauen ihren Lebensweg vorzuschreiben.

    Leider kommt es in solchen Diskussionen immer zu Negativität bei der "aufgedeckt" werden soll das Frauen und Männer nicht gleichgestellt sind. Das ist aber falsch und unproduktiv. Mit der Macht über sein Leben entscheiden zu können kommt die Verantwortung über das eigene Leben.

  3. 15.

    ...und in der alten BRD ist Ihre AfD(die ich auch ablehne)-Beschreibung täglich massenhaft gelebt worden. Die Hälfte der bundesdeutschen Wählerschaft (Frauen haben das Wahlrecht seit 1919!) hat Gesetze ermöglicht, dass Frauen bis 1977 nur mit Erlaubnis ihrer Männer arbeiten oder sich weiterbilden durften, von ihren Männer in der Ehe legitim vergewaltigt werden konnten und bis heute, im 21. Jahrhundert, noch §218 und §219 unter der inzwischen zweiten rot-grünen Regierung herrschen.
    Ganz nebenbei ist nicht nur dieses Erbe ekelhaft, sondern auch, wenn unsere ach so woken "Innen" immer wieder - wie ein katholischer Pfarrer - von Abtreibung statt von Schwangerschaftsabbruch sprechen!

  4. 14.

    Muss das Mansplaining (Bescheidwissertum) vom Wossi hier auch doppelt veröffentlicht werden? Aber, wenn die ausgebildete Ostfrau gegen die "Innen", die sich von Papi ihr Studium oder vom Ehemann das ganze Leben finanzieren lassen und gleichzeitig von toxischer Männlichkeit labern, argumentiert, scheut man die Veröffentlichung....

  5. 12.

    Es gibt nichts, was man nicht lernen könnte. Mehr Frauen als Ingenieur wären für die Mischung sehr gut. Beim Maschinenbaustudium ist es die Technische Mechanik und das Vorstellen der Kräftewirkung im Dreidimensionalen Raum, der Angst macht. Unbegründet. Ein Tipp: Biegt man sich eine Büroklamme zurecht, drückt an einem Ende, dann merkt man schnell, was am Ende ankommt und was wo wie wirkt. Keine Angst...

  6. 11.

    Es gibt nichts, was man nicht lernen könnte. Mehr Frauen als Ingenieur wären für die Mischung sehr gut. Beim Maschinenbaustudium ist es die Technische Mechanik und das Vorstellen der Kräftewirkung im Dreidimensionalen Raum, der Angst macht. Unbegründet. Ein Tipp: Biegt man sich eine Büroklamme zurecht, drückt an einem Ende, dann merkt man schnell, was am Ende ankommt und was wo wie wirkt. Keine Angst...

  7. 10.

    Da man heute zu oft eh nur noch Probleme per Email, Excel und Problemtickets lösen soll, kann das jede/jeder, die/der qualifiziert ist. Und selbst in einer Produktion stehen und sich das Ergebnis seiner Arbeit ansehen, ist allen Ingenieuren möglich.

  8. 9.

    Weibliche Vorbilder fehlen vor allem bei Müllfahrern, Gullytauchern, Soldaten und Bauarbeitern

  9. 7.

    Die AfD möchte aber lieber Frauen, die daheim am Herd die Kinder hüten und was Feines kochen.
    Die AfD gibt sich frauenfreundlich, doch im Grundsatzprogramm und in den sozialen Medien propagiert sie ein Menschenbild, das traditionelle Geschlechterrollen einfordert, Abtreibung ablehnt und die Mutterschaft als politisches Ideal definiert.

  10. 6.

    In der DDR haben die Frauen auch noch Kinder bekommen. Das ist wegen der aktuellen Kultur natürlich nicht mehr so.

  11. 5.

    Genauso empfand ich beim Lesen des Artikels. Ziemlich verblüfft. Jedoch, sind 30 Jahre nachwendisch vielleicht nicht spurenlos am Nachwuchs vorbei gegangen. Ich rede nur vom Oosten.

  12. 4.

    Frauen könnten vieles, wenn auch nicht alles, was Männer machen, wenn es sie denn interessieren würde. Gleiches gilt umgekehrt. Das ideologisch motivierte Herbeibeten nutzt da real gar nichts. Die Ausnahmen bestätigen die Regel.

  13. 3.

    "Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass ich das als Frau nicht könnte"

    Prima soll sollte es auch sein. Einfach machen nicht jammern und sich nixht aufhalten lassen

  14. 2.

    Frage an die Autoren: Wie war das denn im Eisenhüttenkombinat Ost (EKO)? Vielleicht wäre ein konkreter Vergleich vor Ort in dem gleichen Kombinatsbetrieb über die Zeit sinnvoll.

  15. 1.

    Importthema aus der Alt-BRD? In der DDR und damit im jetzigen Osten war das doch nie ein Thema und Frauen haben natürlich als Ingenieure gearbeitet.

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