Frauen im Handwerk - "Wir brauchen jede zupackende Hand"

Di 15.10.24 | 07:58 Uhr | Von Anja Herr
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Eine KFZ-Mechanikerin wechselt in einer KFZ-Werkstatt die Bremsscheibe eines Autos. (Quelle: dpa/Marijan Murat)
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Video: rbb24 Abendschau | 15.10.2024 | Anja Herr | Bild: dpa/Marijan Murat

Kfz-Mechatronikerinnen, Metallbauerinnen, Schornsteinfegerinnen – sie sind eine Seltenheit. Der Anteil von Frauen im Handwerk sinkt weiter. Dabei ist Berlin auf sie angewiesen, sagt die Präsidentin der Handwerkskammer – und will um sie kämpfen. Von Anja Herr

Angelina Hein ist hochkonzentriert. "Jetzt erneuern wir erstmal Getriebe und Motor", sagt die 22-Jährige. Sie steht in der Auto-Werkstatt von Audi in Charlottenburg, vor ihr auf der Werkbank liegen Schrauben und Werkzeug. Vor einem Jahr hat sie ihre Ausbildung zur Kfz-Mechatronikerin erfolgreich abgeschlossen – und ist jetzt glücklich in dem Beruf, von dem sie schon als Kind geträumt hat. Mit 15 Jahren machte sie ihr erstes Praktikum in der Fahrzeugwerkstatt der Berliner Stadtreinigung (BSR) - spätestens dann war für sie klar, welchen Beruf sie einmal lernen will.

Dass ihre Kollegen fast alle Männer sind, stört Angelina Hein überhaupt nicht. "Wir sind ein gutes Team, und darauf kommt es an", sagt sie. Was sie dagegen stört, sind Kunden, die ihre Kompetenz infrage stellen, weil sie eine Frau ist. "Wenn ich ihnen was erkläre, fragen sie: Sind Sie da sicher?" Ihre männlichen Kollegen werden das nicht gefragt, sie seien als "Fachmänner" akzeptiert.

Gegen das Schubladen-Denken

Aber sie lässt sich nicht unterkriegen. "Ja, ich bin sicher", sagt sie dann. Denn sie weiß, was sie gelernt hat. Und sie will junge Frauen motivieren, sich ebenfalls einen Handwerksberuf zuzutrauen. "Wir müssen weg von diesem Schubladen-Denken", sagt sie.

Genau das ist auch das Ziel der Ausstellung "Stolz und Vorurteile" [hwk-berlin.de], die gerade im Berliner Abgeordnetenhaus gezeigt wird. Angelina Hein ist eine von fünf Handwerkerinnen, die dafür porträtiert wurden, mit Fotos und Texten über ihre Arbeit. Von der Schornsteinfegerin bis zur Metallbauerin: Die Schau will Klischees hinterfragen. Initiiert wurde sie von der Handwerkskammer Berlin mit dem Ziel, Handwerkerinnen sichtbarer zu machen und "die Chancengleichheit zur Selbstverständlichkeit zu machen", wie die Kammer mitteilt. Sie wirbt um Frauen, weil sie sie braucht.

Konkurrenz durch akademische Laufbahnen

Denn der Anteil der Frauen an Ausbildungen im Handwerk ist in Berlin in den vergangenen zwanzig Jahren deutlich gesunken: von 29 Prozent Frauenanteil im Jahr 2003 auf 17 Prozent im vergangenen Jahr. Generell ist das Interesse an handwerklichen Berufen zurückgegangen, auch bei Männern. Vor zwanzig Jahren wurden pro Jahr noch mehr als 6.000 Ausbildungsverträge im Handwerk abgeschlossen, im vergangenen Jahr waren es nur noch gut 3.000 – die Zahl hat sich fast halbiert. Einen Grund sieht die Handwerkskammer Berlin in der starken Konkurrenz durch akademische Laufbahnen. Zudem herrsche der Irrglaube, das Handwerk biete keine attraktiven Karrieremöglichkeiten, sagt die Präsidentin der Handwerkskammer Carola Zarth.

Dabei gebe es im Handwerk zahlreiche Aufstiegschancen, wie etwa die Weiterbildung zum Meister oder zur Meisterin. Oder die Möglichkeit, einen eigenen Betrieb zu gründen oder Führungspositionen zu übernehmen und somit auch Verantwortung für den Nachwuchs zu tragen.

Lackiererin und Kfz-Mechatronikerin mittlerweile unter den Top 10

Die Zahl der Inhaberinnen von Handwerksbetrieben ist dagegen leicht gestiegen: Vor zehn Jahren waren es noch 22 Prozent, jetzt sind es 27 Prozent, also mehr als ein Viertel aller rund 20.000 inhabergeführten Betriebe in Berlin. Zudem wählen Frauen mittlerweile nicht mehr nur klassische Frauenhandwerksberufe. Auf dem ersten Platz ist zwar – wie auch vor zehn Jahren – der Friseurberuf. Platz 2 ist Tischlerin, Platz 3 Konditorin. Aber auch Berufe wie Lackiererin (Platz 7) und Kfz-Mechatronikerin (Platz 9) haben es im vergangenen Jahr unter die Top 10 geschafft – 2013 waren sie noch nicht dabei.

Die Bemühungen, Frauen und Mädchen durch Initiativen wie den Girls' Day für Berufe zu gewinnen, die nicht als typische Frauenberufe gelten, hält Handwerkskammerpräsidentin Carola Zarth für wichtig. Zudem erforderten viele handwerkliche Berufe aufgrund des technischen Fortschritts und der Digitalisierung heutzutage weniger körperliche Kraft, seien also auch für Frauen geeignet.

Beliebteste Ausbildungsberufe von Frauen

Rang 2023 2013
1 Friseurin Friseurin
2 Tischlerin Bäckereifachverkäuferin
3 Konditorin Zahntechnikerin
4 Augenoptikerin Bürokauffrau
5 Bürokauffrau Augenoptikerin
6 Zahntechnikerin Tischlerin
7 Malerin/Lackiererin Konditorin
8 Bäckereifachverkäuferin Fleischereifachverkäuferin
9 Kfz-Mechatronikerin Gebäudereinigerin
10 Bäckerin Kosmetikerin

Quelle: Handwerkskammer Berlin

Forderung: Wohnraum für Azubis und Werkunterricht in Schulen

Ein entscheidender Punkt, junge Menschen für den Handwerkerberuf zu gewinnen: der Wohnungsmarkt. Wer eine Ausbildung beginnt, braucht eine günstige Unterkunft – gerade in den ersten Jahren, wenn der Lohn noch gering ist. Deshalb betont Zarth, es sei wichtig, bezahlbaren Wohnraum für Auszubildende zu schaffen. Zudem sollten Kinder und Jugendliche bereits früh für den Handwerksberuf begeistert werden – durch die Einführung von Werkunterricht in Schulen. Eine Forderung, die die Handwerkskammer seit Jahren immer wieder stellt. Die Hoffnung: Auf diese Weise würde schon Kindern und Jugendlichen Einblicke in handwerkliche Berufe ermöglicht. "Sie könnten so ihre Interessen und Fähigkeiten entdecken und weiterentwickeln", sagt Zarth. Nicht nur Jungen, sondern auch Mädchen.

Mehr Frauen für Handwerksberufe zu gewinnen, sei aus mehreren Gründen wichtig: Neben der Chancengleichheit spiele auch der wirtschaftliche Aspekt eine Rolle. Denn der Fachkräftemangel werde immer dringlicher. "Jede zupackende Hand wird gebraucht, um Berlin am Laufen zu halten", sagt die Handwerkskammerpräsidentin.

Angelina Hein muss sie davon nicht überzeugen. Sie hämmert, dreht, schraubt. Es ist ihr Traumjob. Und eines Tages, sagt sie, wird sie vielleicht sogar Meisterin sein.

Auf Youtube anschauen: Mehr Frauen braucht das Handwerk – aber wie?

Sendung: rbb24 Abendschau, 15.10.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Anja Herr

Kommentar

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88 Kommentare

  1. 88.

    Solche Betriebe werden es in Zukunft schwer haben,dann am meisten jammern,in der Hauptstadt ist das Heute schon der Fall.Zumal das Gefälle zum Westen Nachmieter besteht und das nicht zu knapp.Wer Jung und ungebunden ist geht dahin wohin man mehr verdient.Hilft später auch bei den Rentenpunkten,auch wenn man dann wie ich zurücksiedelt.

  2. 87.

    Ihre ,,Profis“ sind aber nicht unabhängig, sie entscheiden immer für die ,,Arbeitgeber“! Die sind indiskutabel! Die höheren Löhne muß man im Verbund mit den Gewerkschaften schon selbst erkämpfen!

  3. 85.

    Gewinne ist das Zeug nach Steuern, wenn alle bezahlt wurden. Aktieninhaber bekommen dieses Geld und besteuern es unterhalb dessen was die Arbeitnehmer zahlen müssen. Das ist Geld abschöpfen auf dem Rücken der Arbeitnehmer. Wenn wir solche Unternehmen noch mit Steuerzuschüssen fördern bzw denen die Kosten erlassen und ihre Arbeiter finanzieren ist das einfach nur Umverteilung nach oben Trickle-Up-Economy. Die "Profis" in der Mindestlohnkommission haben immer den Aktienmarkt mit im Auge, da die Aktionäre nur eins fordern ... mehr ... noch mehr .. viel mehr. Der Arbeitnehmer bleibt auf der Strecke.
    Aber ihr Einlass zur Bildung zeigt schon wie verschoben diese Welt ist. Gebäude, die seit über 100 Jahren stehen brauchen auch immer eine Reinigungskraft, also könnte eine dort angestellte Reinigungskraft theoretisch bis zur Rente arbeiten und es ist kein leichter Job. Der Job wird älter als die Menschen, aber nachhaltig bezahlen ... och nö ... will keiner. Nur 1 von 1000 Beispielen.

  4. 84.

    Der Mindestlohn scheint eine Größe zu haben, bei der letztendlich ALLE einmal „landen“ sollen... Wenn es nach „Zuteilideolog:innen“ gehen würde. Dem kann man nir entgegenhalten und entkommen:
    1. Durch ein Demokratie in sozialer Marktwirtschaft statt „Zuteidiktatur“ und
    2. Durch Bildung, denn der Mindestlohn ist nicht erstrebenswert.
    Es wird keinen „Gehaltsgott“ geben, der einem das Kümmern um Lohnhöhen abnimmt. Das muss man schon selber machen... Wer glaubt, Politiker „für sich arbeiten zu lassen“ statt sich in einer Interessenvertretung zu engagieren, der ist in einer Demokratie falsch aufgehoben.

  5. 83.

    Sind Sie sich sicher? Ich kenne Handwerksbetriebe in Brandenburg, die ihren fachlichversierten Gesellinnen und Gesellen nur den Mindestlohn bezahlen und davon auch nicht abweichen.

  6. 82.

    Nicht Mindestlöhne sind interessant,denn die die sind für ungelernte Kräfte.Bei einem Facharbeiter,geht es direkt nach der Lehre mit einem Eckllohn aus,der weit höher liegt. Das wird nur gerne verschwiegen und wer ist am Anfang seiner Handwerkerlaufbahn oder ueberhaupt in einer vernünftigen Gewerkschaft,wie der IGM .

  7. 81.

    Gewinne sind etwas Gutes... Sie ahnen warum? Sonst könnte man „abschließen“.
    Profis sind alle in der Mindestlohntarifkommission. Die wissen wovon sie reden. Ihnen traue ich da weniger Kompetenzen zu.... wer was bekommen darf. Das liegt an Ihrer Art und Weise der Formulierungen...
    „Schiedsrichter“ braucht es so eher nicht.

  8. 80.

    Gewinne sind etwas Gutes... Sie ahnen warum? Sonst könnte man „abschließen“.
    Profis sind alle in der Mindestlohntarifkommission. Die wissen wovon sie reden. Ihnen traue ich da weniger Kompetenzen zu.... wer was bekommen darf. Das liegt an Ihrer Art und Weise der Formulierungen...
    „Schiedsrichter“ braucht es so eher nicht.

  9. 79.

    "Es mag auch Ausnahmen geben aber die sind extrem selten und nur zu finden wenn die Frau des Chef das Büro leitet."
    Auch so'n Vorurteil. Schon mal was von 'ner Chefin gehört?

  10. 78.

    Gewichtheber wird zusammen geschrieben! Und was Sie schreiben ist grober Unfug! Der Mindestlohn wird steigen auf mind. 18,-Euro! Mir egal, ob Sie dann für die Friseuse mehr bezahlen!

  11. 77.

    Genau! In dieser Mindestlohnkommission sitz ein ganz bekannter Blockierer. Es ist Hr. Kampeter, der ständig gegen höhere Mindestlöhne polemisiert und sogar warnt! er steht auf der Arbeitgeberseite und nimmt den Menschen ihr Recht auf gerechten Lohn! Den Menschen, die die Leistungsträger sind!

  12. 75.

    Was die Mindestlohnkommission nicht erreicht zahlt der Steuerzahler drauf. Wie geschrieben braucht es ein Minimum an Geld um in diesem Land zu überleben und die, die Arbeiten, sollten mehr bekommen als die, die auf Notversorgung angewiesen sind.
    Der Mindestlohn hinkt noch weit hinter dem Anspruch einer Gesellschaftsteilnahme und Altersvorsorge hinterher, obwohl die Menschen 40Stunden+ pro Woche arbeiten.
    "Dies ist Sache der Profis, nicht Sache der Ideologen."
    Was für Profis? Meinen sie die Gewinnmaximierer auf Kosten der Gesellschaft? Alle sind Ideologen. Selbst "Unideologisch" ist eine Ideologie. Schauen sie das Wort ruhig mal nach in seiner Bedeutung.
    Wo soll sich Arbeit eigentlich lohnen, wenn wir schon bei der Vollzeitarbeit den Leuten noch den Gang zum Amt zumuten damit sie überhaupt ihr Leben finanzieren können? Den Ausgleich zahlen wir alle über unsere Steuern und der Arbeitgeber macht trotzdem Gewinn.

  13. 74.

    „Was der Artikel ausspart, ist, dass unter den rund 2/3 der gesamten Beschäftigungen Arbeitsverhältnisse im Dienstleistungssektor vorliegen - und die werden zu großen Teilen unterhalb der Produktivität bezahlt.“
    Das ist logisch und preisrelevant. Werte müssen geschaffen werden... und dann gekauft. Pflegekosten können nicht noch mehr steigen... oder der Friseur. Und in einer Demokratie bestimmen die Tarifparteien. In einer Diktatur nicht...Ich ahne, was Sie wollen.. ohne Mehrheiten.

  14. 73.

    Was die Mindestlohnkommission nicht erreicht zahlt der Steuerzahler drauf. Wie geschrieben braucht es ein Minimum an Geld um in diesem Land zu überleben und die, die Arbeiten, sollten mehr bekommen als die, die auf Notversorgung angewiesen sind.
    Der Mindestlohn hinkt noch weit hinter dem Anspruch einer Gesellschaftsteilnahme und Altersvorsorge hinterher, obwohl die Menschen 40Stunden+ pro Woche arbeiten.
    "Dies ist Sache der Profis, nicht Sache der Ideologen."
    Was für Profis? Meinen sie die Gewinnmaximierer auf Kosten der Gesellschaft? Alle sind Ideologen und am schlimmsten sie die, die das Wort andauernd benutzen um andere damit zu bezeichnen. Schauen sie das Wort ruhig mal nach in seiner Bedeutung.
    Wo soll sich Arbeit eigentlich lohnen, wenn wir schon bei der Vollzeitarbeit den Leuten noch den Gang zum Amt zumuten damit sie überhaupt ihr Leben finanzieren können? Den Ausgleich zahlen wir alle über unsere Steuern und der Arbeitgeber macht trotzdem Gewinn.

  15. 72.

    "Erneuern Motor und Getriebe" klingt sehr nachhaltig. Ironie ik hör dir trapsen. Früher war fast alles reparierbar und wurde repariert, das hier klingt nach Kompletttausch. Egal ob durch Frauen oder Männer das ist irgendwie nicht richtig.

  16. 71.

    „Mindestlohn ist für sie auch "Planwirtschaft"?“
    Nein, wenn die Tarifkommission diesen festlegt, Ja, wenn „Herr Heil“ das macht...
    Dies ist Sache der Profis, nicht Sache der Ideologen. Ich denke, Sie wollen auch keine „Sachbearbeiterzuteildiktatur“ für Löhne und Wohnraum?

  17. 70.

    „Mindestlohn ist für sie auch "Planwirtschaft"?“
    Nein, wenn die Tarifkommission diesen festlegt, Ja, wenn „Herr Heil“ das macht...
    Dies ist Sache der Profis, nicht Sache der Ideologen. Ich denke, Sie wollen auch keine „Sachbearbeiterzuteildiktatur“ für Löhne und Wohnraum?

  18. 69.

    Nö, am Ende sind die jetzigen Jugendlichen die Alten und reden über die dann Jugendlichen denselben Unfug. Blicke zurück und Du weißt, was kommen wird. Leider wird dieser Generationenkonflikt immer weiter und wieder befeuert. Man kann für sich selbst damit aufhören. Mir sind Alter und Geschlecht eines Menschen schnuppe. Ich unterscheide in sympathisch und unsympathisch. Der Umgang mit Unsymphaten ist Zeitverschwendung, erlasse ich den Profis.

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