Selbstständigkeit - Handwerk und Familie - wie lässt sich das für Frauen vereinen?
Karolin Werkmeister ist selbstständige Sattlermeisterin und alleinerziehende Mutter. Wie viele Unternehmerinnen mit Kindern, fühlt sie sich nicht ausreichend unterstützt. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat konkrete Lösungsideen. Von Sophie Goldau
Schon mit 16 Jahren war sich Karolin Werkmeister sicher: Sie wollte Sattlerin werden. Ihre Eltern hätten ein Reitsportgeschäft und Pferde gehabt, erzählt sie. Um Geld zu sparen, habe sie irgendwann angefangen die Reitausrüstung in ihrem Zimmer mit Haushaltsnadeln zu reparieren. "Bis meine Mutter auf die Idee kam, es gibt doch da bestimmtes Werkzeug und da gibt es sogar einen Beruf", erinnert sie sich.
Das Werkzeug hängt mittlerweile an der Wand in ihrer Werkstatt – vor 12 Jahren gründete sie ihre eigene Sattlerei in Schwedt (Uckermark). Ihr Tagesgeschäft ist vor allem der Sattel-TÜV: Sie überprüft, ob gebrauchte Sättel noch zu gebrauchen sind und bessert nach, wo es hapert. Der Beruf erfordert Verantwortungsbewusstsein: Ein nicht passender oder falsch eingestellter Sattel kann die Gesundheit von Pferd und Reiter gefährden.
Hochschwanger in der Werkstatt
Karolin Werkmeister hebt einen Sattel vom Bock auf ihre Arbeitsplatte. Der Sattel gehört zu einem Pony - Werkmeister war vor Ort, hat sich genau angesehen, wie sich das Tier unter dem Sattel beim Reiten bewegt. Sie hat erkannt, dass die Wolle nicht richtig verteilt ist. Jetzt zupft sie die Nähte aus dem Leder und fängt an, die Wolle mit einer langen Nadel herauszuziehen.
Werkmeister ist zugleich Chefin und alleinige Mitarbeiterin – zumindest fast. Tochter Helena kommt gerne so oft es geht mit. Das Sattler-Handwerk wurde der 10-Jährigen quasi in die Wiege gelegt. Karolin Werkmeister stand noch in der Werkstatt, als sie bereits im neunten Monat schwanger war. Eine Wahl hatte sie nicht wirklich: "Relativ schnell nach der Geburt ist sie dann auch mitgekommen in die Werkstatt. Es ging einfach nicht anders."
Wirtschaftliche Nachteile durch Schwangerschaft
Als Selbstständige fällt sie nicht unter die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes. Schwangere Arbeitnehmerinnen haben ein Recht auf Mutterschutzgeld - bei Unternehmerinnen ist das komplizierter. Sie bekommen höchstens ein Krankentagegeld, und das nur unter bestimmten Bedingungen und mit der richtigen Zusatzversicherung. Karolin Werkmeister stand lediglich eine einmalige Zahlung von 210 Euro zu. Dank ihres damaligen Partners konnte sie den Betrieb vor der Schließung bewahren.
Mit ihren Erfahrungen ist Werkmeister nicht allein: In einer Umfrage des Bündnisses "Mutterschutz für alle" gaben über 80 Prozent der befragten Unternehmerinnen an, wirtschaftliche Nachteile durch ihre Schwangerschaft erlitten zu haben.
Zentralverband des Deutschen Handwerks schlägt Betriebshilfen vor
Geschäftsführer Karl-Sebastian Schulte vom Zentralverband des Deutschen Handwerks will, dass die Politik überprüft, welche Angebote wirklich zur Lebensrealität von Selbstständigen passen: "Wir würden uns wünschen, dass noch in dieser Legislaturperiode zumindest die Dinge, die nicht so kompliziert sind, etwa wie berechnet man Elterngeld für Selbstständige auf den Weg gebracht werden", sagte Schulte dem rbb.
Er schlägt vor, Betriebshilfen einzuführen, wie es sie schon in der Landwirtschaft gibt. Die Krankenversicherung bezahlt solche Hilfen, wenn ein Unternehmer arbeitsunfähig und der Betrieb deswegen gefährdet ist. Schulte räumt ein, dass das wegen des Fachkräftemangels zwar nicht leicht umzusetzen, aber zumindest einen Versuch wert wäre.
Für Werkmeister wäre das eine Hilfe. Sie erzieht ihre Tochter mittlerweile allein und muss jeden Tag Selbstständigkeit und Muttersein unter einen Hut bekommen. Die Liebe zu ihrem Beruf lässt sie die Herausforderungen der Selbständigkeit meistern: "Jetzt fasziniert mich daran auch diese Haptik, das Leder, der Geruch. Aber vor allem, dass ich dem Pferd damit helfen kann."
Sendung: Antenne Brandenburg, 20.08.2024, 15 Uhr