Berlin-Moabit - Streit um Trostfrauen-Statue spitzt sich international zu
Der Berliner Bezirk Mitte fordert, die Statue zum Thema Zwangsprostitution koreanischer Frauen im Zweiten Weltkrieg abzubauen. Dagegen gibt es seit langem Protest. Nun drohen auch diplomatische Verstimmungen. Von Fabian Grieger und Linh Tran
Seit vier Jahren steht die Friedensstatue "Ari" auf dem Unionplatz in Berlin-Moabit. Sie erinnert an die Militär-"Trostfrauen" – ein beschönigender Begriff für Frauen vor allem aus Korea und China, die von der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg zur Prostitution gezwungen wurden. Bis zu 200.000 Frauen wurden in sogenannte Troststationen verschleppt und dort teils mehrmals am Tag vergewaltigt, viele von ihnen waren minderjährig.
Japan nimmt Einfluss auf die Erinnerungspolitik
Doch die japanische Regierung will nicht, dass mit der Statue an die Verbrechen erinnert wird. Auf Anfrage von rbb24 Recherche verweist die japanische Botschaft auf eine Vereinbarung zwischen Südkorea und Japan von 2015. Japan sagte zu, sich öffentlich für die Verbrechen an den "Trostfrauen" zu entschuldigen und 7,6 Millionen Euro an die Betroffenen zu zahlen. Im Gegenzug sollte eine "Trostfrauen"-Statue direkt vor der japanischen Botschaft in Seoul abgebaut werden. Betroffenen-Organisationen lehnten den Deal ab, das Denkmal blieb stehen.
Die japanische Regierung lässt seither kaum eine Gelegenheit aus, von deutschen Entscheidungsträgern auch den Abbau der Statue in Berlin zu fordern. Als der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) im Mai dieses Jahres nach Japan reiste, ging es im Gespräch mit der Außenministerin nicht nur um die Städtepartnerschaft mit Tokio und eine Investition von Mitsubishi in Tegel, sondern auch um die "Trostfrauen"-Statue in Moabit. Im Anschluss erklärte Wegner per Pressemitteilung, die Darstellung sei "einseitig". Es müsse Veränderungen bei der Statue geben.
Im August hatte rbb24 Recherche berichtet, wie Wegner Einfluss nahm, damit ein Bildungsprojekt des Korea Verbands nicht mit Senatsgeldern gefördert wird. Dagegen will der Korea Verband nun juristisch vorgehen.
Nun soll der Korea Verband, der die Statue initiiert hat, sie wieder abbauen. Das hat der Bezirk Mitte mitgeteilt. Für Nataly Han vom Korea Verband wäre das erinnerungspolitisch ein fatales Zeichen. Lange schwiegen die betroffenen Militär-"Trostfrauen" über ihr Leid – auch wegen der drohenden Stigmatisierung in ihren Heimatländern. Die Statue entstand aus einer transnationalen Bewegung, die von den Opfern initiiert wurde. Daher sagt Nataly Han: "Die Friedenstatue stellt den Mut der Überlebenden dar. In Kriegs- oder auch in Friedenszeiten erfahren Frauen wie auch Männer sexualisierte Gewalt, aber es ist wichtig, dass die Betroffenen das Schweigen und das Tabu brechen können."
Bezirk Mitte verweist auf juristische Zwänge
Diejenige, die jetzt den Abbau durchsetzen will, hat sich noch bis zum vergangenen Jahr für den Erhalt der Statue stark gemacht: Stefanie Remlinger, grüne Bezirksbürgermeisterin des Bezirks Mitte: "Man ist als Entscheidungsträgerin manchmal in der paradoxen Lage, etwas durchsetzen zu müssen, was man selber nicht gut findet."
Dass sie dabei dem Druck des Regierenden Bürgermeisters nachgebe, weist sie zurück. "Die Äußerungen von Herrn Wegner nach seiner Japanreise waren überhaupt nicht hilfreich, weil das verständlicherweise bei den Leuten den Eindruck erweckt, hier hätte ich ein Kommando bekommen von der Senatskanzlei", sagt Remlinger. Das sei aber nicht der Fall. Vielmehr laufe gerade die Duldung für die Skulptur aus.
Die grüne Bezirksbürgermeisterin sagt, die Standzeit der Statue weiter zu verlängern – wie es die Bezirksverordnetenversammlung in mehreren Beschlüssen fordert – scheitere an juristischen Gründen. Im Bezirk Mitte dürfen Kunstwerke im öffentlichen Raum maximal zwei Jahre stehen, wenn sie nicht aus einem Wettbewerb hervorgegangen sind. Die Friedensstatue steht nun schon doppelt so lange. Schon die Duldung bis heute sei rechtswidrig.
Dabei ist die juristische Lage kompliziert. Weil es keine eindeutige Grundlage gibt, müsse man sich an der bisherigen Handhabe orientieren, argumentiert Remlinger: "Wir haben in Mitte sehr viele Anträge für Kunst im öffentlichen Straßenraum und die haben immer nur eine temporäre Genehmigung." Das Prinzip der zeitlichen Beschränkung halte sie hoch, so dass der öffentliche Raum immer wieder neuen Kunstwerken zur Verfügung stehe. Wenn die Friedensstatue länger bleibt, hat sie Sorge, dass auch weitere Kunstprojekte Ansprüche stellen könnten. "Dann würden alle sagen, sie wollen das, was die Friedensstatue bekommen hat."
Die Fachkommission für Kunst am Bau und im Stadtraum (KIST) des Bezirks Mitte hatte die Zwei-Jahres-Regel im Juni auf Anraten ihrer Vorsitzenden Remlinger in einer Sondersitzung bestätigt. Einzelne Mitglieder vermuteten dahinter eine Strategie, um den Abbau der Friedensstatue vorzubereiten. Andere widersprechen: Eine solche Regel sei fair.
Ausnahmen weichen die Regel auf
Dabei hat es auch in der Vergangenheit Ausnahmen im Bezirk Mitte gegeben. Für ein Kunstwerk, das an die im Krieg zerstörte Bethlehemskirche erinnert, erreichte ein Unterstützerkreis eine Genehmigung von zehn Jahren. Das Kunstobjekt wurde sogar öffentlich gefördert. Das Bezirksamt hat bisher keine Liste geführt, in der die Kunstwerke und ihre Genehmigungszeiten verzeichnet sind. Ob einige einst temporäre Kunstwerke unter dem Radar dauerhaft geworden sind, ist derzeit nicht ermittelbar.
Der ebenfalls grün geführte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg kommt im Gegensatz zum Nachbarbezirk Mitte zu der Einschätzung, dass eine Verstetigung temporärer Kunst rechtlich kein Problem ist.
Im Bezirk Steglitz-Zehlendorf beschloss der Kunstausschuss auf Initiative der Grünen, die Friedensstatue zu übernehmen, falls Mitte sie wirklich abbaut. Doch ein Umzug ist für Nataly Han vom Korea Verband nur schwer vorstellbar. Wenige Meter von der Statue entfernt betreibt der Verband ein Museum zur Geschichte der Militärtrostfrauen: "Wir haben den Standort gewählt, weil er in der Nähe von unserem Museum ist und wenn die Statue nicht da ist, können wir nicht arbeiten. Die Statue wird ja intensiv von uns gepflegt."
Eine weitere Möglichkeit zum Erhalt der Statue wäre die Ausschreibung eines Wettbewerbs durch den Bezirk Mitte, an dem die Friedensstatue dann teilnehmen kann. Doch ein Wettbewerb wäre mit immensen Kosten verbunden und die Bezirkskassen sind knapp.
Anab Awale, Bezirksverordnete der SPD, ärgert die Argumentation der Bezirksbürgermeisterin: "Ich finde das sehr schade, dass das Bezirksamt sich hinter bürokratischen Argumenten zurückzieht und ich finde, das ist ein Indiz dafür, dass man sich dahinter versteckt, weil der politische Wille fehlt."
In der Nachbarschaft ist die Friedensstatue beliebt. Der Korea Verband hat in kurzer Zeit mehr als 3.000 Unterschriften für den Verbleib gesammelt.
Anab Awale wünscht sich, dass dieses zivilgesellschaftliche Engagement belohnt wird: "Besser kann man sich das eigentlich gar nicht wünschen in so einer Kommune. Und dann kommt jetzt von oben einfach dieses Nein, das wird jetzt abgebaut."
Internationaler Besuch im Bezirksamt
Bezirksbürgermeisterin Remlinger steht zwischen den Fronten. Mit ihrem jetzigen Vorgehen richtet sie sich gegen den BVV-Beschluss, Teile ihrer Partei und eine organisierte Unterstützer*innenschaft, die im forcierten Abbau eines feministischen Kunstwerks einen Affront sieht. Auf der anderen Seite steht der Berliner Senat und der Regierende Bürgermeister sowie die japanische Regierung, die über ihren Botschafter schon mehrfach im Bezirksamt vorstellig geworden ist. Auch ein möglicher Abbruch der Städtepartnerschaft Berlins mit Tokio soll nach Informationen von rbb24 Recherche thematisiert worden sein, für den Fall, dass die Statue bleibt. Die japanische Botschaft bestreitet das auf Anfrage.
Nach Informationen von rbb24 Recherche hat es schließlich auch ein Treffen der Bezirksbürgermeisterin mit südkoreanischen Oppositionellen gegeben, die bei einem Abbau der Statue damit drohten, sich als Abgeordnete für ein Ende der Ukraine-Hilfen aus Südkorea einzusetzen.
Anmerkung: Nach Veröffentlichung dieses Artikels meldete sich die koreanische Botschaft und dementiert den Vorgang. Sie schreibt: "Die Berichterstattung über die Drohungen der Abgeordneten bezüglich der Ukraine-Hilfe entsprechen in keiner Weise den Tatsachen". Deutschland und Korea hätten ähnliche sicherheitspolitische Interessen, die Unterstützung der Ukraine-Hilfe sei nicht in Frage gestellt worden. Die Informanten von rbb24 Recherche bleiben auf Nachfrage bei ihrer Darstellung.
Bezirksbürgermeisterin wehrt sich gegen Vorwürfe der Einflussnahme
Stefanie Remlinger reicht es jetzt mit den diplomatischen Besuchen. "Ich habe in der Vergangenheit aus Höflichkeit sowohl die eine als auch die andere Seite getroffen, habe versucht ihnen zu erläutern, dass wir nicht Außenpolitik machen als Bezirk Mitte und ich habe zuletzt auch vermehrt darauf hingewiesen, dass ich diesen Versuch der Einmischung unangemessen finde."
Sie will verhindern, dass der Eindruck entsteht, sie handele wegen des internationalen Drucks und will sowohl der Senatskanzlei als auch dem Auswärtigen Amt schreiben, dass "ich es unangemessen finde, von ausländischen Diplomaten, Parlamentariern in dieser Weise unter Druck gesetzt" zu werden. Remlinger setzt nun auf ein bundesweites, übergeordnetes, dauerhaftes Denkmal, das sexualisierte Gewalt im Allgemeinen in Kriegen thematisiert, ohne einen konkreten Fall in den Vordergrund zu stellen.
Ein erster Schritt ist gemacht, im nächsten Jahr soll es eine bundesweite Konferenz geben und eine Expertenkommission soll eingerichtet werden, um ein solches Denkmal vorzubereiten. Aktuell liegt dem Bezirk Mitte ein Antrag für ein anderes übergeordnetes Denkmal einer britischen Künstlerin vor, das in der Kunstkommission aber auch für Diskussionen [nd-aktuell.de] gesorgt hat.
Nataly Han vom Korea Verband sieht in den Plänen für ein übergeordnetes Denkmal die Gefahr, dass das Thema verwässert wird. "Viele Frauen, die selber betroffen sind, fühlen sich angesprochen und erzählen von ihrer eigenen Gewalterfahrung oder von ihren Eltern und Großeltern." Auch armenische oder jesidische Gruppen nutzen die "Ari"-Statue, um auf sexualisierte Gewalt in verschiedenen Kriegen aufmerksam zu machen.
Solange aber nimmt der Zeitdruck zu: Zum 28. September soll der Korea Verband die Statue abbauen, falls sich nicht in letzter Minute ein Kompromiss findet: Die Bezirksbürgermeisterin will nun den Korea Verband zu einem Gespräch einladen, um über die Möglichkeit eines Umzugs der Statue auf eine Privatfläche, zum Beispiel vor einer Kirche, zu sprechen. Nataly Han ist gesprächsbereit, doch sie beklagt einen falschen Ansatz: Der deutsche Staat stehle sich so aus der Verantwortung und der internationale Druck würde auf eine Privatperson abgewälzt.
Sendung: rbb24 Abendschau, 18.09.2024, 19:30 Uhr
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