Verlag macht Geschäft - Brandenburg verscherbelt alte Abitur-Prüfungen - für Schüler kann das teuer werden

Fr 21.04.23 | 21:13 Uhr | Von Andreas B. Hewel
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Symbolbild: Schüler sitzen während der Abiturprüfung auf ihren Plätzen. (Quelle: dpa/Sebastian Kahnert)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 21.04.2023 | Thomas Bittner | Bild: dpa/Sebastian Kahnert

Brandenburger Schüler können alte Abiturprüfungen nur von einem Verlag kaufen. Der Verlag selbst kann die alten Prüfungen sehr günstig vom Land erwerben. Das Online-Portal "Frag den Staat" kämpft darum, sie für alle freizugeben. Von Andreas B. Hewel

Ab Montag ist es wieder so weit. "Ruhe, Abitur", heißt es dann auf vielen Fluren in Brandenburger Gymnasien und Gesamtschulen. 10.500 Schülerinnen und Schüler werden in diesem Jahr ihre Abiturprüfungen ablegen. Viele von ihnen bereiten sich dafür zusätzlich zum Schulunterricht mit den Prüfungsaufgaben der vergangenen Jahre auf ihre Abiturklausuren vor.

Diese alten Prüfungen allerdings stehen ihnen nicht kostenlos zur Verfügung. Sie müssen gekauft werden.

Bildungsgerechtigkeit umstritten

Der Stark-Verlag hat sich darauf spezialisiert, diese Prüfungen als Buch herauszugeben. Für 14,95 Euro können Schülerinnen und Schüler sie erwerben - pro Prüfungsfach versteht sich. Ein überschaubarer Betrag, doch bei mehreren Prüfungsfächern verdreifacht oder vervierfacht er sich. Für Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Elternhäusern kann das schnell zu viel werden.

Das will das Online-Portal "Frag den Staat" zusammen mit einer anderen großen Wissensplattform nicht mehr hinnehmen. Für sie ist es eine Frage der Bildungsgerechtigkeit. "Wir fordern mit Wikimedia Deutschland, dass die Prüfungen veröffentlicht werden, damit sie allen Schülerinnen und Schülern zu Lernzwecken zur Verfügung stehen und nicht nur denen, die die finanziellen Mittel dazu haben", betont Max Kronmüller von "Frag den Staat". "Dazu sollten die Länder die Aufgaben online einfach allen zur Verfügung stellen."

Trotz der Kosten, die Bücher mit den alten Prüfungsaufgaben sind der Renner. "Gerade diese Hefte und diese Altklausuren sind eine perfekte Vorbereitung für die Prüfungen, weil es eben alte Prüfungen sind und wir uns sehr viel besser darauf vorbereiten können, was uns überhaupt erwartet", lobt Paula Baumgarten vom Landesschülerrat die Bücher. Sie macht selbst gerade Abitur und kennt die Bücher. "Gerade deshalb", so Baumgarten weiter, "sind eben viele Schülerinnen und Schüler hinterher, auch diese Hefte zu bekommen und schaffen sie sich auch an."

Bücherausgabe hat einen deutlichen Mehrwert

Der Stark-Verlag weiß um diesen Trumpf. Ausdrücklich wirbt er damit, dass es sich bei den Vorbereitungstests in den Büchern um Originalprüfungen der vergangenen Jahre handelt. Die Bücher des Verlags allerdings gehen deutlich über die alten Prüfungsaufgaben hinaus. So gibt es zu allen Aufgaben ausführliche Lösungen und Tipps zu Lösungsansätzen. Bei Sprachen wird eben mal eine Kurzgrammatik mitgeliefert, und es gibt zusätzliche Online-Hilfen mit interaktivem Training.

Diesen Mehrwert des Buches will auch Max Kronmüller nicht in Frage stellen. "Es ist auch okay, wenn es ein Zusatzangebot ist, das für Schülerinnen und Schüler bereitsteht. Und wenn sich Schülerinnen und Schüler frei dafür entscheiden, dafür Geld auszugeben, ist das auch okay." Der Haken sei ein anderer, sagt Kronmüller. "Diese alten Klausuren sind so eine gute Quelle zur Vorbereitung. Wer die nicht nutzt, ist im Nachteil. Und momentan können nur die aus diesem Nachteil herauskommen, die auch das Geld dazu haben."

Bildungsministerium verweist auf den Schulunterricht

Diesen Vorwurf aber will das Brandenburger Bildungsministerium nicht auf sich sitzen lassen. "Brandenburg verfolgt das Ziel der Bildungsgerechtigkeit unabhängig von der sozialen Herkunft", heißt es aus dem SPD-geführten Ministerium. Das gelte selbstverständlich auch für die Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen. Ausdrücklich verweist man dabei auf die Schulen selbst. "Diese Vorbereitung erfolgt durch die im Unterricht von Lehrkräften vermittelten Inhalte. Sofern Schülerinnen und Schüler weitere Materialien zusätzlich zu Prüfungsvorbereitung erwerben wollen, ist es deren freie Entscheidung", so das Ministerium in einer schriftlichen Erklärung auf rbb-Anfrage weiter.

Dass der Schulunterricht allein ausreiche für die Vorbereitung zu den Abiturprüfungen, sieht Paula Baumgarten vom Landesschülerrat nicht. "Der Lehrplan ist so voll", sagt sie, "dass man in der Schule den Fokus erstmal darauf legt, das Inhaltliche zu vermitteln. Und die ganze Übungssituation, sich auf die Prüfung vorzubereiten, geschieht dann eben individuell in der Freizeit und nach dem Unterricht."

Prüfungsaufgaben zum Niedrigpreispreis

Große Gewinne jedenfalls macht das Bildungsministerium mit dem Verkauf der Prüfungsaufgaben nicht. Eine Gebühr von 200 Euro pro Prüfungsfach und Jahr muss der Stark-Verlag dem Ministerium entrichten. Eine sehr überschaubare Summe für das Unternehmen, macht es doch damit einen Millionen-Umsatz.

Warum aber alte Prüfungsaufgaben nicht einfach frei zugänglich ins Internet gestellt werden, hat für das Ministerium einen anderen Grund. Man verweist darauf, dass Prüfungsaufgaben auch Fremdtexte enthalten können oder Abbildungen. Bei diesen gelte es, Vervielfältigungsrechte oder Urheberrechte zu berücksichtigen, wenn man sie veröffentlicht.

Andere Bundesländer aber sehen diese Probleme nicht. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind die alten Abiprüfungsaufgaben frei im Internet abrufbar. Ein prinzipielles Hindernis also scheint es nicht zu geben.

Portale machen Druck

Die Online-Plattform "Frag den Staat" und Wikimedia wollen jetzt nicht mehr warten. Was für den Stark-Verlag gelte, müsse auch ihnen möglich sein. "Wir versuchen jetzt auch ähnliche Verträge mit den Ministerien zu schließen", sagt Max Kronmüller. "Für Berlin und Brandenburg wollen wir Zugangsrechte für die alten Klausuren haben, damit wir diese dann einfach und kostenlos im Internet zur Verfügung stellen können." Das Land aber sieht Kronmüller dennoch in der Pflicht. "Es ist irritierend, dass das zwei Nichtregierungsorganisationen nebenbei in einer Kampagne machen. Das ist eigentlich eine staatliche Aufgabe."

Noch aber gibt es die einstigen Abiturprüfungsaufgaben nur beim Stark-Verlag. Das ist eine Monopolsituation für den Verlag. Im kommenden Jahr jedenfalls, das kann man schon jetzt auf ihrer Homepage nachlesen, werden die Preise für die Prüfungsbücher steigen. Von derzeit 14,95 Euro pro Buch klettern sie dann auf 18,95 Euro, ein Plus von knapp 27 Prozent.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 21.04.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Andreas B. Hewel

35 Kommentare

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  1. 35.

    Der Stark Verlag ist keine kleine brandenburger Firma, sondern eines der größten Unternehmen im Lehr- und Lernmittelbereich mit Sitz in München. Zudem gehört er der britischen, aber international arbeitenden Pearson-Mediengruppe an. Diesem Unternehmen alle Unterlagen gegen eine Gebühr von 200 Euro pro Fach und Jahr zu überlassen, ist einfach aberwitzig.

  2. 34.

    Damit wollen Sie mir jetzt was genau sagen?

    Ja, ich kann Geld ausgeben, ohne vorher den Kontostand checken zu müssen. Andere können es nicht. Daher wird auch geteilt und gespendet, wie ich schrieb.

  3. 33.

    Sie lesen richtig, das riecht gewaltig nach Korruption, zumindest sollte man ermitteln ob da wer die Hand aufgehalten hat.

  4. 32.

    Lesen sie doch einfach den Artikel statt hier Plattitüden zu verbreiten!

    "Eine Gebühr von 200 Euro pro Prüfungsfach und Jahr muss der Stark-Verlag dem Ministerium entrichten. Eine sehr überschaubare Summe für das Unternehmen, macht es doch damit einen Millionen-Umsatz."

    Das ist Verschwendung, nein, das ist Mißbrauch von Steuergeldern!

  5. 31.

    Auch Privatunternehmen sind von steigenden Preisen betroffen, müssen ihren Mitarbeiter höhere Löhne zahlen ect.
    Von "dumm und dämlich verdienen" können momentan verschiedene Branchen nur träumen.
    Oder warum steigt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen?

  6. 30.

    Moment! Verstehe ich das richtig? Die Aufgaben sind letztendlich mit Steuermitteln erstellt und ein privater Verlag macht daraus ein lukratives Geschäft? Ich schätze, da hat der Bürger noch ein Wort mitzureden. In meinem Verständnis sind die Aufgaben geistiges Eigentum der Öffentlichkeit und müssen kostenfrei abgegeben werden.

  7. 29.

    Logisch, Brandenburg muß ausgleichen, was man vorher für einen Appel und ein Ei verscherbelt hatte damit sich ein Privatunternehmen dumm und dämlich verdienen kann.

    Klingt eher nach FDP, statt sPD. Leider keine Ironie.

  8. 27.

    "Ich habe die 45 Euro für Deutsch, Englisch und Mathe sehr gern ausgegeben."

    Schön. Nur manch einer hat die 45 € nicht.

  9. 26.

    @ Arnold: Wenn wir die Brieftaschen der Eltern entscheiden lassen, wer studieren oder den Meister machen darf, entgeht unserer Gesellschaft unglaublich viel Potential - wenn man sich anschaut, was "Arbeiterkinder" in der Vergangenheit so alles entdeckt und geleistet haben, wird schnell klar, dass wir auch im eigenen Interesse gut daran täten, wirklich allen die Möglichkeit zu geben, sich im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Neigungen voll zu entwickeln. Auch in die andere Richtung funktioniert das übrigens: auch in Haushalten mit hohem Einkommen gibt es durchaus Menschen, die mit viel Geld, Aufwand und Stress in Positionen gedrängt werden, in denen sie nicht nur ineffektiv, sondern auch noch unglücklich sind.

  10. 25.

    Wenn wir die Brieftaschen der Eltern entscheiden lassen, wer studieren oder den Meister machen darf, entgeht unserer Gesellschaft unglaublich viel Potential - wenn man sich anschaut, was "Arbeiterkinder" in der Vergangenheit so alles entdeckt und geleistet haben, wird schnell klar, dass wir auch im eigenen Interesse gut daran täten, wirklich allen die Möglichkeit zu geben, sich im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Neigungen voll zu entwickeln. Auch in die andere Richtung funktioniert das übrigens: auch in Haushalten mit hohem Einkommen gibt es durchaus Menschen, die mit viel Geld, Aufwand und Stress in Positionen gedrängt werden, in denen sie nicht nur ineffektiv, sondern auch noch unglücklich sind.

  11. 24.

    Diese Methode kenne ich auch und würde die als die einzig sinnvolle betrachten.

  12. 23.

    Vor gut 45 Jahren als ich in der alten BRD mein Abi machte war die gesamte Jahrgangsstufe 13.1 der Vorbereitung auf das Abitur gewidmet. Der relevante Stoff wurde nochmals wiederholt und es wurden Probeklausuren im Format der Abituraufgaben geschrieben. Soweit ich mich erinnere waren es Aufgaben aus den Vorjahren und es hat uns keinen Cent gekostet. Vielmehr wurden die Fehler nochmals durchgesprochen und man wurde im Prüfungsstoff sattelfest!

  13. 22.

    "In (Uni-)Bibs werden die auch ausgelegt. " Das bringt Ihnen überhaupt nichts, wenn Sie die in einer Firma und immer auf aktuellem Stand haben müssen, da von der genauen Einhaltung der Normen Ihre Akkreditierung abhängt. Und es ist ja nicht mit dem einmaligen Kauf getan, Sie sind als Firma dann ja auch im Änderungsdienst drinnen.

  14. 21.

    @Björn: Nicht unbedingt.
    In (Uni-)Bibs werden die auch ausgelegt.
    Allerdings gebe ich Ihnen recht: die Preise, die teilweise für ne Handvoll Blätter aufgerufen werden, sind schon unverschämt.
    Zumal die auch mit Steuergeld erst aus der Taufe gehoben wurden, oder sogar auf frei verfügbaren Dokumenten basieren.

  15. 20.

    "Man verweist darauf, dass Prüfungsaufgaben auch Fremdtexte enthalten können oder Abbildungen. Bei diesen gelte es, Vervielfältigungsrechte oder Urheberrechte zu berücksichtigen, wenn man sie veröffentlicht."
    Diese Begründung halte ich für vorgeschoben. Die prüfenden Fachlehrer werden nur dazu verpflichtet, die Erwartungshorizonte der Prüfungen nicht an Schüler weiterzugeben, die Prüfungsaufgaben selbst dürfen durchaus im Unterricht oder der Prüfungsvorbereitung verwendet werden. Die Abbildungen befinden sich aber in den Aufgabenstellungen ...

  16. 19.

    Warum mischen sich so viele in die Fiskussion ein, die offenbar keinen aktuellen Bezug zum Thema haben?
    Als wenn noch nie eine Lehrkraft auf die Idee gekommen wäre, anhand früherer Prüfungsaufgaben zu üben ...
    Wer die beschriebenen Bücher kennt, weiß, dass dort das jeweilige Thema von A-Z durchgegangen wird. Das ist weit mehr als nur die Veröffentlichung der Aufgaben.
    Alternativ zum Erwerb (Nutzung von Bibliotheken ist auch möglich!) wäre auch aktive Mitarbeit im Unterricht denkbar ;-)

  17. 17.

    Grundsätzlich finde ich es auch besser die Aufgaben kostenlos online zur Verfügung zu stellen (zumal sie eh digital vorliegen), allerdings fehlt halt dann der Weg zur Lösung und natürlich das Ergebnis.
    Wenn ich an mein Abi in Mathe denke, hätte mir die Aufgabe selber nichts genützt (ich hab mit ach und krach bestanden). Wenn der Verlag sich nun aber die Arbeit macht und Lösungsvorschläge bietet kostet ihn das ja auch Geld, denn irgendwer muss es ja berechnen.
    Ich bin mir relativ sicher, dass es die Bücher auch in Bibliotheken gibt, zudem kann man Lerngruppen etc bilden, man kann sich die Bücher teilen (auch finanziell) und gebrauchte günstiger erwerben.
    Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

  18. 16.

    "Selbst wenn die Prüfungsaufgaben kostenlos zur Verfügung stehen, können sich Abiturienten mit finanziellem Background zusätzliche Vorteile erkaufen."
    Dann ist es ja vollkommen in Ordnung diese Schieflage von stattlicher Seite noch zu verstärken.
    Man kann manche "Argumente" kaum werten, ohne die Netiquette zu verletzen.

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