Berliner Start-up - Sterben, einfrieren und dann wieder leben?

So 02.07.23 | 08:14 Uhr | Von Anna Bordel
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Symbolbild: Die MTA (medizinisch-technische Assistentin) lagert Samenproben in einem Kühldepot bei ca. - 170 Grad Celsius. (Quelle: dpa/F. Gentsch)
Video: rbb|24 | 06.07.2023 | Stefan Oberwalleney | Bild: dpa/F. Gentsch

Manche möchten ein Leben nach dem Tod, einer von ihnen ist ein 24-jähriger Charlottenburger. Ein Berliner Unternehmen ermöglicht ihm, sich nach dem Tod einfrieren zu lassen, bis die Medizin weiter ist. Eine Forscherin hält das für Science Fiction. Von Anna Bordel

  • Berliner Start-up bietet die Möglichkeit, sich nach dem Tod einfrieren und konservieren zu lassen
  • Altersforscherin hält Verfahren für nicht realistisch
  • Gefrieren von Organismen wichtig für Forschung

Ewig leben. Oder zumindest, wenn man schon sterben musste, nach ein paar Jahrhunderten zurückkehren und noch ein bisschen weiter machen. Was für manche nach gutem oder auch schlechtem Filmplot klingt, ist für andere eine ernstzunehmende Vision. Jonas Nagel findet die Idee, in der Zukunft nochmal leben zu können, spannend. Deshalb ist der 24-jährige Charlottenburger seit einem Jahr Mitglied bei "Tomorrow Bio". Einem Unternehmen, das Menschen kurz nach ihrem Tod einfriert und lagert, in der Hoffnung, dass der medizinische Fortschritt sie irgendwann wiederbeleben und weiterleben lassen kann.

Hoffnung, dass das wirklich funktioniert, hat Nagel gar nicht so große, wie er sagt. Er sei eher fasziniert davon, dass die sogenannte Kryo-Konservierung eine Alternative dazu biete, unter der Erde zu enden. Da liege die Chance wieder aufzuerstehen bei null, sagt er. Wenn er sich einfrieren lasse, sehe er immerhin ein Fünkchen Licht.

Forscherin hält Kryo-Konservierung von Menschen für Science Fiction

Laura Wester, Altersforschern am Max-Planck-Institut, sieht das Lichtlein nicht. "Menschen einfrieren und sie so wieder auftauen, dass sie leben können, das halte ich für Science Fiction", sagt sie.

Dazu später mehr. Erstmal sei beschrieben, wie Leicheneinfrieren eigentlich funktionieren soll. In dem Berliner Start-up "Tomorrow Bio" - einer Selbstauskunft zufolge dem einzigen in Europa - ist es möglich, sich dafür anzumelden. Jonas Nagel zahlt einen monatlichen Mitgliedsbeitrag plus einen Beitrag zur Lebensversicherung. Die soll ihm am Ende seine Konservierung finanzieren. Konserviert wird so: "Der Körper wird mit einem Spezialverfahren runtergekühlt, während Herzdruckmassage gemacht wird und Sauerstoff zugeführt wird, um vor allem die Zellen im Gehirn zu schützen", so Unternehmensgründer und Geschäftsführer Emil Kendziorra.

Es gibt einen Notfallkontakt, an den man sich wenden soll, sobald absehbar ist, dass man sterben wird. Je früher desto besser. Dann können sich Kendziorra und sein Team vorbereiten.

Leichen werden in der Schweiz gelagert

Der Körper werde auf bis auf minus 196 Grad abgekühlt und in flüssigem Stickstoff in Edelstahlkapseln gelagert. Bis zum Zeitpunkt X, an dem laut dem Geschäftsführer mehrere Sachen zusammenkommen müssen. Einmal dass es technisch möglich ist, den "Patienten", wie er die Leichen nennt, wieder so aufzutauen, dass sie dabei nicht geschädigt werden. Das funktioniere derzeit noch nicht. Außerdem müsste die Krankheit, an der der Mensch gestorben ist, heilbar sein. Dazu komme, dass es sinnlos sei, einen 85-Jährigen ins Leben zurückzuholen, wenn seine Lebenserwartung ohnehin nur ein Jahr länger sei. "Das macht nur Sinn, wenn die Lebenserwartung bei 15 oder 20 Jahren mehr liegt", so Kendziorra. Wann und ob das jemals möglich sein werde, wisse er nicht, das betont er immer wieder im Gespräch. Aber eine Chance sei da.

Gelagert werden die Leichen von "Tomorrow Bio" bei einer Stiftung in der Schweiz. 200.000 Euro zahlen die Menschen dafür.

Etwa 80.000 koste das Konservieren und Runterkühlen, das restliche Geld werde von der Stiftung investiert, sodass die Lagerung nur von den Zinsen finanziert werden könne. Kendziorra zufolge garantiere diese Logik, dass die Lagerung auf ewig gesichert sei. Rund 120.000 Euro seien dann immer übrig für Zeitpunkt X, fürs Zurückholen ins Leben.

Der Mensch besteht aus so vielen unterschiedlichen Strukturen, die alle bei anderen Temperaturen mit anderer Geschwindigkeit eingefroren werden müssten damit sie keinen Schaden nehmen. Ich glaube, dass ist im Moment nicht möglich.

Laura Wester, Altersforscherin am Max-Planck-Institut

Zukunft ein rechtsfreier Raum?

Rechtliche Garantien, dafür, dass die Konservierung immer aufrecht erhalten werden, seien nicht möglich, so Kendziorra. Das gehe über so einen Zeitraum nicht.

Martin Stellpflug, Berliner Anwalt und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Medizinrecht im Deutschen Anwaltsverein sieht das anders. Nach deutschem Recht sei es möglich, dass Erben den Vertrag übernähmen. "Und natürlich kann ich auch rechtliche Erklärungen abgeben, die unbefristet sind", so Stellpflug. Wie sinnvoll das sei, sei allerdings die nächste Frage.

"Wir können uns nicht vorstellen, welches Recht in 500 Jahren gilt. Vielleicht sind die Rechtsgrundlagen dann völlig verändert. Der Blick in die Vergangenheit würde das nahelegen", sagt er. Da die Leichen aber in der Schweiz konserviert würden, könne er nicht mit Sicherheit sagen, ob dort das gleiche Recht gelte.

Rechtlich bindend oder nicht - 400 bis 500 Menschen europaweit haben sich nach Kendziorras Angaben bislang bei "Tomorrow Bio" angemeldet, um sich nach dem Tod einfrieren zu lassen. Konserviert haben sie bislang erst weniger als zehn Leichen - man könne die Zahl an zwei Händen abzählen, so Kendziorra. Weltweit seien etwa 4.000 bis 5.000 Menschen angemeldet, einige Hundert erst konserviert.

Forscherin zweifelt Verfahren an

Hunderte Menschenleichen, die laut Altersforscherin Laura Wester schon so geschädigt sind, dass sie selbst wenn ihre Krankheit heilbar wäre, nicht mehr lebensfähig wären. Ihres Wissens nach sei es derzeit nicht möglich, Leichen so einzufrieren, dass die Zellen dies unbeschadet überstünden.

"Der Mensch besteht aus so vielen unterschiedlichen Strukturen, die alle bei anderen Temperaturen mit anderer Geschwindigkeit eingefroren werden müssten damit sie keinen Schaden nehmen. Ich glaube, dass ist im Moment nicht möglich", so Wester. Im Labor sei es machbar, einen Fadenwurm einzufrieren und wieder aufzutauen. Das sei ein sehr simples Tier, das nicht darauf schließen ließe, dass das auch bei Menschen gehe.

Wie erstrebenswert ist, es eigentlich, unsterblich zu sein? Sich über die Gesetze der Natur hinwegzusetzen? Kendziorra wünscht sich das, wie er sagt: "Ich lebe sehr gern, ich will die Zukunft sehen."

Für Wester wirft das Thema viele Fragen auf: Wenn das geht, wem würde dann das Privileg zustehen unsterblich zu sein? Streben wir das als Spezies an? Was ist mit der Evolution? Was ist mit der Reproduktion?

Kryonik schon jetzt wichtiger Forschungsbestandteil

Einer der Hauptgründe für Jonas Nagel, jetzt schon Mitglied geworden zu sein, ist gar nicht die Aussicht auf Unsterblichkeit, wie er sagt, sondern das Vorhaben zu unterstützen. "Technologie geht ja nur voran, wenn man sie auch unterstützt. Ich finde es nicht okay, zu warten, bis der Vorgang funktioniert, und dann Mitglied zu werden. Wenn alle so denken, wird es nie funktionieren", so Nagel.

Kryonik sei in anderen Teilen der Forschung sehr gewinnbringend, sagt Wester. Ohne Zellen im Labor einzufrieren, könnten Forscher, nicht so erfolgreich arbeiten. Und auch um Eizellen und Sperma einzufrieren, sei das Verfahren wertvoll. Der nächste große Schritt wäre ihrer Meinung nach, Spendeorgane einzufrieren. Einen Teil eines Verstorbenen zu konservieren, damit ein anderer leben könne.

Sie vertritt derzeit den Ansatz daran zu forschen, gesund und würdevoll zu altern, Krankheiten wie Krebs oder Alzheimer heilbar zu machen. "Wenn dadurch die Lebenserwartung steigt, ist das natürlich ein schöner Nebeneffekt", sagt sie.

 

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.05.2023, 13:06 Uhr

Beitrag von Anna Bordel

57 Kommentare

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  1. 56.

    was ist der Unterschied von tiefem Schlaf oder einer Narkose ?

    in beiden Fällen wachen wir wieder auf und sind orientiert , nach dem Hirntod ist es nicht so, kein Aufwachen , kein Herzschlag, keine vitalen Funktionen , ob schockgefrostet oder nicht macht keinen Unterschied

  2. 55.

    stimmt sehr genau was Sie schreiben und ist interessanter als der für meine Begriffe etwas unkritische Artikel.Nur rechtlich wird sich das Unternehmen wahrscheinlich abgesichert haben,da es behauptet „es sei nur eventuell in ferner Zukunft möglich“(sinngemäß).Anbieten tun Sie rechtlich wahrscheinlich nur das einfrieren,was ich komplett unethisch finde ,aber grundsätzlich können die Anbieter tatsächlich diese sogenannte unbegrenzte Zeit auch nicht gewährleisten.Gefährlich erscheint mir die Möglichkeit des Scheintod oder noch unerforschte Übergänge des Bewusstseins zwischen Leben und Tod ,also sogenannte Beinahe Tod Erlebnisse.In vielen Religionen werden Tote aufgebahrt damit die Seele entweicht,wahrscheinlich ins Universum und nicht in die nächste Tiefkühltruhe.. und es hat ein unnötiges CO2 Äquivalent

  3. 54.

    Die Hybris von Technologiegläubigen und Geschäftemacher*innen ist schon immer grenzenlos. Mit Vernunft hat das wenig zu tun.

    Rechtlich handelt es sich hierbei um Anlagebetrug: Der Konzern verspricht etwas, das er nicht halten kann und lockt Menschen, die naiv genug sind.

    Medizinisch bzw. naturwissenschaftlich ist es nicht möglich, totes Gewebe wiederzubeleben. Die Organismen, bei denen ein "Einfrieren" funktioniert, sind in ihrem Metabolismus dafür geeignet, ob Keim- und Eizellen oder manche Insekten-, Amphibien- oder Pflanzenarten.

    Ethisch ist es vielfach unhaltbar. Es gehört zur Natur, sterblich zu sein. Hier wird nur Transhumanismus bedient, die "Aufwertung" des Menschen, ausgedrückt in Narzissmus und den Unwillen, Altern und Sterben sowie Krankheiten als Grundbestandteil der Natur anzuerkennen. Der Alterungsprozess wäre auch nach einem hypothetischen Gelingen vorhanden. Zudem würde in dem Fall die Gesellschaft weiter sozio-ökonomisch gespalten.

  4. 53.

    Wenn es wirklich eine unsterbliche Seele gibt, kann man auf die sterbliche Hülle doch verzichten und muss keinen Körper einfrieren. Aus Ihrem Kommentar ließe sich schließen, dass sie meinen, die Seele stirbt mit dem Körper. Ganz schön hochmütig, denn viele Kulturen und Religionen sehen das anders.

  5. 52.

    Einfach Abzocke. Da bereichert sich jemand, nämlich der Chef vom Ganzen.
    Was ist, wenn die Firma nicht mehr existiert? Verkauft wird? Er selbst stirbt? So ein Schwachsinn noch nie gehört. Ich sage Ihnen nur wenn noch Teile verwertbar sind, dann ist es Organhandel/Teilehalndel auf großem Niveau . Ob das Rechtens wäre?

  6. 51.

    Dies ist kein Kommentar, sondern eine Info für die rbb Journalisten, die Frankreich offenbar wenig kennen. Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 25%. Bildungssystemist seit Mitterrand auf Bac ausgerichtet. Wer das nicht schafft, hat keinen Abschluss. Berufsausbildung wie hier gibt es s nicht. In der Tradition gingen die ohne Bac als Ungelernte in die Fabrik. So wie die Väter und Großväter der Randalierer. Und diese Jobs gibt es nicht mehr.



  7. 50.

    Tja, dann wissen sie wie sich ein Schneemann fühlt, dem die Möhre geklaut wurde. ;-)

  8. 49.

    Ich mag zwar lange und gut leben, aber nicht ewig. Das wäre wider die Natur.
    „The circel of life“ bedeutet nicht, daß sich der Einzelne an seinem Leben festklammert. Mir tun Leute nur leid, die sich mit ihrer Endlichkeit nicht abfinden können.

  9. 48.

    Warum macht der rbb Werbung fürs einfrieren von Körpern? So etwas wird in jedem Gefrierfach bereits seit Jahrzehnten mit Lebensmitteln praktiziert. Gibt es in Berlin nichts wichtigeres? Das einfrieren von Toten ist doch nur Energieverschwendung.

  10. 47.

    Wer sagt denn, dass der Mensch nur aus biochemischer Substanz besteht; zuzüglich Knochen und Fleisch.
    Nahtoderfahrungen lassen auf etwas ganz anderes schließen. Und was ist mit dem Bewusstsein; resp. Seele?
    Die materielle Wissenschaft hat bisher nichts dergleichen
    in Erfahrung bringen können. Wohl etwas hochmütig!

  11. 46.

    Wenn man Alterschäden reparieren könnte, würde das Sterben, Einfrieren und Auftauen keinen Sinn mehr machen, zumindest nicht bei Menschen, die an Altersschwäche sterben.

  12. 45.

    Was nützt das mir, wenn dann aber das Ding abgefroren ist.

  13. 44.

    Nein, wenn man die Technik hat einen Körper mit massivsten Zellschäden durchs Einfrieren wieder lebendig zu machen kann man locker auch noch Altersschäden reparieren. Das ist ja im Vergleich trivial.

  14. 43.

    Es gibt leider viele Menschen, die hier im aktuellen Leben auf das Weiterleben hoffen, während der Sensenmann schon hinter der Ecke lauert. Für sie wären neue und moderne Kühlboxen für den Transport von Spenderorganen schon die Erfüllung. Wer also Geld übrig hat und nicht in 1000 Jahren mit Gefrierbrand in der Tierkörperverwertungsanstalt landen will, kann jetzt Gutes tun. Die Krankenkassen wollen nicht zahlen. Und Sie? Stellen Sie sich vor, Sie wachen mit all Ihren Gebrechen auf und sind nicht versichert!

  15. 41.

    Meiner Ansicht nach ist die Altersforscherin zugleich eine Pessimistin.
    Es hätte früher auch Keiner daran geglaubt das wir auf den Mond landen,
    inzwischen wurden wir jedoch, wie man weiß eines besseren belehrt.

  16. 40.

    Och ja, soll´n die sich mal ruhig einfrieren lassen. Denn in der Zukunft soll es ja sehr viel wärmer werden und Hungersnöte soll es wohl auch geben. Da werden sich die Menschen dann freuen, wenn noch der Ein oder Andere "Ed von Schleck" in der Tiefkühltruhe rumliegt. ;o)

  17. 39.

    Da hätten vielleicht manche Lust drauf, aber um mal beim Artikel zu bleiben, da müsste man sich ja schon mit 20 einfrieren lassen.

  18. 38.

    " "Menschen einfrieren und sie so wieder auftauen,

    dabei gefriert in den Zellen das Wasser und sie platzen , wenige Sekunden ohne O² ...und die Hirnzellen sind abgestorben usw.

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