Rechte Vorfälle an Schule - Lehrer in Burg werfen Landesregierung fehlende Unterstützung vor
Mit ihrem Brandbrief hatten zwei Lehrer eine breite Debatte über Rechtsextremismus an Schulen in Brandenburg ausgelöst. Nach weiteren Attacken stellten sie einen Antrag auf Versetzung. Sie prangern fehlende Hilfe an. Von Simone Brannahl, Silvio Duwe und Jo Goll
Laura Nickel und Max Teske sind enttäuscht von der fehlenden politischen Unterstützung der Landesregierung für ihr Engagement. Die beiden Lehrer der Grund- und Oberschule in Burg hatten rechtsextremistische Vorfälle zunächst der Schulleitung gemeldet und sich, weil diese nicht tätig wurde, mit einem Brandbrief an die Öffentlichkeit gewandt.
"Unsere Arbeit beinhaltet auch das Vermitteln demokratischer Werte. Und nichts anderes haben wir getan", sagt Nickel. Damit hatten sie eine breite Debatte über den Umgang mit Rechtsextremismus an Schulen in der gesamten Region ausgelöst. Im Ort werden sie seither als Nestbeschmutzer geächtet und angefeindet, Anfang Juli haben sie deshalb ihre Versetzung beantragt.
Die Kritik der Lehrer richtet sich vor allem gegen den Brandenburger Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD). Dieser hatte öffentlich erklärt, ihnen ein Gespräch angeboten zu haben. Doch ein solches Angebot für ein persönliches Gespräch sei bei ihnen nie angekommen, sagen sie dem ARD-Politikmagazin Kontraste und rbb24 Recherche. Es habe lediglich eine Veranstaltung Ende Juni gegeben, als Freiberg auf Einladung zum Schulfest nach Burg gekommen war – mehr als zwei Monate nach dem Brandbrief. Bei der Diskussionsrunde mit weiteren Lehrern und Schülern war Nickel anwesend, Teske hingegen nicht.
Lehrer sollen schweigen
Freiberg wehrt sich gegen solche Vorwürfe. Gesprächsangebote seien zum Teil ausgeschlagen worden, und überhaupt habe der Leiter des Schulamtes als einer seiner ranghöchsten Beamten mit Teske und Nickel gesprochen. Im Interview mit Kontraste und rbb24 Recherche kritisiert der Bildungsminister seinerseits das Verhalten der beiden Lehrer. Hilfsangebote, sagt Freiberg, seien von den Lehrern nicht angenommen worden. Sollten sie etwas mitzuteilen haben, solle dies zudem auf seinem Schreibtisch landen und nicht an einem anderen Ort – also wohl beispielsweise in den Medien.
Das Freiberg unterstellte Schulamt soll den Lehrern offenbar einen Maulkorb verpasst haben. Ihm sei mitgeteilt worden, dass alle Anfragen mit Bezug zur Schule über die Schulleiterin und das Schulamt zu laufen hätten, sagt Teske. "Halte ich mich nicht daran, wäre der nächste Schritt, dass ich eine Abmahnung bekomme."
Behördendeutsch gegen Rechtsextremismus
Freiberg sagt Kontraste und rbb24 Recherche, eine Abmahnung habe es nicht gegeben. Er räumt jedoch ein, es habe "in verschiedenen Gesprächen die Hinweise gegeben", dass Informationen über schulinterne Abläufe an die zuständigen Kollegen vor Ort zu geben sind.
Den Weggang von Nickel und Teske aus Burg kommentierte Freiberg in einer Pressemitteilung in nüchternem Behördendeutsch. Darin heißt es, der Minister habe die Versetzungsanträge der beiden Lehrkräfte zur Kenntnis genommen. Im Interview versucht er, seine Wortwahl mit einer Analogie zu erklären: Wenn das Haus brenne, sei es wichtig, Ruhe zu bewahren – das stehe auf jeder Brandschutztafel. "Das muss man auch für alle anderen Kolleginnen und Kollegen, für alle Schülerinnen und Schüler und für die Zukunft dieser Schule im Blick behalten."
Schlechte Presse
Dass rechtsextreme Vorfälle lieber intern geregelt werden, wünschen sich offenbar viele Menschen in Burg, wie Kontraste im Gespräch mit Bewohnern des Ortes erfährt. Vor der Kamera wollen sich die meisten nicht äußern. Eine Ausnahme ist die ehemalige Bürgermeisterin Ira Frackmann (CDU). Auf Facebook schimpfte sie, die Lehrer hätten "durch ihre Verhaltensweise eine Gemeinde und eine Schule, ja sogar eine ganze Region in Misskredit" gebracht. So etwas kläre man nicht vor der Presse.
Die Hitlergrüße und Hakenkreuz-Schmierereien, die Nickel und Teske publik gemacht hatten, spielt Frackmann gegenüber Kontraste und rbb24 Recherche herunter. "Ist das jetzt so etwas, was so ungewöhnlich ist? Oder ist es eher etwas, was eigentlich an vielen Schulen vorkommt und was dann hier so ins Extreme gezogen wird?"
Der Cottbuser Kreisvorsitzende der AfD, Jean-Pascal Hohm, feierte den Abgang der beiden Lehrer gar auf Twitter. "Bürgerliches Engagement wirkt", schrieb er in Reaktion auf Teskes Abschiedsgruß an eine Schulklasse. Die Lehrer beschimpfte er als linksradikale Denunzianten. Aufnahmen, die Kontraste und rbb|24 vorliegen, zeigen Hohm als Teilnehmer von Aktionen der mittlerweile als rechtsextrem eingestuften "Identitären Bewegung". Im Interview urteilt er, es gebe in Brandenburg gar kein Rechtsextremismus-Problem an Schulen.
Familienfest für Wehrmachtfan
Laut dem Brandenburger Verfassungsschutz hat Rechtsextremismus in der Region rund um Cottbus Fuß gefasst in der Mitte der Gesellschaft. Diesen Eindruck konnte auch gewinnen, wer Mitte Juli ein Oldtimertreffen in Drewitz besuchte – nur rund 30 Kilometer von Burg entfernt. Zu sehen waren dort unter anderem nachgebaute Wehrmachtsfahrzeuge, mancher Teilnehmer erschien in Wehrmachtsuniform. Neben Verkaufsständen mit Nazi-Souvenirs wie Hakenkreuzfahnen und Hitler-Fotos gab es ein Unterhaltungsprogramm für Kinder mit Hüpfburg und Musik. Ein Familienfest mit rechtsextremer Propaganda scheint in Südbrandenburg kaum jemanden zu stören.
Für Joschka Fröschner von der Opferperspektive Brandenburg, die Betroffene rechter Gewalt unterstützt, sind Veranstaltungen wie das Oldtimertreffen in Drewitz ein Beleg für die tiefe Verankerung rechtsextremer Ideologie in der Region. "Wenn Kinder so etwas erleben, auf der Hüpfburg sitzen und anschließend geht da jemand in Wehrmachtsuniform vorbei und Papa kauft ein Kissen mit SS-Aufdruck, dann erweckt das bei den Kindern den Eindruck, das ist in Ordnung", sagt Fröschner Kontraste und rbb24. Zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechtsextremismus sei wichtig, so Fröschner – jedoch auf Unterstützung durch die Politik angewiesen.
Zivilgesellschaft als Feigenblatt
Solche Unterstützung vermisst auch der evangelische Pfarrer Lukas Pellio aus Spremberg. Er engagiert sich mit seiner Gemeinde immer wieder gegen Rassismus und Queerfeindlichkeit, hat das "Bündnis Unteilbar" in der Region mitbegründet und gilt deshalb in der rechtsextremen Szene als Hassfigur. Im Juni verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf seine Kirche – nur Stunden, nachdem dort eine Regenbogenflagge aufgehängt worden war.
Pellio sagt, Teile des Bündnisses hätten in den vergangenen Monaten den Eindruck gehabt, für schöne Bilder benutzt zu werden. "Wenn sich die Landesregierung und die kommunalen Strukturen hinstellen und sagen: 'Guckt mal, das ist die tolle Zivilgesellschaft, das Problem ist doch gar nicht so groß', dann wird unser Engagement missbraucht." Wenn die Politik dann allerdings nicht handele, entstehe der Eindruck, "dass wir ein Feigenblatt sind". Vermisst hat Pellio konkrete Konzepte für den Umgang mit dem Rechtsextremismus in der Region.
Dass Laura Nickel und Max Teske nun die Burger Schule verlassen, ist für den Pfarrer eindeutig eine Folge fehlender politischer Unterstützung. Er habe die beiden kurz nach Veröffentlichung des Brandbriefes kennen gelernt und sie gefragt, ob dies ihr Abschiedsbrief sei. Sie hätten "aus vollster Überzeugung" verneint. Doch dann sei versucht worden, das Problem totzuschweigen oder kleinzureden.
Vor einigen Wochen sind vor der Burger Schule dann auch noch Sticker mit ihren Gesichtern und dem Spruch "Verpisst Euch nach Berlin" aufgetaucht.
Zurück bleibt ein verheerendes Bild: Wer sich in Südbrandenburg gegen Rechtsextremismus auflehnt, wird selbst zur Zielscheibe, aber muss sich kaum Hoffnung machen auf öffentliche Unterstützung.
Sendung: rbb24 Inforadio, 27.07.2023, 09:30 Uhr
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