Vermisste in Berlin und Brandenburg - So viele Personen werden in der Region vermisst - und wiedergefunden

Sa 05.08.23 | 12:36 Uhr
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Archivbild: Einsatzkräfte der Polizei suchen in einem Waldgebiet nach Hinweisen zur vermissten Rebecca. (Quelle: dpa/Julian Stähle)
Bild: dpa/Julian Stähle

Vermisst! Das liest man in Berlin an Hausfassaden, Laternen und in den sozialen Medien. Wie viele Menschen in Berlin und Brandenburg vermisst werden und wie viele von ihnen wieder auftauchen. Von Laura Kingston

Das Kind kommt nach der Schule nicht heim, die Partnerin verschwindet über Nacht. Ein Horrorszenario, das pro Tag Angehörige von 200 bis 300 Personen in Deutschland durchmachen. So viele Fahndungen nimmt die Polizei jeden Tag wegen vermissten Personen auf. In Berlin werden aktuell 93 Menschen vermisst und in Brandenburg zum Stichtag 1. Juli 2023 448 Personen. Minderjährig sind rund 40 Prozent der Berliner Vermissten. In Brandenburg sind es mehr als zwei Drittel. Die Unterscheidung zwischen Unter- und Über-18-Jährigen ist wichtig für die Fahndung, denn: Erwachsene dürfen sich grundsätzlich immer überall aufhalten. Nur, weil jemand nicht nach Hause gekommen ist, gilt er oder sie noch nicht als vermisst.

Unterscheidung zwischen Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern

Die Polizei unterscheidet sogar zwischen drei Personengruppen, wenn eine Vermisstenanzeige eingeht: zwischen Kindern (bis einschließlich 13 Jahre), Jugendlichen (14-17 Jahre) und Erwachsen - um einzuschätzen, wie dringlich die Situation eine Suche erfordert und weil die Gesetzeslage bei Minderjährigen eine andere ist als bei Volljährigen.

"Erwachsene, die im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte sind, haben das Recht, ihren Aufenthaltsort frei zu wählen, auch ohne diesen Angehörigen oder Freunden mitzuteilen." So steht es auf der Internetseite des Bundeskriminalamts (BKA). Das heißt auch, wenn eine als vermisst gemeldete erwachsene Person gefunden wird, darf die Polizei dies gegen ihren Willen niemandem mitteilen. Kurz gefasst: Wer abtauchen will, darf das tun.

Die Polizei leitet nur Fahndungen ein, wenn eine sogenannte "Gefahr für Leib oder Leben" bestehen könnte. Dazu zählt zum Beispiel ein kritischer psychischer Zustand, Selbstmordabsichten, sowie Hilflosigkeit - zum Beispiel bei Krankheiten wie Demenz.

Minderjährige vermisst: Fahndung direkt eingeleitet

Bei Minderjährigen sieht das anders aus: Bei ihnen geht die Polizei grundsätzlich von einer Gefahr für Leib oder Leben aus und leitet nach der Vermisstenmeldung Fahndungen ein. Minderjährige dürfen im Gegensatz zu Erwachsenen ihren Aufenthaltsort nicht frei bestimmen. Sie gelten für die Polizei als vermisst, wenn sie ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben und ihr Aufenthalt nicht bekannt ist.

Eine Sprecherin der Polizei sagt dem rbb am Montag, dass jeder Fall höchst indivduell betrachtet wird: Wenn ein Kind vermisst wird, leitet die Polizei andere Maßnahmen ein, als wenn ein Teenager, der schon häufiger ausgebüchst sei, als vermisst gemeldet wird.

So viele Fälle werden aufgeklärt

Von den im vergangenen Jahr 11.452 Personen als vermisst Gemeldeten in Berlin wurden (Stand 31.12.2022) 11.266 Fälle geklärt. Das ergibt eine Aufklärungsquote von 98 Prozent. In Brandenburg wurden 2022 etwa 95 Prozent der Vermisstenfälle aufgeklärt: 3.842 von 4.048 Fällen. Laut einer Sprecherin der Brandenburger Polizei suchte die Polizei durchschnittlich 6 Tage nach der vermissten Person. In Berlin wurde der Großteil der Vermisstenfälle in unter drei Tagen geklärt.

Die Gründe fürs Verschwinden variieren

Zu den Gründen, warum Menschen plötzlich verschwinden, erhebt weder die Brandeburger noch bei der Berliner Polizei eine Statistik. Die Sprecherin aus Brandenburg sagt dazu: "Bei Erwachsenen werden häufig Partnerprobleme, Probleme am Arbeitsplatz, Suizidgefahr, finanzielle und psychische Probleme oder Erkrankungen wie Demenz angegeben. Auch gibt es Personen, die bewusst ihren Lebensmittelpunkt verlassen, um anderswo neu anzufangen." Bei Kindern und Teenagern seien es Probleme mit der Schule und Familie, sowie psychische Probleme, die dazu führten, dass sie ausrissen.

Die Berliner Polizei berichtet, dass Vermisstenmeldungen in den meisten Fällen von Familienangehörigen eingehen, allerdings auch des Öfteren eingehen, weil Personen über einen "längeren Zeitraum unentschuldigt nicht zur Arbeit erscheinen".

Suche kann bis zu 30 Jahre gehen

Auf der Webseite der Berliner Polizei sind aktuell acht Fälle aufgelistet, nach denen öffentlich gefahndet wird. Die gehen teils bis 1995 zurück. Eine Sprecherin der Polizei sagte rbb|24 am Freitag dazu, dass die maximale Zeit, die eine Vermisstenakte geöffnet bleibt, 30 Jahre beträgt. "Danach sind kaum noch sterbliche Überreste zu finden, sollte der Mensch verstorben sein." Es könne allerdings auch vorkommen, dass noch Jahrzehnte, nachdem Angehörige eine Vermisstenanzeige aufgegeben haben, Hinweise aus der Bevölkerung eingehen.

Allerdings sinke mit voranschreitender Zeit die Chance, Vermisste wiederzufinden. In Fällen wie dem von Rebecca aus Berlin-Britz gingen die Beamten nicht mehr davon aus, sie lebend wieder zu finden. Die Mordkommission übernimmt in solchen Fällen.

Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sind Sie von einer schweren Depression betroffen? Bitte sprechen Sie mit jemanden darüber. Folgende Stellen bieten Ihnen professionelle Hilfe - anonym, kostenfrei und rund um die Uhr:

Telefonseelsorge 0800 111 0 111 [telefonseelsorge.de]

Berliner Krisendienst [berliner-krisendienst.de]

Die Online-Beratung für suizidgefährdete junge Menschen der Caritas [caritas.de]

Sendung: rbb24 Abendschau, 4. August 2023, 19:30 Uhr

6 Kommentare

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  1. 6.

    Also, einem Faktor von fast 8 sollte man m.E. schon mehr auf den Grund gehen - auch wenn insgesamt die Aufklärungsquoten hoch sind (98 vs 95%). Aber der Faktor 7,5 bei den offenen Fällen scheint weit außerhalb statistischer Zufälle. - Klar werden viele Einzelfälle unklar bleiben. Aber einen allgemeinen Trend sollte man schon versuchen zu ermitteln: Wie hoch ist bei den ungeklärten Fällen vermutlich der Anteil derer, die wirklich verschwinden wollen gegenüber jenen, die möglicherweise Verbrechen zum Opfer fallen? Oder gegenüber jenen, die sich verirren? Warum bleiben in Brandenburg offenbar so viel mehr Fälle ungeklärt? Ist die Polizei schlechter ausgestattet? Und/oder gibt es ggf in Brandenburg noch deutlich weniger Hilfe für Menschen, die aus ihrem bisherigen Leben raus wollen oder müssen als in Berlin? - Aber um hier nicht in Spekulationen zu versinken, wären ein paar tiefere Fakten schon hilfreich.

  2. 5.

    Brandenburg hat mitunter die niedrigste Armutsquote, Berlin besetzt den 2. Platz (ca. 20 Prozent) in Deutschland. An der Armutsquote kann es nicht liegen bei den Vermissten in Brandenburg. Ich glaube, wir werden nie die Gründe genau erfahren, weil Privat ist Privat. Ich bin überzeugt, da gibt es keine amtliche Datenbank wegen Datenschutz. Ich vermute, dass viele Minderjährige darunter sind. Die antiautoritär erzogene Jugend ist sehr irriert und unglaublich verletzlich.

  3. 4.

    In der Großstadt fällt es evtl. nicht so sehr auf, wenn jemand verschwindet…

  4. 3.

    Verstehe ich das richtig: Im Land Brandenburg ist die Vermisstenquote fast ACHT mal so hoch wie in Berlin? In Berlin (3,8 Mio Einw) aktuell 93 Vermisste, in Brandenburg (2,5 Mio Einw) lt Artikel 448? Wie kommt so etwas zustande? Hätte jetzt eher gedacht, dass in Grossstädten tendenziell mehr Menschen verschwinden. Würde mich daher sehr über eine Erklärung freuen, warum es offenbar so drastisch umgekehrt ist.

  5. 2.

    Menschen verschwinden von einen Tag auf den anderen? Die Wahrheit hat viele Gründe. Ehestress, ewiger Streit oder finanzielle Probleme. Sie vertrauen sich keinen anderen Menschen an, aus Scham oder weil sie wissen, ihnen kann wirklich keiner helfen. Die Sozialämter meiden sie strikt, manche aus negativer Erfahrung. Wer sich fallen lässt etl. durch Fremdgehen, eine neue Liebe der kommt selten wieder ganz zurück. Anders dürfte es bei Kindern sein, die haben zB. Angst wegen Schule, schlechte Noten und fürchten eine Strafe vom Elternteil. Traurig ist es bei psychisch Kranke, die sind wirklich in Not. Sie suchen beim Weggehen ihr Haus oder Wohnung die sie gerade verlassen haben. Schlimm sind Gewalttaten für die Familie oder Partner, die oft Jahrzehnte vergebens keine Antwort erhalten: Wo ist sie, er, das Kind? Menschen sind so, wenn ihnen keiner mehr zuhört.

  6. 1.

    Demenzerkrankung, jedes Jahr werden neue dazu gezählt. Dazu kommen jüngere Demenz- Kranke die manche Ärzte lange nur als Depression notierten. Fakt ist, dass viele alte Menschen die alleine zuhause leben ohne Hilfe vom Staat, unbewusst wirr durch die Gegend laufen. Wo sollen sie hin, wenn Plätze in Seniorenheime knapp werden, kein Geld für extra Pflege haben? Kein Personal vorhanden ist? Bei jüngeren Menschen ist ein Burnout vorprogrammiert, weil die vielen ungelösten Probleme im Land sie ebenfalls psychisch krank machen. Es muss der Körper mehr zur Ruhe kommen, auch die Psyche die immer mehr unter Druck kommt durch eine Politik, die meistens nur redet aber den Menschen keine Hilfe bringt. Bei der Demenz- Häufigkeit ist es schon „5 vor 12“ dass die Politik endlich was unternimmt.

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