Berliner Behörden - Wohl auch persönliche Daten von Panne bei Umstellung auf E-Akte betroffen

Di 05.09.23 | 21:03 Uhr
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Symbolbild: Eine Mitarbeiterin arbeitet am 03.03.2015 vor Regalen voller Akten von Antragstellern im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Berlin. (Quelle: dpa-Bildfunk /Britta Pedersen)
Video: rbb24 Abendschau | 05.09.2023 | Boris Hermel | Bild: dpa-Bildfunk /Britta Pedersen

Bei der Umstellung auf die digitale Aktenführung sind in der Berliner Verwaltung Daten verschwunden - das ist seit Montag bekannt. Jetzt gibt es erste Informationen, welche Art von Daten betroffen sind.

Von einem mutmaßlichen Datenverlust bei der Umstellung auf die elektronische Akte in Berlin sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auch persönliche Daten betroffen. Das teilte Senatssprecherin Christine Richter am Dienstag in der Pressekonferenz nach der Senatssitzung auf Anfrage mit. Es könne nach derzeitigem Stand aber ausgeschlossen werden, dass diese Dateien an unbefugte Dritte gelangt seien.

Chief Digital Officer Martina Klement hatte am Vortag in einem Ausschuss des Abgeordnetenhauses darüber informiert, dass bei der Umstellung analoger Unterlagen auf die elektronische Akte bis zu 900 Dateien in vier Behörden verschwunden seien. Sie führte die Panne auf einen technischen Fehler bei einem Dienstleister zurück, einen Hackerangriff schloss sie aus. Betroffen sind demnach Akten der Senatskanzlei, der beiden Senatsverwaltungen für Verkehr und Inneres sowie des Bezirksamtes Mitte.

Kritik von Opposition und Senat gleichermaßen

Der Vorgang werde weiter untersucht, sagte Richter. Um welche Daten es sich genau handele, sei noch offen. "Wir können nicht sagen, ob sie endgültig verschwunden sind, oder ob sie in der E-Akte nicht erscheinen", so die Senatssprecherin. "Natürlich haben wir die Hoffnung, dass die Daten wiedergefunden werden."

Im zuständigen Ausschuss hatte die Nachricht erst ungläubiges Staunen, dann massive Kritik hervorgerufen. "Eine Software zur digitalen Akte hat keine andere Aufgabe, als Dateien sicher abzulegen und nicht zu verlieren. Wenn sie das nicht kann, dann muss man die Frage stellen, ob das das richtige Produkt ist", sagte Tobias Schulze, Sprecher der Linke-Fraktion für Digitalisierung, am Dienstag dem rbb. Auch der Sprecher der Grünen für Digitalisierung, Stefan Ziller, rief die Koalition dazu auf, aus dem Vertrag auszusteigen. "Wir können jetzt nicht die nächsten Jahre versuchen, das Produkt zu retten. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende", sagte Ziller.

Doch nicht Politiker der Opposition, sondern auch der Senatsparteien stellen den Vertrag zur E-Akte inzwischen in Frage. "Ich hoffe, dass die Firma Materna da ganz schnell für Aufklärung sorgt, weil sonst frage ich mich, ob das noch die richtigen Partner sind", sagte Christopher Förster, Sprecher für Digitalisierung der CDU-Fraktion.

Digitalstaatssekretärin: "Klären ob wir das Produkt noch retten können"

Am Dienstag sagte die verantwortliche Digitalstaatssekretärin Klement, sie sei in Verhandlungen mit dem Vertragspartner Materna, wie man weiter vorgehen und ob man das Produkt noch retten könne. "Klar ist auch dass dieser Datenverlust sicher nicht eine vertrauensbildende Maßnahme darstellt", sagte die CSU-Politikerin dem rbb.

Der Vorfall reiht sich ein in eine lange Liste von Pannen bei der Einführung der E-Akte. Zuletzt hatten auch mehrere Bezirke über massive Probleme mit der elektronischen Akte berichtet. In Teilen wurde das Projekt bereits als gescheitert bezeichnet. Laut Koalitionsvertrag soll die E-Akte spätestens bis zur nächsten Wahl in der Berliner Verwaltung eingeführt sein. In den Bezirken wird für den Start bereits Anfang 2025 angepeilt.

Sendung: rbb24, 05.09.2023, 18 Uhr

37 Kommentare

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  1. 37.

    Die Software soll Verwaltungsvorgänge abbilden und leider nicht die Software die längst zu reformierenden Verwaltungsvorgänge. Der nächste GAU tritt dann auf wenn die Vorgänge tätlich einmal reformiert werden. Denn muss jene Lösungen wieder für viel Geld angepasst werden.

    Das Problem der nicht die Software sondern die nicht zur Reform willige Verwaltung. Wenn so Unternehmen arbeiten würden wären sie längst pleite. Jene Software trägt auch nicht dazu bei Kosten zu sparen.

  2. 36.

    Was ist denn mit dem Datenschutz ? Alles für die Katz ? Das ist doch sonst das herausragende Thema. Selbst meine eigene Ehefrau hat mir das Datum vom Hochzeitstag wegen Datenschutz nicht verraten wollen.

  3. 35.

    Das passt wieder einmal zu BERLIN !!!

  4. 34.

    Falsch. Ist ja nicht so das man vorher keine PC/Software hatte und erst der PC gestern eingeführt wurde. Die Schnittstellen werden fehlerhaft sein im besten Fall. Wenn allerdings das neue Programm das alte überschreibt, dann hat man wohl den „billigsten Anbieter“ genommen der sich die Gelder hintenrum einstreicht mit Schulungen

  5. 33.

    So wie ich die Meldung lese sind die Daten bei der Übertragung der analogen, sprich Papierakten, in die digitale Version verschwunden. Würde bedeuten die Papierakten wurden vernichtet bevor die Übertragung überprüft wurde. Das kann ich mir eigentlich selbst in der Berliner Verwaltung nicht vorstellen.

  6. 32.

    Keine Software der Welt kann die organisatorischen Probleme des Landes Berlin automatisch lösen. Die Software kann nicht besser sein als die Multiplikatoren in den Bereichen, die sich der Software annehmen und unabhängig von der GGO I mit Materna Konzepte entwickeln und durchziehen.
    Bei den beteiligten Politikern geht es hier eher um politische Profilierung bei voller Ahnungslosigkeit!

  7. 31.
    Antwort auf [Gerd] vom 06.09.2023 um 07:46

    Soll das ein Scherz sein?
    Wie wollen sie denn vertraulich zu haltende Verfahrenssoftware im Verwaltungsbereich einer Großstadt an die Bürger verantworten?

  8. 30.

    Ach hörn se mir uff... hab ich selber schon erlebt bei der Überführung meiner Rentendaten von einem Versicherungsträger zu einem anderen. Von wegen.... wie es damals im Schreiben der BFA hieß... dieser Vorgang passiert automatisch, sie müssen nichts machen... Dann kam der Rentenverlauf vom neuen Versicherungsträger und peng... die Daten von 1984 bis 1994 stimmten nicht mehr.
    So ungewöhnlich ist bei den Verwaltungen solch ein Vorgang nicht. Daher... immer schön Äuglein aufhalten, wenns um Datentransfer geht.

  9. 29.

    Vielleicht lässt sich unsere kluge Regierung mal von ein paar Kindern die Begriffe "Datensicherung" und "Backup" erklären? Die wissen, was das ist.
    Wenn hier tatsächlich echte Datenbestände ohne Backup in eine neue Software gegeben wurden und dabei verloren gingen, dann ist das ein ungeheuerlicher Vorgang. Man stelle sich vor, so würde im Landeseinwohneramt oder im Finanzamt gearbeitet und die zentralen Datenbanken wären plötzlich weg.
    Wie lange soll die Welt eigentlich noch über Berlin lachen?

  10. 28.

    Das Grundproblem ist das in Deutschland Verwaltungsvorschriften unterschiedlich sind. Jedes Bundesland kocht seine eigene Suppe und hinterher sollen die Teller noch austauschbar sein. Nicht nur jedes Bundesland, sondern jede Behörde macht sogar ihr eigenes Ding. Dies kostet nicht nur viel Steuergeld sondern bringt Anbieter zum verzweifeln. Die Länder sind politisch Unfähigkeit sich auf grundlegende Vorschriften zu einigen. Im ÖPNV doch das gleiche mit dem Beförderungsbedingungen, jeder Verkehrsverbund macht seine eigene Regeln. Jede Kleinigkeit bedarf komplizierter politischer Verhandlungen. So kann man Land nicht modernisieren!

  11. 27.

    Leider war der "Zug schon abgefahren" bevor der Bahnhof gebaut wurde. Grundsätzlich ist das Produkt von nScale als mehr Ablagesystem konzipiert als ein vollwertiges DMS mit Prozessintegration darzustellen. Wenn man versucht die GGO I aus dem Stand von 1980 Digital abzubilden, kommt genau so etwas heraus. Dies erklärt auch die "Scanproblematik" und der Umgang mit Zeichnungslinien. Natürlich sitzen "Beamte" seit Jahren zusammen und versuchen sich in Prozessanalyse für dieses Projekt. es mündete jedoch nicht in Prozessoptimierung, insbesondere nicht für die Digitalisierung. Für die Datenbank ist das ITDZ verantwortlich, Ob die für die E-Akte die Ressourcen "managed" zur Verfügung stellen ist mir jedoch nicht bekannt. Eine Backupstrategie für den Worst Case gehört aber in die Verantwortung des ITDZ

  12. 26.

    Nun ist es nicht die Schuld der fachfernen Entscheider aus der Politik. Das die (Fach)Gremien wie hier der IKT-Lenkungsrat von politischen Vertretern besetzt wird hat mit den internen Strukturen der Parteien zu tun. Es ist eher eine Profilierungsplattform für Stadträte und Bezirksbürgermeister. Immerhin ist es in der Verwaltung auch üblich Leitungsstellen mit Akademikern zu besetzen die sinnlose Promotionen in Politikwissenschaften und Kommunikation hinter sich haben. Im Fall der E-Akte konnte keiner der bisherigen Beteiligten des Senats das Pflichtenheft und die Angebote fachlich beurteilen. Try and Error mit Steuergeldern ist doch nichts Neues.

  13. 25.

    Ich bin erschrocken über die Ahnungslosigkeit der Politiker, die über das Projekt entscheiden sollen. Das Produkt nScale - Digitale Akte ist von der Firma ceyoniq und seit Jahren erfolgreich in NRW im Einsatz. Die Firma Materna ist für die Einführung der eAkte verantwortlich.
    Aktuell arbeiten ca. 1000 MA in Berlin zum Teil seit einem Jahr mit dieser Software und es gibt auch Bereiche die zufrieden sind.
    Die Datensicherheit hat was mit dem hinterlegtem Datenbanksystem zu tun. Die Scanproblematik erfordert erstmal ein Konzept, das mit Materna und der jeweiligen Behörde erarbeitet werden muss.
    Ich schule als MA des Trainerteams seit 2 Jahren die MA der Berliner Behörden. Mir fällt auf dass die IT Probleme hat das System zu managen. Es gibt neben Begeisterung auch grundsätzliche Widerstände gegen elektronische Aktenverwaltung.
    Nach 3 Jahren sind Millionen in das Projekt geflossen, tausende MA wurden geschult. Jetzt das Projekt stoppen zu wollen ist schon abgefahren.

  14. 24.
    Antwort auf [Gerd] vom 06.09.2023 um 07:46

    "wie die Banken Verantwortung an die Bürger auslagern"
    In Artikel 20 Absatz 1 GG ist festgelegt, dass Deutschland ein sozialer Bundesstaat ist. Dieses Sozialstaatsprinzip beinhaltet eine implizite Fürsorgepflicht des Staates gegenüber seinen Bürgern. Dieses beinhaltet mit den zur Verfügung gestellten personenbezogenen Daten und deren Entitäten zu einer Sache sorgsam umzugehen. Das Banken die Verantwortung für PIN/TAN Karten etc. teilweise dem Kunden überlassen, ist ein komplett anderes Thema.

  15. 23.

    Stimme Dir voll zu. Meiner Frau ging es auch so. Das Tagespensum soll parallel geschafft werden und am Ende geht es nur noch um Schadensbegrenzung. Eine Software die Arbeitsabläufe und Begrifflichkeiten nicht mitnimmt ist dann dasselbe wie eine Fremdsprache lernen während der Arbeit. Die Arbeit wurde mehr, nicht weniger, nicht einfacher. Damals waren es 3 Klicks pro Fall, heute sind es 12 mit ständigen Abstürzen. Die Haus-IT von 9-16 nur tätig (Behörde). RRG-Live-Desaster wirkt nach

  16. 22.

    Nun hat die Dame mit diesem Desaster nichts zu tun sondern übernahm den Müll von RRG. Die Einführung der e-Akte dauert keine 4 Monate sondern locker 6 Jahre im öffentlichen Dienst.
    Die Adresse der Unfähigkeit ist heute Opposition, zu Recht. Da geht es jetzt eher um Schadensbegrenzung für den Steuerzahler der RRG-Altlast. Dieses Geld fehlt nun bei sozialen Projekten

  17. 21.

    Bin wirklich erstaunt. Anscheinend wurde direkt produktiv gegangen. Eigentlich macht man vorher einen Testlauf, ob alles funktioniert. Bin selbst in der IT und wir haben das auch schon seit Jahren im Betrieb. Vielleicht hätte man bei anderen Behörden mal nachfragen sollen, wie das geht und sich das anschauen sollen. Ist eigentlich üblich in der Branche, aber wahrscheinlich ist Berlin zu stolz dafür und wollte es selbst hinbekommen. Hat ja anscheinend wunderbar geklappt.

  18. 20.

    Wir haben uns den Umgang mit der E-Akte am PC allein erarbeiten müssen. Keiner hatte Lust, ich hab so gut wie nichts verstanden und bin auch bei der Prüfung durchgefallen. Was ich aber davon "mitgenommen" habe: alles ist kompliziert, braucht mehr Zeit und ist sehr fehleranfällig! Ein falscher "Knopfdruck" und man kommt nicht vor oder zurück und alles ist hin. So ist es auch mit anderen Arbeiten, die bei uns digitalisiert wurden.
    Es ist viel einfacher und schneller den Vorgang in einem richtigen Ordner abzulegen, der Zugriff darauf ebenso.
    Da ich am Jahresende in Rente gehe, bin ich sehr froh, mich mit dieser Digitalisierung nicht mehr herumschlagen zu müssen. Privat lebe ich im ohne PC und Smartphone und es geht mir gut damit :-) !!!

  19. 19.

    Ja, das stimmt! Denn da kann ich immer wieder drauf zurück greifen wenn meine digitalisierten Unterlagen und Ordner aus welchem Grund auch immer, nicht mehr funktionieren. Dann müssten aber auch die Sicherungskopien die ich synchron bei der Digitalisierung auf einen 120 GB USB Stick sende verschwunden sein. Privat scheint wohl doch alles viel einfacher zu sein, wie auf einer Behörde. Die Mitarbeiter würde ich aber als letzteres dafür verantwortlich machen.

  20. 18.

    Stimmt. Man sucht ewig. Was man gerade braucht, hat womöglich ausgerechnet dann jemand anderes, der Platzbedarf ist langfristig enorm, Datenaustausch funktioniert mit der Fließgeschwindigkeit von erkaltendem Teer, macht den Postversand erforderlich, und Klimaschützer freut, dass man zum Umgang mit diesen Daten keinen Strom mehr braucht (Lampen ausgenommen) und es nur nötig war, für das alles Möbel und massenhaft Papier zu produzieren (letzteres auch für eher unwichtige Daten, solche Dokumente, die nicht lange aufbewahrt zu werden brauchen und Fotokopien, die anzufertigen der Umwelt freilich eh völlig egal ist).
    Und was haben Sie gegen behördenübergreifende Kommunikation?
    Was befürchten Sie deswegen?

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