#Wiegehtesuns? | Schleusenwart - "Dann sage ich immer: Erzähl das bloß nicht weiter!"

Fr 26.07.24 | 13:37 Uhr
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Erich Wernecke, Schleusenwart in Kummersdorf (Oder-Spree). (Quelle: Privat)
Bild: privat

Schleusenwart Erich Wernicke, 61, sorgt an der Schleuse Kummersorf (Oder-Spree) dafür, dass Wassersportler sicher durch den Storkower Kanal kommen. In den Sommerferien ist bei ihm wieder Hochsaison. Ein Gesprächsprotokoll

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Leben gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

"Ich mag den Beruf als Schleusenwart, weil ich mit den Leuten sprechen und ihnen helfen kann. Jetzt in den Ferien geht es richtig ab hier, dann kommen täglich rund 80 Boote vorbei – Sportboote, Hausboote, kleine Boote, große Boote. Die schleuse ich durch und halte sie in meinem Verkehrstagebuch fest. Ich mache die Tore dann händisch etwa vierzig- bis fünfzigmal am Tag auf und zu und laufe dafür bis zu zehn Kilometer hin und her.

Manchmal kommen etwa Hausboot-Fahrer mit einer Leine in der Hand an der Schleuse an und sagen: Helft mir, wir schleusen das erste Mal. Dann sage ich denen, was sie machen sollen und dann sind die glücklich. Dadurch haben wir 2020 auch einen Preis vom Motorjachtverband gewonnen als wassersportfreundlichste Schleuse.

Die Wassersportler kommen von überall her, aus der Schweiz, aus Österreich, viele auch aus den alten Bundesländern. Die schwärmen dann immer, wie schön das hier ist. Dann sage ich immer: Erzähl das bloß nicht weiter! Aus Quatsch natürlich. Es kommen auch Berliner und Brandenburger mit ihren eigenen Booten, aber die meisten kommen wirklich von weit weg.

Im Grunde sind auf dem Wasser alle gut drauf, denn da hat man einfach die Ruhe, das zu genießen. Schlimm wird es, wenn sich die Ehepaare streiten. Dann sagt die Frau schon mal: Wenn du so weitermachst, dann steige ich hier aus und fahre nach Hause.

Und viele Hausboot-Fahrer haben keinen Führerschein oder noch nicht das Gefühl für ihr Boot. Dann fahren die draußen versehentlich gegen die Dalben, also die Schleusenbefestigung, und manchmal fallen dann die Ehefrauen vom Boot.

Wir finden viele Bootshaken und Sonnenbrillen, wenn wir die Schleuse trockenlegen. Auch Brieftaschen und Handys sind dabei und manchmal gelingt es sogar, deren Besitzer ausfindig zu machen.

Was muss ich also als Wassersportler beachten, wenn ich an so eine Schleuse komme? Als erstes mal auf den Schleusenwärter hören! In der Schleuse muss man etwa den Motor ausmachen. Hier ist vor zwei Jahren ein Schlauchboot reingefahren. Dann hat sich der Fahrer umgedreht und wollte seine Leine festmachen. Dabei ist er mit dem Hintern an die Schaltung gekommen, das Boot schoss nach vorne geschossen und der Fahrer ist ins Wasser gefallen. Zum Glück ist nichts passiert.

In der Schleusenkammer soll auch niemand seine Leinen festmachen, denn wenn das verknotete Boot dann mit dem Wasser auf- oder absinkt, hängt es nachher angebunden in der Luft oder wird unter Wasser gezogen - samt Kapitän.

Aber nicht nur Menschen gehen dann und wann einmal unter, auch viele Gegenstände. Wir finden viele Bootshaken und Sonnenbrillen, wenn wir die Schleuse trockenlegen. Auch Brieftaschen und Handys sind dabei und manchmal gelingt es sogar, deren Besitzer ausfindig zu machen.

Boote hat der Storkow-Kanal schon einige gesehen, denn der wurde wie die Schleuse 1863 gebaut. Das ist die Verbindung zwischen Scharmützelsee, Storkower See und Wolzigersee. Damit der Bootsverkehr dort fahren kann, befindet sich hier in Kummersdorf die erste Staustufe. Dann wird das Wasser wieder vorm Storkower See gestaut und noch mal in Wendisch Rietz.

Wir haben festgelegte Pegelstände, die wir einhalten müssen. Das ist eine der Hauptaufgaben: die Pegelstände kontrollieren, das Wasser abführen oder einleiten, damit der Schiffsverkehr immer laufen kann. Letztes Jahr um diese Zeit hatten wir 15 Zentimeter weniger Wasser im Storkower See. Da es derzeit viel regnet, haben wir dieses Jahr bisher keine Probleme mit der Trockenheit. Sonst müssten wir die garantierte Wassertiefe runtersetzen und dann dürften manche Boote nicht mehr bei uns fahren.

Ich selbst fahre mit meinem kleinen Boot gerne angeln. Hier in Kummersdorf ist es vergleichsweise leise, denn während hier Familien auf den Hausbooten sind, sind es an meinem Wohnort Köpenick eher Partygäste.

Wegen meiner Tochter bin ich an der Schleuse gelandet. Meine Tochter hat Wasserbauerin gelernt, da geht es darum, das Ufer zu befestigen, Pfähle zu platzieren, Bäume zu fällen, zu baggern und Pflanzen zu pflegen. Ich habe 20 Jahre im Garten- und Landschaftsbau gearbeitet und weil ich etwas Ähnliches war, hat sie mir nahegelegt, mich zu bewerben. Damit war ich erfolgreich und so bin ich seit 2017 an der Kummersorfer Schleuse als Schleusenwart tätig. Und in den Wintermonaten arbeite ich in der Baukolonne.

Aber wenn alles klappt, gehe ich im Februar 2028 in Rente. Um Nachwuchs muss ich mir keine Sorgen machen. Die Stellen auf den Schleusen sind alle besetzt und der Nachwuchs ist auch schon da. Eigentlich bin ich so zufrieden, wie es im Moment alles ist."

Gesprächsprotokoll: Julian von Bülow

10 Kommentare

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  1. 10.

    Wie wohltuend. Ein Mann, der liebt was er tut. Kein Gemecker, sondern einfach Zufriedenheit mit dem Job an frischer Luft. Ach ja man könnte glatt neidisch werden.

  2. 9.

    Ich lach mich Tod 80 boote am Tag ein Wunder das da noch nicht automatisiert wurde.

  3. 8.

    Und glauben Sie mir… Schleusen Diemitz, Canow und Strase sind in der Tourizeit richtig voll. Ich fahre da in der Saison mehrmals durch. Das ist für die Schleusenwärter/innen auch Stress. Aber die haben da echt die Ruhe in sich. Können ja auch immer etwas runterkommen, wenn der Schleusenvorgang läuft. Da gibts nur ab und an mal Aufregung, wenn ein Charterkapitän trotz Hinweise die Leinen am Poller festgeknotet hat, natürlich mit nem Hausfrauenknoten, den man nicht durch Ziehen an der Leine lösen kann.

  4. 7.

    Wie schön! Sowohl der Bericht wie wohl auch die Schleuse. 2019 war ich mit den Enkeln an der Diemitzer Schleuse in MVP kurz hinter der Landesgrenze Brandenburg. Der Schleusenwärter dort war auch sehr freundlich, hilfsbereit zu den unerfahrenen Kapitänen und hat zwischendurch mit viel Geduld erklärt. Offensichtlich sind das Menschen,die ihren Beruf lieben. Diese Mentalität brauchen wir mehr. Dem Herrn wünsche ich noch gute Berufsjahre mit vielen schönen Erlebnissen.

  5. 6.

    ...und hier kann man Fischen was gutes tun... :-)
    https://www.br.de/radio/bayern1/fish-doorbell-utrecht-100.html
    Digital kann auch lustig sein.

  6. 5.

    Solche Berichte tun richtig gut :-) .

  7. 4.

    Sehr gut, und noch nicht digitalisiert!

    Ob ein Führerscheinpflicht für Wasser-Kraftfahrzeug-Führer sinnvoll wäre? Ich denke, Ja

  8. 3.

    Diese Menschen machen tagtäglich einen super Job !!! Immer höflich und hilfsbereit… einfach schön, dass es das so auch noch gibt! Sind die Route letztes Jahr im Juli gefahren. Es war wunderschön…

  9. 2.

    Ein interessanter Beitrag.
    Kann mir gut vorstellen, dass gerade die unerfahrenen Hausboot "Kapitäne" ein Risikofaktor bedeuten. Und leider nicht nur an einer Schleuse.
    Dann mal weiterhin viel Freude in der frischen Luft bei der Lieblingsarbeit, Herr Schleusenwärter!

  10. 1.

    Schön, diesen Bericht zu lesen. Kein Jammern, kein Schimpfen, einfach nur Zufriedenheit. Die nicht so schönen Dinge mal weglassen um das Gemüt nicht schwer werden zu lassen.
    Ich wünsche Herrn Wernicke noch gute Jahre bis zum beruflichen Ruhestand und ab 2028, so es geht, viel Spaß auf dem Wasser (nehme ich an) und Gesundheit

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