Interview | Hertha-Kapitän Leistner - "Jeder weiß, wie verrückt diese Liga ist"
Kapitän und Abwehrchef: Toni Leistner ist bei Hertha BSC längst eine feste Größe. Vor dem Rückrunden-Start spricht er im Interview über die bisherige Saison, seinen Ausflug in die Schauspielerei - und den bevorstehenden Todestag Kay Bernsteins.
rbb|24: Toni Leistner, wenn Sie der Hinrunde von Hertha BSC eine Schulnote geben müssten, welche wäre es?
Toni Leistner: Ich glaube, es wäre eine 4. Wir sind leider hinter unseren Möglichkeiten geblieben und es war sicher nicht einfach mit so vielen Verletzten, aber als Hertha BSC hätte man trotzdem mehr Punkte holen müssen.
Und wenn wir auf Ihre persönliche Hinrunde gucken, wie wäre es da?
Ich bin eigentlich ganz zufrieden. Ich habe ein paar Spiele gemacht, auch wenn es vielleicht zu Beginn der Saison nicht danach aussah. Aber im Endeffekt geht es nicht um eine einzelne Person, nicht um mich, nicht um andere Spieler. Es geht um Hertha BSC und deswegen sind wir ein bisschen enttäuscht von der Hinrunde.
Geben Sie uns gerne mal einen Einblick in die Vorbereitung auf die Rückrunde. Wie lief es im Trainingslager, wie haben Sie es wahrgenommen?
Man verlässt ja die Stadt für wärmere Gefilde und gute Platzbedingungen und das haben wir alles vorgefunden. Ich glaube, wir konnten gut an den Themen arbeiten, die wir uns vorgenommen hatten. Es waren sehr intensive Tage, aber auch sehr lustige Tage als Team. Und es hat nochmal zusammengeschweißt.
Wie würden Sie denn die Stimmung im Team im Moment beschreiben?
Nachdem wir dort mehrere Tage etliche Runden Werwolf gespielt haben, würde ich sagen, dass die Stimmung sehr gut ist (lacht). Ich denke, dass jeder auch etwas gut zu machen hat oder dass wir als Team etwas gut zu machen haben und das hat man auch gespürt. Deswegen gehe ich guter Dinge in die Rückrunde.
Gab es da spezifisch etwas, worauf Sie den Fokus gelegt haben, also auch in den Trainingseinheiten etwas, das speziell trainiert wurde?
Wenn man die Hinrunde gesehen hat, gibt es viele Themen, an denen wir arbeiten mussten. Sei es bei offensiven oder defensiven Standards. An individuellen Fehlern kann man in der Gruppe schwer arbeiten, aber wir haben viele Dinge gut trainiert und sind auf jeden Fall gerüstet für die Rückrunde.
Was nehmen Sie sich für die Rückrunde vor? Die Ziele vor der Saison waren ja einigermaßen klar gesteckt, aber wie sieht es jetzt aus?
Jeder kennt diese Liga. Jeder weiß, wie verrückt diese Liga ist. Mit zwei Siegen ist man schon wieder oben dran. Aber wir schauen jetzt von Spiel zu Spiel. Das erste Spiel ist schon eine echte Hausnummer gegen Paderborn, die lange Erster waren. Wir haben viel Arbeit vor uns, um gegen diesen Gegner auch bestehen zu können.
Der Aufstieg war das erklärte Ziel. Wie klar spricht man davon noch innerhalb des Teams?
Jetzt von Aufstieg zu reden, wäre ein bisschen weit hergeholt. Wir sollten erst einmal kleinere Brötchen backen. Wie ich schon gesagt habe, die Liga ist so verrückt, dass die direkten Konkurrenten sich die Punkte auch gegenseitig wegnehmen. Wir werden sehen, was die ersten Spieltage so hergeben. Nichtsdestotrotz wollen wir so viele Spiele wie möglich gewinnen.
Sie haben gesagt, dass die Hinrunde für Sie ein bisschen enttäuschend lief. Wie empfinden Sie oder bewerten Sie die Stimmung rund um den Verein, auch mit den Fans? Nach dem 0:0 in Hannover haben Sie auch mit den Fans gesprochen. Wie nehmen Sie das wahr?
Die Fans geben uns extrem viel. Das Gästekontingent bei Auswärtsfahrten wird immer komplett abgerufen. In Hannover waren es sogar noch mehr. Deswegen habe ich einfach nochmal Danke gesagt nach dem Spiel - dafür, dass Sie trotz dieser Hinrunde, die punktetechnisch nicht so ausfiel, wie wir alle uns das gewünscht haben, immer hinter uns standen. Wenn man solche Fans im Rücken hat, dann sollte man schon auch gerade zu Hause mehr Ertrag haben. Anschließend habe ich noch frohe Weihnachten und einen guten Rutsch gewünscht.
Also da hat es nicht geknallt?
Nein, es hat nicht geknallt. Nach dem Spiel gegen Münster zu Hause gab es viel Unmut, da haben wir ein bisschen geredet - mit den Fans und intern. Aber in Hannover hat es nicht geknallt.
Sie sind Kapitän, Anführer des Teams. Können Sie Ihre Rolle im gesamten Mannschaftsgefüge ein bisschen beschreiben?
Das hat sich über die Jahre im Fußball ein bisschen geändert. Die jungen Spieler brechen ein bisschen häufiger nach vorne aus als früher. Früher haben immer erstmal die erfahrenen Spieler gespielt und die jüngeren Spieler mussten sich hinten anstellen. Deswegen ist es heute etwas anderes, eine Mannschaft zu führen, als damals.
Ich gebe meine Erfahrungen, die ich über die Jahre gesammelt habe, gerne an junge Spieler weiter. Wir haben auch viele junge Spieler, die gerne zuhören, die auch Tipps annehmen. Ich sehe mich eher als Tippgeber und als jemand, der das Team zusammenhalten muss. Und da gehört auch immer Leistung dazu. Man muss mit Leistung vorweggehen. Dann hören sie einem auch zu.
Die Stimmung und die Wahrnehmung bei den Fans, was Sie angeht, hat sich ein bisschen geändert und gewandelt, seitdem Sie da sind. Der Anfang war nicht so einfach, auch weil Sie eine Unioner Vergangenheit haben. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Für mich natürlich positiv. Es war von Anfang an klar, dass etwas kommen wird, wenn man eine Vergangenheit bei dem Stadtrivalen hat. Das war zu erwarten, gerade weil sich die Vereine ja auch nicht so rosig sind. Deswegen freut es mich natürlich schon, dass ich mit Leistung überzeugen konnte und dass ich das jetzt auch anders wahrnehmen kann. Ich habe von Anfang an gesagt, es ist immer nur entscheidend, was auf dem grünen Platz passiert. Ich denke, das wurde honoriert.
Ich muss Sie und darf Sie noch einmal auf Ihre Performance als Stromberg [instagram.com/herthabsc] ansprechen. Ich fand das sehr unterhaltsam und ich glaube, viele andere auch. Sind Sie jemand, der mit guter Stimmung und Sprüchen das Mannschaftsgefüge stärkt?
Ich drücke schon gerne mal einen Spruch oder bin für eine lustige Aktion zu haben. Deswegen habe ich nicht lange überlegt, ob ich Stromberg spiele. Es kam offenbar gut an. Mal schauen, was da noch alles passiert.
Sind weitere Sequels geplant? Nächste Rollen, in die Sie schlüpfen?
2025 wird ja der Film von Stromberg gedreht. Vielleicht bringe ich mich da noch ein (lacht).
Bei allem Lustigen müssen wir jetzt einen Themenwechsel machen. Am Donnerstag jährt sich der Todestag von Kay Bernstein zum ersten Mal. Mit welchen Gefühlen gehen Sie in diesen Tag?
Es ist krass, wie schnell die Zeit vergeht. Dass das jetzt schon wieder ein Jahr her ist. So fühlt es sich nicht an. Es ist ein extrem trauriger Tag. Jeder, der Kay kannte, weiß, was er dem Verein bedeutet hat. Wir hatten alle eine sehr enge Bindung zu ihm. Deswegen macht es mich extrem traurig, wenn ich an diesen Tag denke.
Was machte ihn aus? Als Präsident, aber auch als Mensch?
Man hatte nie das Gefühl, dass er seine Macht ausspielt oder von oben herab als Präsident redet. Man war immer auf Augenhöhe mit ihm. Man konnte ihm auch mal einen Spruch drücken und hat von ihm einen Spruch gedrückt bekommen. Das hat es auch ausgemacht: seine Menschlichkeit, seine offene Art; gepaart mit der Ehrlichkeit, etwas erreichen zu wollen. Er war ein echt feiner Mensch.
Kay Bernstein ist der Begründer des Berliner Wegs. Er hat diesen Begriff sehr geprägt. Wie viel ist davon noch da und geblieben?
Das interpretiert jeder nach dem Tod von Kay Bernstein ein bisschen anders. Aber was man sagen kann, ist, dass die jungen Spieler diesen Berliner Weg für den Verein schreiben. Wenn man sieht, wer alles aus der eigenen Jugend kommt. Wer Woche für Woche mit auf dem Platz steht. Das ist auch der Berliner Weg. Ich glaube auch, dass die Verantwortlichen, die jetzt am Werk sind, dieses Vermächtnis weiterleben, dieses auch nach außen tragen und den Weg weitergehen wollen.
Sie werden beim nächsten Heimspiel mit einem Sondertrikot [instagram.com/rbbfussball] auflaufen. Wie finden Sie diese Geste?
Als ich das Trikot gesehen habe, hatte ich Gänsehaut. Jeder kennt die Jacke von Kay. Dieses Trikot zeigt, wie sehr der Verein Kay gedenken möchte, und auch, was das alles für jeden einzelnen Mitarbeiter hier bedeutet.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Uri Zahavi, rbb Sport.
Sendung: rbb24, 15.01.2025, 21:45 Uhr