#Wiegehtesuns? | Brasilianischer Fußballer - "Was ist euer Problem damit, dass ich hier bin, dass ich schwarz bin?"
Als Kind träumt Paulo Eduardo Bernardes de Ameida von einer Karriere als Fußballspieler. Mit 21 kommt der Brasilianer dafür nach Deutschland. Rechtsextreme Abschiebepläne und rassistische Anfeindungen bringen den MSV-Neuruppin-Spieler nicht von seinem Traum ab. Ein Gesprächsprotokoll.
In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Paulo Eduardo Bernardes de Ameida ist gebürtiger Brasilianer und lebt seit acht Jahren in Deutschland. Seit 2023 spielt er beim MSV-Neuruppin. Rassistische Anfeindungen wegen seiner Hautfarbe hat er schon öfter erlebt. So geht es Eduardo.
Gerne würde ich die AfD einmal fragen, was denn ihr Problem damit ist, dass ich hier bin, dass ich schwarz bin. Das verstehe ich einfach nicht. Denn auch mich sorgen die Abschiebepläne, die zuletzt von Correctiv aufgedeckt wurden. Gleichzeitig kann ich mir keine Situation vorstellen, weswegen ich Deutschland freiwillig verlassen würde. Selbst wenn die AfD in Brandenburg an die Macht käme: Ich will hier weiter leben, in Deutschland. Wenn ich darauf schaue, von wo ich kam und wo ich hin will, will ich nicht aufgeben. Die Entscheidung würde ich nur wegen meiner Mutter treffen. Sie bedeutet mir alles, nur für sie könnte ich wieder dauerhaft nach Brasilien zurückkehren.
Sie war es, die mich auf die Fußballschule schickte, nachdem ich unseren Fernseher mit dem Ball zerschossen hatte. Denn jedes Kind, das in Brasilien zur Welt kommt, kriegt irgendwann einen Fußball. Meinen bekam ich von meinem Vater. Und wie alle Kinder wollte ich für Fußball nach Europa. Eines Tages fragte mich ein Manager, ob ich bereit wäre, in Deutschland Fußball zu spielen. Meine Mutter stimmte zu und so kam ich 2015, mit 21 Jahren, nach Deutschland.
Mittlerweile gehe ich viermal die Woche zum Fußball-Training, am Wochenende stehe ich auf dem Platz und arbeite unter der Woche als Barista in einem Neuruppiner Hotel. Damit bin ich sehr zufrieden, doch mein Anfang in Deutschland war schwierig. Einen Moment lang umarmst du noch deine Mutter, im nächsten stehst du alleine in der Welt, musst Geld verdienen, einen neuen Alltag organisieren, Bürokratie meistern und eine neue Sprache lernen. Ich brauche hier zu jedem Zeitpunkt einen Job, als Brasilianer gibts für mich in Deutschland kein Arbeitslosengeld. Aber wenn man bereit ist zu kämpfen für die eigenen Träume, dann kann man jede schwere Zeit überstehen.
Meine erste Station war in Sachsen-Anhalt, zwei Jahre spielte ich für Halle 96. Der Trainer hat mich unterstützt bei der Wohnungssuche und bei Visumsangelegenheiten. Das war sehr wichtig, denn ich konnte damals weder Deutsch noch Englisch. Nach zwei Jahren lief dann allerdings mein Visum aus, doch konnte ich zu den Füchsen in Berlin wechseln und bekam ein neues Ein-Jahres-Visum. In Berlin blieb ich, 2020 ging ich zum TuS Makkabi.
Bei den Vereinen, bei denen ich spielte, fühlte ich mich immer sehr willkommen. Doch als schwarzer Südamerikaner in Deutschland bin ich immer wieder Rassismus ausgesetzt. Dass Spielerkollegen und ich auf dem Fußballplatz als Affen beleidigt werden und dazu Affengeräusche von Fans kommen, habe ich mehrmals erlebt. Es ist extrem belastend.
Der letzte Vorfall war im Dezember 2023. Mein Verein ist da sehr auf unsere Bedürfnisse eingegangen und hat psychologische Hilfe angeboten. Sie haben auch die Poilizei gerufen, Anzeige erstattet und einen Mann vor dem Stadion abführen lassen.
Solch rassistisches Verhalten ist kein Einzelfall. 2023 wollte ich in einen Berliner Club gehen, da sagte der Türsteher zu mir, es gebe für mich da drinnen keinen Platz – wegen meiner Hautfarbe. Ich ging zur Polizei, doch der Beamte sagte mir, er könne mir auch nicht helfen. Dann bin ich traurig nach Hause gegangen.
Ich sprach darüber mit meiner Mutter, wir weinten zu zweit. Ich habe dann auch auf brasilianisch ein Instagram-Video zu dem Vorfall gepostet. Die Kommentare waren alle in der Art: Eduardo, weiter geht’s! Kopf hoch! Unterstützung eben. Wenn man sich zu lange Gedanken über solche Vorfälle macht, dann macht einen das nur traurig und psychisch fertig. Es gibt auch ältere Leute im Supermarkt, die schauen mich an und scheinen zu denken: Wieso ist der hier!? Sowas passiert jeden Tag, es wird nur nicht immer öffentlich.
Ein brasilianischer Freund von mir spielte beim MSV Neuruppin, der hatte mich gefragt, ob ich nicht auch Lust dazu hätte. Zwei-, dreimal habe ich den Verein besucht, dann haben sie gesagt: Wir wollen dich! Der Verein hatte mir auch angeboten, mich bei Wohnungs- und Jobsuche zu unterstützen. Da hab ich mich entschieden, den Vertrag zu unterschreiben.
Seit letztem Jahr spiele ich nun für Neuruppin. Und irgendwie muss ich ja auch glücklich sein, denn ich bin hier und werde fürs Fußballspielen bezahlt. Es kann sein, dass das finanziell meine letzte Chance ist, also habe ich sie genutzt. Jetzt bin ich 29, mit 35 Jahren ist eine Fußballkarriere in der Regel zu Ende. Bis dahin möchte ich eine Ausbildung zum Physiotherapeuten machen. Wenn das nicht klappt, versuche ich etwas anderes in Brasilien. Dann könnte ich mit meiner Familie zusammenleben.
Mit meinem Lohn unterstütze ich meine Mutter und meine Tochter Giovanna in Brasilien. Die hat heute ihren elften Geburtstag, nachher telefonieren wir noch. Zuletzt fragte sie, warum ich nicht immer da sein kann. Das schmerzt mich sehr. Nur fünfmal konnte ich bisher an ihrem Geburtstag bei ihr sein.
Gesprächsprotokoll: Julian von Bülow
Dieser Beitrag entstand aus dem Projekt "Die Brandenbleiber" vom 14. Jahrgang der Electronic Media School in Kooperation mit Fritz vom rbb.
Die Kommentarfunktion wurde am 26.01.2024 um 10:34 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.