Verschuldet durch die Krise - Ruhe vor dem Sturm in der Brandenburger Landeskasse

Sa 29.10.22 | 10:38 Uhr | Von Andreas Hewel
  13
Ein Luftbild der Potsdamer Innenstadt (Bild: imago images/KH)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 28.10.2022 | Andreas Hewel | Bild: imago images/KH)

Mit einem Hilfspaket will die Brandenburger Landesregierung Unternehmen und Bürger:innen helfen, die Folgen der Inflation und der hohen Energiepreise abzufedern. Zwei Milliarden Euro will das Land dafür bereitstellen - Geld, das es nicht hat. Von Andreas Hewel

Eigentlich hätte es das alles gar nicht mehr geben dürfen. Ein Ende des Schuldenmachens hatte die EU ihren Mitgliedsstaaten verordnet. Brandenburg hat dieses Gebot gar in seine Verfassung aufgenommen. Seit 2020 darf nur in Notsituationen eine Ausnahme gemacht werden.

Das Jahr 2020 aber war genau der Beginn der Ausnahmen, der Notsituationen. Erst kam die Corona-Pandemie, die weitgehende Lockdowns zur Folge hatte und massive Umsatzeinbrüche bei Unternehmen. Teure Rettungsschirme mussten finanziert werden. Jetzt treiben die Auswirkungen des Überfalls Russlands auf die Ukraine die Preise nach oben und drücken die wirtschaftlichen Aussichten.

Entlastungspakte sollen helfen

Für den Bund wie für Brandenburg heißt das, wieder mit massiven Finanzmitteln gegensteuern zu müssen. 95 Milliarden Euro hat der Bund allein für seine ersten drei Entlastungspakete veranschlagt. Und um die explodierenden Energiepreise für die Bürgerinnen und Bürger irgendwie in den Griff zu bekommen, werden noch einmal 200 Milliarden Euro bereitgestellt. Und - nicht zu vergessen - auch die Bundeswehr soll in den kommenden Jahren 100 Milliarden Euro zusätzlich bekommen. Zusammen überschreiten allein diese Beträge die Dimension eines gesamten normalen Bundeshaushalts. Zusätzliche Kosten wohlgemerkt. Das kann nur mit zusätzlichen Schulden finanziert werden, wie auch immer diese genannt werden.

Schulden auf Rekordniveau

Die Ausgangslage heute aber ist schon schwer belastet. Durch die Corona-Pandemie sind die Schulden schon jetzt auf einem Rekordniveau. Auf 2,48 Billionen Euro beliefen sich die Schulden des Bundes Ende 2021. Umgerechnet auf eine einzelne Person sind das rund 29.450 Euro. Und das sind nur die Schulden des Bundes. In Brandenburg haben sich die Landesschulden Ende 2021 auf 21,8 Milliarden Euro aufgetürmt. Auf jede Brandenburgerin und jeden Brandenburger kommen so knapp 8.600 Euro Schulden zusätzlich zu den Bundesschulden.

Noch aber herrscht in der Finanzkasse Brandenburgs die Ruhe vor dem Sturm. Denn Inflationsraten von zehn Prozent spülen auch mehr Geld in den Landeshaushalt. Wenn Lebensmittel und Energie teurer werden, muss dafür auch mehr Umsatzsteuer gezahlt werden. Noch Ende September rechnete Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) vor, dass dieser Effekt trotz aller Mehrbelastungen am Jahresende sogar zu einem Haushaltsüberschuss führen könnte von 175 Millionen Euro. "Aktuell sieht es so aus", sagt Lange dem rbb, "als würden wir in diesem Jahr mehr Steuereinnahmen haben als geplant." Das aber sind Zahlen, die wegen der Art, wie sie zustande kommen, der Finanzministerin keine Freude bereiten.

DIW fordert gezielte Unterstützungen

Auch auf Bundesebene sorgt die Inflation im Bundeshaushalt erstmal für Entspannung. "Der Staat ist ein großer Gewinner dieser Krise, vor allem spezifisch der Inflation", moniert Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in rbb24 Brandenburg aktuell. "Dieses Geld sollte der Staat natürlich dann auch an die Menschen zurückgeben." Dass der Bund dies tut, begrüßt Fratzscher, das Gießkannenprinzip dabei aber hält er für falsch. "Menschen mit geringen oder mittleren Einkommen zielgenau entlasten", fordert er. "Das könnte der Bund beispielsweise über Einmalzahlungen machen." Immer geht es dabei um enorme Summen.

Zwei Milliarden Euro Neuverschuldung für 2023 geplant

Mit dem Haushaltsüberschuss wird es so auch in Brandenburg schnell vorbei sein. Denn das Land will selbst in einem sogenannten "Brandenburg-Paket" eigene Entlastungsfinanzierungen auf den Weg bringen. Bis zu zwei Milliarden Euro sollen dafür zur Verfügung gestellt werden. Ende des Jahres sollen diese in Form von Kreditermächtigungen vom Landtag genehmigt werden. Wie diese Milliarden finanziert werden sollen, ist auch klar. "Da wird es ohne neue Schulden nicht gehen", räumt die Finanzministerin im rbb ein.

Die Entlastungspakete aber sind für sie dringend notwendig. "Das Wichtigste ist, dass wir jetzt unsere Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger unterstützen, damit wir gut durch diese Krise kommen. Denn nur wenn wir gut durch diese Krise kommen, können wir auch in der Zukunft die Schulden wieder zurückzahlen."

Landesrechnungshof mahnt zur Schuldendisziplin

Doch solche Summen lassen den Landesrechnungshof aufhorchen. In der Not Schulden zu machen, sei okay, aber nur dafür, mahnt der Präsident des Landesrechnungshofes, Christoph Weiser. "Nicht zulässig wäre eine Finanzierung von Maßnahmen, die auch ohne eine Krise realisiert werden sollten." Ein Schuss vor den Bug ist das. Offenbar fürchtet der Rechnungshofchef, dass das Geld schnell zu locker sitzen könnte, weil man es sich einfach leihen kann. Blankoschecks aber dürfe sich das Land nicht genehmigen.

Das aber dürfte kaum der Fall sein. Denn schon jetzt ist klar, dass mit der Inflation auch die Zinsen wieder steigen. Erst am Donnerstag hat die Europäische Zentralbank angekündigt, den Leitzins erneut anzuheben auf 2,0 Prozent. Eine Reaktion auf die hohe Inflation. Das macht neue Schulden teurer. Bislang rechnet das Land damit, dass die Zinsen, die für die Schulden bezahlt werden müssen, von rund 248,2 Millionen Euro im Jahr 2021 deutlich steigen werden. 334,5 Millionen sind für 2026 eingeplant. Das aber reicht auch da nur, wenn die Gesamtschulden mehr oder weniger gleichbleiben. Eine kühne Annahme. Die geplante Neuverschuldung von zwei Milliarden im kommenden Jahr sind da noch nicht eingepreist.

Nicht zulässig wäre eine Finanzierung von Maßnahmen, die auch ohne eine Krise realisiert werden sollten.

Christoph Weiser, Präsident Landesrechnungshof Brandenburg

Inflation frisst Sparguthaben und Geldvermögen auf

Die hohe Inflation macht zudem auch allen Sparerinnen und Sparern zu schaffen. Knapp 7,5 Billionen Euro als privates Geldvermögen haben die Menschen in der Bundesrepublik auf der hohen Kante. Das ist natürlich sehr unterschiedlich verteilt, im Osten ist es etwa halb so hoch wie im Westen. Statistisch gesehen liegt das Vermögen bundesweit bei 89.000 Euro pro Person.

Bei 10 Prozent Inflation verliert dieses Sparvermögen pro Jahr 8.900 Euro an Wert. Insgesamt wäre das ein Wertverlust am Sparvermögen von 750 Milliarden Euro in einem Jahr. Noch nimmt der Staat gerade durch die Inflation mehr Geld ein als geplant. Doch was hilft das, wenn das Geld dann weniger wert ist? Das ist dann nochmal eine ganz andere Rechnung.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 28.10.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Andreas Hewel

13 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 13.

    "Es müsste wirklich mal alles auf Null und dann durchstarten "

    Nur hat ein Länder- oder Staatshaushalt nichts mit ihrer schwäbischen Oma zu tun aber das erklärt man keinen geistigen Eintagsfliegen.

  2. 12.

    "Erst kam die Corona-Pandemie, die weitgehende Lockdowns zur Folge hatte und massive Umsatzeinbrüche bei Unternehmen. Teure Rettungsschirme mussten finanziert werden. Jetzt treiben die Auswirkungen des Überfalls Russlands auf die Ukraine die Preise nach oben und drücken die wirtschaftlichen Aussichten."
    Ich sag mal so,interessante Formulierung von Ereignissen.

    "Und das sind nur die Schulden des Bundes."
    Das ist schlicht falsch. Wer schreibt so was? Aber ich helfe ja gern:
    https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Oeffentliche-Finanzen/Schulden-Finanzvermoegen/Tabellen/2Q-2022-vorlaufiger-schuldenstand-gesamthaushalt.html;jsessionid=31167AEC50A2A5F880215E78E157EEB6.live732

  3. 11.

    Kleiner Tip: lesen Sie dazu den Monatsbericht für Oktober der Bundesbank. Die für Corona aufgenommen Mittel sind zweckgebunden. Wird dieser Zweck nicht mehr realisiert müssen die Mittel zurückgezahlt werden. Da es sich aber zumeist nur um Kreditermächtigungen handelt und nicht um Geld werden nur buchmässige Tilgungen durchgeführt!

  4. 10.

    Sie irren Werte Toska. Der Kernhaushalt sieht desolat aus, aber die Extrahaushalte weisen deutliche Überschüsse aus. Schauen Sie doch in die betreffende Fachserie bei Destatis. Die Länder verstecken nur ihr Geld, damit sie es für die Klientel der regierenden Parteien verwenden können, anstatt zum Nutzen aller. Sehen Sie doch auf das Jammern von BB bei PCK oder den Waldbränden bzw. der Munitionsräumung!

  5. 9.

    Da bin ich nach der letzten Steuerschätzung mal gespannt wie Brandenburg seine Notlage begründet um die Schuldenbremse aufzuheben. Das lustige ist jedoch das offen von Kreditermächtigungen gesprochen wird, als die Schulden erst Jahre nach Bewilligung realisiert werden. Schon hier dürfte sich zeigen, dass der erforderliche Zweckzusammenhang für die Aufhebung der Schuldenbremse nicht gegeben ist. BB will mal wieder die grundgesetzlich Schuldenbremse umgehen, also Verfassungsbruch.

  6. 8.

    Zumal Herr Lindner einen sogenannten Tarif auf Rädern plant um die Inflation ausgleichen wie die Welt berichtet.
    Herr Fratscher ist in der Ökonomenszene sowieso ein Exot was seine Ansichten angeht.

  7. 7.

    Der Herr Fratzscher ist schon ganz schön schlau: Die inflationsbedingten Steuermehreinnahmen sollten unbedingt an die Bürger zurück gezahlt werden. Super-Idee. Vielleicht vergisst der Herr dabei, dass auch auf der Ausgabenseite alles entsprechend teurer wird. Ich mag diese "Experten", die schlau daherkommen aber für nichts gerade stehen müssen.

  8. 6.

    Richtig das hat meine Oma schon gesagt immer etwas weglegen.
    Nur Berlin und Brandenburg hatte ja nie was zum weglegen.
    Es müsste wirklich mal alles auf Null und dann durchstarten
    Aber das wird nicht machtbar sein egal welche Partei man wählt die Schulden bleiben wenn man nicht radikal was ändert.

  9. 5.

    Mir ist völlig unverständlich, warum Menschen mit kleinem Einkommen zunächst Lohnsteuer bezahlen müssen um sich dann nach irgendwelchen Hilfspaketen oder Notfallfonds der Regierenden umzuschauen.
    Hier werden Menschen, die teilweise 200-300 Euro Lohnsteuer bezahlen und ihr Leben selbst erwirtschaften, zum Sozialamt und in ein Antrags-Laufrad getrieben, wo sie vermutlich Monate keine Antwort erhalten und das Personal überlastet wird.
    Offenbar wollen Politiker gar keine dauerhafte steuerpolitische Gerechtigkeit. Es wird immer nur Wahlkamof damit gemacht. Seit Jahren!
    Wo bleibt das Versprechen, Menschen mit geringem Einkommen zu entlasten?

  10. 4.

    Es ist nicht gut, Schulden anzuhäufen u. sie schön zu reden. Das beste Beispiel dafür ist das Land Berlin in den 1990'er u. 2000'er Jahren. Da konnte in Berlin kaum noch etwas aufgrund der hohen Rückzahlungen für Altkredite bewegt werden. Jeder heute Lebende hat auch finanzielle Verantwortung für ein lebenswertes Leben der Folgegenerationen. Man muss sich von der "Wir schaffen das" Mentalität sofort trennen. Es muss sofort alles auf den Prüfstand, um zu wissen was wichtig ist und was nicht geht!

  11. 3.

    "Das ist natürlich sehr unterschiedlich verteilt, im Osten ist es etwa halb so hoch wie im Westen. Statistisch gesehen liegt das Vermögen bundesweit bei 89.000 Euro pro Person. " Besser wäre hier eine Graphik mit den differentiellen Verteilungskurven (die meist eine hohe Schiefe haben - da ist das mit dem arithmetischen Mittel oft sowieso keine gute Idee zur Charakterisierung). Eine robuste Schnellvariante wäre wenigstens ein Box-Whisker-Plot zum Vergleich Ost/West/Gesamt.

  12. 2.

    Sind denn die "Corona"-Mittel in Form von Sonderhaushalten alle wirklich ausgegeben worden? Wurden die Kreditermächtigungen im Zuge von Coronahilfen alle realisiert?

  13. 1.

    In guten Zeiten legt man Geld beiseite, damit Notfälle überstanden werden können. Wenn aber Leute, seit über 30 Jahren, fremdes Geld immer wieder so „in den Sand setzen“, dass es kein Geschäft für uns wird, im Gegenteil, es ist sogar weg, dann hat da jemand ausgedient? Wenn man das nicht erkennt, läuft man sehenden Auges ins Verderben.

Nächster Artikel