Berlin - Behördenchef für Flüchtlingsangelegenheiten beklagt Überlastung - "schon heute Alltag"

Fr 10.05.24 | 11:13 Uhr
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Archivbild: Mark Seibert, neuer Präsident des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF). (Quelle: dpa/Gollnow)
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Der Chef des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten sieht seine Behörde am Rande der Leistungsfähigkeit. Zusatzaufgaben, ein hoher Krankenstand und Personalfluktuation machen dem Landesamt zu schaffen.

Der Präsident des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten, Mark Seibert, sieht seine Behörde an der Belastungsgrenze und fürchtet, es könnte noch schlimmer werden. "Überlastung ist schon heute unser Alltag. Unser Leistungsbereich hat im vergangenen Jahr 101.000 persönliche Vorsprachen gehabt, ein Plus von 40 Prozent im Vergleich zum Jahr davor, das Personal ist gleich geblieben", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Viele Mitarbeiter schrubben hier Überstunden, schlagen sich Abende und gelegentlich die Wochenenden um die Ohren. Dem Abteilungsleiter Unterkünfte haben wir zum Einstand ein Feldbett in sein Büro gestellt."

LAF-Chef fürchtet noch zusätzliche Probleme

Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) ist für die Registrierung, Versorgung, Unterbringung und soziale Betreuung von Geflüchteten in Berlin zuständig. "Wir werden hier aus dem System rausquetschen, was geht, aber wir kommen an die Grenze dessen, was wir leisten können", sagte Seibert. "Ich sehe das am Krankenstand und an der recht hohen Fluktuation in der Belegschaft."

Seibert sieht noch zusätzliche Probleme auf das LAF zukommen. Schuld sei die Bundespolitik. Der Bundestag hatte im Januar das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz beschlossen. "Dazu gehört, dass Asylsuchende bis zu 36 statt bisher 18 Monate Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen", sagte Seibert. "Für uns heißt das, die Menschen müssen bis zu 18 Monate länger von uns untergebracht werden. Die Unterkünfte fehlen uns dann." Das werde den Druck weiter erhöhen.

"Die Kollegen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bewilligen, bearbeiten im Moment im Schnitt je 320 Fälle. Und das ist schon jetzt eine prekäre Situation", kritisierte der LAF-Chef. "Durch die geplante Gesetzänderung wird die Zahl aber auf bis zu 500 Fälle pro Sachbearbeiter ansteigen."

Das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz (tagesschau.de) soll die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber effektiver gestalten. Es sieht unter anderem vor, dass die Dauer für den Bezug von Asylbewerberleistungen, die deutlich unter der normalen Grundsicherung liegen, von anderthalb auf drei Jahre ausgeweitet wird. Außerdem wurde der Ausreisegewahrsam von zehn auf 28 Tage ausgeweitet. Zudem wird der Polizei künftig erlaubt, zum Aufgreifen eines Menschen, der in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt und abgeschoben werden soll, auch andere Räume als die des Betroffenen zu betreten.

Das LAF rechnet bis Jahresende mit 50 000 Plätzen in seinen Unterkünften

Gleichzeitig hat sich die Zahl der Unterkunftsplätze in der Verantwortung des LAF Seibert zufolge seit Anfang 2022 von etwa 22.000 auf jetzt 44 000 verdoppelt. "Wir landen am Jahresende irgendwo bei 50.000 Plätzen. Mehr Personal haben wir aber nicht zur Verfügung." Das LAF hat 550 Mitarbeiter. "Für uns wird das eine erdrückende zusätzliche Herausforderung sein."

Schon ohne das Rückführungsverbesserungsgesetz bräuchte das LAF 230 zusätzliche Vollzeitstellen, argumentierte Seibert. "Wenn sich nichts ändert, werden die Bearbeitungszeiten sich stark verlängern das geht dann zulasten aller: der Geflüchteten und der Beschäftigten."

Seibert hält es für eine Illusion, dass die Zahl der Geflüchteten schon bald erheblich zurückgehen könnte. "Wir sehen überhaupt keine Erleichterung der Lage. Die Kurve im ersten Quartal 2024 sah genauso aus wie 2023", sagte er. "Das heißt, zu Jahresbeginn ist der Zugang moderat, aber voraussichtlich werden wir im Herbst vor der gleichen Situation stehen wie im vergangenen Jahr mit stark ansteigenden Zahlen bei den Asylsuchenden." Die Geflüchteten aus der Ukraine kämen dann noch dazu.

Zusammenbruch der Front in der Ukraine hätte Folgen für Berlin

Und dort ist die Kriegsentwicklung schwer einzuschätzen. "Kommt es zu einem großen Anstieg der Geflüchtetenzahl nach einem möglichen Zusammenbruch der Front in der Ukraine, wird es sicher noch einmal eine ernste Situation, auf die wir uns auch vorbereiten", so der LAF-Präsident. "Wir planen auf Verdacht mögliche Notunterkünfte auf allen möglichen öffentlichen Grundstücken. Wir können dann sehr schnell sein und dort Leichtbauhallen errichten."

Ohnehin muss das LAF weiterhin nach Unterkünften suchen, wo immer sie zu finden sind. "Wir sprechen auch schon mit Hotelbetreibern, welche Kapazitäten wir für welche Szenarien gegebenenfalls nutzen können", sagte Seibert. "Wir haben jetzt etwa 2.500 Menschen in Hotels untergebracht, und wir verlängern all diese Verträge bis Ende des Jahres. Wir brauchen die Hotels auch weiterhin."

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31 Kommentare

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  1. 31.

    Wirklich, sein Sie mal nicht so kleinlich. Das ist heute nicht mehr viel Geld. Und sie vergessen die Einsparungen von ca. 1 Billion durch den Wegfall von Arbeitsämter+Sozialämter mit den vielen Hunderttausenden Mitarbeitern und und und und....Nö, also ich bin schon lange für das bedingungslose Grundeinkommen für alle unsere Staatsbürger. Dann hört auch das ewige Gemeckere (Neiddebatten!) auf!

  2. 30.

    Für einen gestandenen Real-Politiker alles nur lachhafte Zahlen. Was ist denn heute noch eine Billion ? Lumpige 100 Milliarden für Kriegsgeräte werden schon, ohne mit der Wimper zu zucken, quasi en passant, ausgegeben. Finanzierung kommt noch ! Das ist aber nur der Anfang, wie es scheint !!

  3. 29.

    Sorry, habe mich vertan, muss heißen proMonat und nicht Pro Jahr. Da wären es dann 1,2096 Billionen.

  4. 28.

    Haben Sie auch mal ausgerechnet was das Kostet, 100,8 Milliarden Euro jedes Jahr. Soviel Deutsche Milliardäre haben wir gar nicht, die das Finanzieren können. Und nur Deutsche, oder mit Wohnsitz in Deutschland können Sie zum Zahlen heranziehen. Übrigens alles zusätzlich zu den anderen Ausgaben. Und vom Rest ist ja nicht viel zu erwarten, weil, work-life Balance ist wichtig. Da kommen dann aber auch keine sonderlichen Steuereinnahmen her. Na dann, Guten Morgen und schönes Wochenende.

  5. 27.

    Es ist gut, dass die, die irgendwas machen müssen, wenigstens das Grundeinkommen aus Ausgleich zur fehlenden Leidenschaft, dem Glück und der Freude bekommen. Leidenschaft und Freunde sind unbezahlbar. Schulabbrecher verzichten gleich ganz auf die freudige Glückseligkeit ! Mittlerweile geben nur noch 29% an, gern zur Arbeit zu gehen. Jeder Vierte geht unmotiviert ins Büro. Zwei von drei Befragten sagen, die Belastung ist größer geworden. Ein gutes Gehalt motiviert nur jeden Dritten. 19% haben keine emotionale Bindung zum Arbeitgeber. Es scheint so, dass die leidenschaftlichen Fachkräfte am Aussterben sind. Naja, im Winter morgens bei Schnee, Eis und Kälte raus ist nur was für Idealisten, des es nicht nur des Geldes wegen machen.

  6. 26.

    Sehr gut! Richtig, einige Millionäre wären bereit, mehr Steuern zu bezahlen. Leider gibt es keine Mehrheiten, dieses Land solidarischer zu gestalten. Im Gegenteil, wir erleben immer öfter die Populisten in der Politik, die "Uns" gegeneinander ausspielen möchten: jung gegen alt, arm gegen reich, arbeitende gegen Bürgergeldempfänger etc.

  7. 25.

    Ja und? Wo ist das Problem? Der Milliardär finanziert auch das BG mit. Ausgleichende Gerechtigkeit...Gute Nacht!

  8. 24.

    Funktioniert so aber nicht. Es heißt ja "bedingungslos", was zur Folge hat, es bekommt jeder! von der Geburt bis zum Tod das BG. Kleiner Nachteil, wie schon gesagt "bedingungslos ",auch der Milliardär. Ist halt so.

  9. 23.

    Was gefällt Dir denn jetzt wieder nicht? Spielst Du die Gruppen gegeneinander aus? Es gibt eben die, die aus Berufung mit Freude und Leidenschaft arbeiten und die, die irgendwas machen müssen. Tut mir leid, wenn Du zu den letzteren gehörst, aber dann kriegste wenigstens das Grundeinkommen dazu!

  10. 22.

    Ja, für die Arbeitnehmer, die zu wenig verdienen, kommt das BG von 1200,-E dazu. Das ist doch ok?

  11. 21.

    Mit der gleichen Leidenschaft wird auch immer gestreikt, weil die Leidenschaft und das Brennen nach Beruf und Arbeit größer ist, als der schnöde Mammon ! Es stimmt schon: Nur die Wenigsten gehen wegen des Geldes arbeiten. Alles aus Idealismus gepaart mit Freude.

  12. 20.
    Antwort auf [Pete] vom 10.05.2024 um 19:43

    Weil sehr viele Leute nicht nur wegen des Geldes arbeiten, sondern aus Leidenschaft für ihren Beruf. Es gibt sie unter Ärzten, ja auch Pflegerinnen und vielen anderen Berufen, auch unter den künstlerischen. Die Leute wollen ja weiterarbeiten und bekommen das GE obendrauf. Diese können sie dann sparen für ....

  13. 19.

    Na wer schon? Wurde doch mehr als 10000x erörtert? ,,Die fünf reichsten Milliardäre'' der BRD. Was dagegen?

  14. 17.

    Prima-Idee! Vielen Dank - Meine / Unsere Zustimmung haben Sie!

  15. 16.

    Wozu gibt es auch noch Sondervermögen ?? Wenn das mal nicht mehr ausreicht, dann wird man etwas neues, kreatives erfinden und einfallen lassen. Da mache ich mir keine Sorgen. Zuversichtlich und vertrauensvoll erwarte ich zudem, dass alles noch weiter den Bach runtergeht. Der aktuelle Stand ist zwar alarmierend, reicht aber für einen Weckruf anscheinend noch nicht aus. Dafür brennt nachher der Kittel umso mehr.

  16. 15.

    Das ist unterste Schublade, wissen Sie das? Aber allerunterste Schublade!

  17. 14.

    Tja, bei Erarbeiten, da könnte man auch an siich selbst denken, und nicht immer nur an andere Menschen.

  18. 13.

    "Die Bourgeoise ist der Anfang allen Übels." Genau, nicht übel, die Bourgeoisie. Die Bourgeoisie hat der Menschheit meist Wohlstand und Freiheit gebracht und den Sozialismus mit seinem allgemeinen Grundeinkommen für alle 1989 zum Glück abgeschafft. Wenigstens waren die Geschäfte damals übersichtlich leer und man konnte sich für das allgemeine Grundeinkommen damals nichts kaufen. Hätte man also schon damals den Armen spenden können, damit die auch nichts haben.

  19. 12.
    Antwort auf [Appolonia] vom 10.05.2024 um 17:51

    Hier geht's ums LAF und somit AsylbL. Irgendwie haut ihr das mit dem bedingungslosen Grundeinkommen durcheinander.

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