Schüsse auf Trump in USA - Amerikaner in Berlin geschockt von Attentat - und trotzdem tief gespalten
Bei einem Wahlkampfauftritt ist Donald Trump am Samstag von einem Attentäter angeschossen worden. Es ist der traurige Höhepunkt eines harten Wettstreits um die US-Präsidentschaft. Wie gespalten die Amerikaner sind, zeigt sich auch in Berlin. Von Jonas Bürgener
Ein 20-jähriger Mann schießt am Samstag bei einer Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat Pennsylvania auf den früheren amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Ein Zuschauer wird getötet, zwei weitere Menschen werden schwer verletzt. Trump, der republikanische Präsidentschaftskandidat für die US-Wahl im November, wird am Ohr getroffen.
rbb|24 hat mit zwei in Berlin lebenden Amerikanern gesprochen - beide reagieren mit Bestürzung auf das Attentat. Die Bilder und anschließenden Statements aus den verschiedenen Lagern ordnen sie allerdings unterschiedlich ein - Spiegelbild der Spaltung in den Vereinigten Staaten.
"Nie gedacht, dass es so weit kommen würde"
"Ich stand natürlich unter Schock", sagt George Weinberg, stellvertretender Vorsitzender der "Republicans Overseas" in Deutschland. "Gott sei Dank hat man schnell gesehen, dass Trump nicht schwer verletzt worden ist. Das war natürlich ein riesiger Zufall. Hätte er den Kopf nicht genau in dem Moment gedreht, wäre er wohl gestorben."
Emily Lines, stellvertretende Vorsitzende der "Democrats Abroad" in Deutschland, quasi dem Gegenstück zu den Vertretern der republikanischen Partei im Ausland, zeigt sich erschrocken. "Ich weiß, dass die politische Spaltung in unserem Land total krass und die Stimmung sehr aufgeheizt ist", sagt sie. "Ich hätte aber nie gedacht, dass es so weit kommen würde und wusste zuerst nicht, wie wir überhaupt weiter Wahlkampf machen sollen."
"Gigantisch, ikonisch, fantastisch"
Viele Experten glauben, dass das Attentat die nächsten Wochen und Monaten im Präsidentschaftsrennen beeinflussen wird. Insbesondere das jetzt schon ikonische Foto von Trump, der kurz nach den Schüssen die Faust nach oben reißt, könnte vielen Wählern lange in Erinnerung bleiben - und Trump, der zuletzt in den Umfragen vor Biden lag, einen weiteren Schub geben.
Weinberg, seit vielen Jahren ein Fürsprecher Trumps, zeigt sich beeindruckt von der Entschlossenheit des republikanischen Kandidaten. "Gigantisch, ikonisch, fantastisch", sagt er angesprochen auf das Foto. "Der Mann wurde angeschossen, hat Blut im Gesicht, ist umgeben von Security Leuten und zeigt trotzdem Stärke und Mut. Es zeigt, dass er fit und fähig ist und selbst in Stresssituationen reagieren kann. Das ist der Unterschied zu Biden", meint Weinberg.
Mit Spannung erwarteter Parteitag
Demokratin Lines glaubt, dass Trump im ersten Moment vor allem vom Adrenalin gesteuert wurde. Sie zeigt sich verwundert darüber - und würdigt zugleich -, dass sich Trump im weiteren Verlauf dann aber für seine Verhältnisse eher zurückhielt und auf wüste Rhetorik und Anschuldigungen verzichtete.
"Ob ihm das Foto einen weiteren Schub gibt, weiß ich nicht", sagt sie. "Es wird sehr darauf ankommen, wie es nun weitergeht und was auf dem Parteitag der Republikaner in Milwaukee diese Woche passiert." Während und nach einem Parteitag würde es immer etwas mehr Aufmerksamkeit für die jeweilige Partei geben. Sie erwarte deshalb ohnehin einen möglicherweise vorübergehenden Anstieg der Zustimmungswerte für Trump, der diese Woche noch einmal mehr in der Öffentlichkeit stehen wird.
Bis Donnerstag trifft sich seine Partei, um über die nächsten Monate im Wahlkampf und das Parteiprogramm zu beraten. Am Montag wurde Trump, der am Ohr ein großes Pflaster trug, offiziell als Kandidat aufgestellt. Außerdem nominierte er mit J.D. Vance, einem Senator aus Ohio, seinen Vizekandidaten.
Demokraten drängen auf rhetorische Abrüstung
Auch die Demokraten blicken mittlerweile nach vorne: "Wir als Democrats Abroad haben uns schon überlegt, wie wir unsere Botschaft weiter voranbringen können, ohne an der viel zu aufgeheizten Diskussion teilzunehmen", sagt Lines. Sie wünscht sich, dass es im Wahlkampf wieder mehr um Themen und weniger um Anfeindungen und Beleidigungen des Gegenkandidaten geht. "Wir finden weiterhin, dass Joe Biden und die Demokraten generell die bessere Wahl sind. Es sollte aber niemand zu einer derartigen Tat motiviert werden."
Weinberg scheint das gelassener zu sehen und weist darauf hin, dass die Wahlkämpfe in den USA traditionell deutlich "brutaler und kontroverser" seien als in europäischen Ländern. "Es war schließlich nicht das erste Attentat auf einen Präsidenten oder Präsidentschaftskandidaten", sagt der Republikaner. "Sowas passiert in Amerika – leider." Natürlich habe man gehofft, dass sowas nicht geschieht, überrascht sei er aber nicht gewesen. Die Emotionen seien auf beiden Seiten hochgekocht. Das liege aber, sagt Weinberg, vor allem an Biden, der viele Versprechungen nicht gehalten und es verpasst habe, Amerika zu einen.
Auf die Frage, ob Trump mit seiner Rhetorik denn in der Lage sei, das Land wieder zusammenzubringen, zögert Weinberg. "Ich glaube nicht, dass sich die beiden Kandidaten bei ihrer Ausdrucksweise groß unterscheiden", sagt er schließlich.
Zumindest Trumps neuer Vizekandidat Vance macht schon kurz nach dem Attentat weiter Stimmung, als er Biden auf "X" unterstellt, für die Schüsse hauptverantwortlich zu sein. Es wird deutlich: Eine gute Basis für einen gemäßigten Wahlkampf muss offenbar noch gefunden werden. Das Attentat auf Trump und der anschließende Schock in beiden Lagern dürfte das aggressive Präsidentschaftsrennen nur kurz unterbrochen haben.
Sendung: rbb24 Inforadio, 16.07.2024, 10:20 Uhr