AfD Berlin - "Schrill und ohne Galionsfigur"

Fr 11.10.24 | 06:42 Uhr | Von Agnes Sundermeyer
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Wahlkampfabschluss der Alternative für Deutschland (AfD) für die Bundestagswahl und die Wahl zum Berliner Abgeordentenhaus. (Quelle: dpa/Jürgen Heinrich)
Bild: dpa/Jürgen Heinrich

Am Wochenende will die Berliner AfD ihre Liste für die Bundestagswahl aufstellen. Ob die Partei so erfolgreich sein kann wie in anderen ostdeutschen Bundesländern, ist nach Auffassung eines Parteiforschers allerdings fraglich. Von Agnes Sundermeyer

Beatrix von Storch mangelt es nicht an großen Feindbildern: "Big Tech, Big Data und Big Pharma", rasselt von Storch am Telefon runter. Die Bundestagsabgeordnete will auf dem Parteitag der Berliner AfD am kommenden Wochenende wieder auf Platz eins kandidieren. Sie erklärt, gegen wen sich die AfD alles im "Kulturkampf" befindet: Gegen "Gender-Irrsinn, die Islamisierung und den Einfluss der globalen Finanzindustrie, der Technologiekonzerne, IT-Riesen und Arzneimittelhersteller", so von Storch. Ihr Tonfall klingt verächtlich, wenn sie die Namen ausspricht.

Selbstverständlich kandidiere sie wieder auf Patz eins, denn diese "Mission" der AfD sei ja noch nicht erfüllt. Aus ihrer Verachtung für das Thema Gendern machte die AfD-Bundestagsabgeordnete nie einen Hehl, zuletzt, als sie sich im Bundestag mit Zwischenrufen abfällig über die trans Politikerin der Grünen, Tessa Ganserer, äußerte. Dafür kassierte von Storch ein Ordnungsgeld.

Sie erwarte keine Gegenkandidaten, sagt die 52-Jährige auf die Nachfrage, wie sicher sie sich ihres Listenplatzes sei. Fragt man in Parteikreisen und im Landesvorstand nach, gilt von Storch tatsächlich als gesetzt. Seit zwei Legislaturen sitzt sie im Bundestag und ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Mit der Landesvorsitzenden Kristin Brinker gibt es keine Konkurrenzsituation - so lange jede auf ihrer Position bleibt, kommt man sich nicht in die Quere.

Etwa vier aussichtsreiche Listenplätze

Es wird damit gerechnet, dass sich am Samstag rund zehn Kandidaten in Jüterbog vor der Partei präsentieren wollen, um für die Liste zur Bundestagswahl zu kandidieren. Ab dem vierten Platz wird das eher ein Schaulaufen sein. Mitgliederparteitage werden oft genutzt, um sich vor der Partei zu "präsentieren" und für kommende Posten warmzulaufen. Als wirklich aussichtsreich gelten nur die ersten drei bis maximal vier Plätze.

In Parteikreisen gilt als sicher, dass der Berliner Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio auf Platz zwei antreten wird. Curio trat öffentlich mehrfach auf mit der Forderung nach einem Vollverschleierungsverbot. Auch von dem studierten Physiker kennt man schrille, muslimfeindliche und rassistische Töne. Schon während seiner Zeit im Berliner Abgeordnetenhaus sprach Curio am Rednerpult von vollverschleierten Menschen als "sprechendem, schwarzen Sack" von dem man nicht wisse, ob er einen "Sprengstoffgürtel unter dem Gewand trage".

"Schrille Lautsprecher"

Damit haben Curio und von Storch eines gemeinsam: "Die vorderen Listenkandidaten sind schrille Lautsprecher", fasst Politologe Professor Wolfgang Schroeder zusammen. Er forscht am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) zur AfD und ist außerdem Mitglied der SPD. Curio und von Storch seien keine "geschliffenen Berufspolitiker, die sich nach allen Seiten absichern", so Schroeder. Aber genau darum gehe es der AfD: Als Fundamentalopposition müsse sie sich gegen den Kurs des "Weiter so!" Aufmerksamkeit erkaufen. "Das schafft man nicht mit dem rationalen Diskurs."

Auf Platz drei wird der Berliner Parteisprecher Ronald Gläser kandidieren. Ein Platz, der zuletzt immer reserviert war für den Gymnasiallehrer Götz Frömming aus dem Pankower Landesverband. Doch Frömming ist nach Brandenburg gezogen. Das sei "seine Chance", so der 51-Jährige Gläser, in den Bundestag aufzurücken.

"Oktober 2024 ist nicht September 2025"

Gläser ist aktuell auch parlamentarischer Geschäftsführer der Berliner AfD im Abgeordnetenhaus. Er wolle sich vor allem für Pressefreiheit und "gegen die Zensur" einsetzen, sagte er dem rbb. Ein bekanntes Erzählbild der AfD, die den Medien unterstellt, der Regierung und den demokratischen Parteien nach dem Mund zu reden.

Gläser gibt sich verhalten optimistisch, dass die AfD den Höhenflug der vergangenen Wahlen in den ostdeutschen Bundesländern mitnehmen kann bis zu Bundestagswahl: "Oktober 2024 ist nicht September 2025", stellt Gläser nüchtern fest. Bis zur Bundestagswahl im September könne noch viel passieren. Nur eines "sei schwer vorstellbar: dass die Mitgliederzahlen des Landesverbandes einbrechen". Seit Januar 2023 wachsen sie konstant, sagt Gläser, von damals 1.000 auf aktuell 1.522.

Kampfkandidatur um Platz vier

Um Platz vier wird es aller Voraussicht nach eine Kampfkandidatur geben: Es wird erwartet, dass Sebastian Maack und Andreas Otti aus den Bezirksverbänden Reinickendorf und Spandau gegeneinander antreten. Beide waren bereits Bezirksstadträte. Seit 2021 kandidierte Andreas Otti mehrfach für eine zweite Amtsperiode als Stadtrat für Ordnungsangelegenheiten, er fiel aber immer wieder durch. Für Platz fünf wird in Parteikreisen das Mitglied der Jungen Alternative (JA), der Politikwissenschaftler Michael Gleichmann, genannt.

Für den Bundestagswahlkampf hofft Beatrix von Storch schon jetzt "auf eine harte AfD-Verbotsdebatte". Die "zahle auf die Kasse der AfD ein", so von Storch. Dass die AfD ohne Koalitionspartner keinen echten Politikwechsel erzielen kann, prallt an von Storch ab: "Klar werden wir nicht die Bundesregierung stellen. Aber in Thüringen haben wir immerhin eine Sperrminorität." Auch in Brandenburg ist das der Fall.

Schrille Töne schrecken ab

Die Wahlergebnisse aus den ostdeutschen Ländern sorgen immer noch für einen Höhenflug bei der Stimmung in der Berliner AfD. Erklärtes Ziel der Landesvorsitzenden Kristin Brinker ist es, in Berlin stärker in die bürgerliche Mitte vorzudringen, den extremen Rand weiß man schon hinter sich. Doch genau da liegt der Hemmschuh für die Berliner AfD. Eigentlich sei in der bürgerlichen Mitte, vor allem bei enttäuschten CDU-Wählern, einiges zu holen. Denn die Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien sei dort auch sehr groß geworden, so Politologe Schroeder. Es fehle aber "eine Galionsfigur, an der sich die Leute reiben und auch orientieren können, in ihrer eigenen Ungeduld und Kritik an dieser Stadt. So eine Art Heinz Buschkowsky, wie bei der SPD, der als Verantwortlicher auch Heimat mit abgebildet und glaubwürdig verkörpert hat".

Um erfolgreich zu sein, dürfe die AfD in Berlin nicht überziehen, so Schroeder. "Wenn sie nur auf schrill und Fundamentalopposition macht, wird es schwer, an die Gruppe der enttäuschten bürgerlichen Wähler ranzugehen." Das Spitzenpersonal, das sich am Samstag wieder zur Wahl stellt, steht allerdings genau dafür.

Gegen die AfD-Versammlung in der städtischen Wiesenhalle regt sich Protest. In sozialen Medien ruft ein "Solidarisches Bündnis gegen Rechts" dazu auf, am 12. Oktober auf dem Bahnhof Jüterbog gegen die AfD zu demonstrieren.

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Beitrag von Agnes Sundermeyer

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7 Kommentare

  1. 7.

    Feindbilder müssen herhalten für die Inhaltlosigkeit und Leere, keine Argumente zu finden usw. So ist das Klientel der AfD gestrickt. Nur mal nebenbei: ich finde das Gendern, dort wo es angebracht ist, in Ordnung, lasse mir selbst das Gendern aber nicht aufzwingen, dafür habe ich einfach eine zu gute rechtschreiberische Erziehung genossen. Und Respekt anderen gegenüber kann man auch ohne Gendern zeigen. Was den Inhalt des Berichts betrifft, wenn der Vogelmensch meint, gegen ihre Feindbilder erfolgreich vorgehen zu wollen, dann soll sie aber auch mal Lösungen präsentieren und keine tumben Scheinargumente ohne Erklärung loslassen. "Ich bin dafür, dass ich dagegen bin" ist zu primitiv. Aber die AfD wird sicher Lösungen für die dann entstehenden Probleme haben. Unsere Wirtschaft ginge zu Grunde, die Bevölkerung würde Not und Lebensmittel- sowie Arzneimittelverknappung spüren und leiden. Wer macht die Arbeit, die kein "Deutscher" machen will? Bin gespannt auf Sinn enthaltende Vorschläge.

  2. 6.

    Professor Schröder mit seiner AfD-Expertise ist also Mitglied der SPD (erst einmal gut, dass das überhaupt erwähnt wird). Ob seine Mitgliedschaft zu einer Beurteilung nach wissenschaftlichen Standards beiträgt, kann ja jeder für sich beurteilen. Man stelle sich vor, ein Parteienforscher mit AfD-Mitgliedschaft beurteilt die SPD und das Ganze in rbb24...

  3. 5.

    Und jetzt strengt man ernsthaft, ein Jahr vor der großen Wahl, noch ein Parteiverbot an. Deutlicher kann man nicht machen, dass man offensichtlich keine inhaltlichen Lösungen gegen die AfD anbieten kann.

  4. 4.

    Das ewige Geheule nervt. Statt eine AfD mal in die Pflicht zu nehmen und beweisen lassen das es klappt - klappt in vielen Kommunen - zeigt man wie undemokratisch und intolerant man agiert. Und genau das sieht der Bürger und fühlt sich bei der Ampelpolitik genauso ausgegrenzt und an der Seite der AfD. Linksaußen ist nicht besser, toleranter oder demokratischer, eher noch gewalttätiger „man meint es ja gut“.

  5. 3.

    Liebe Frau Storch, sagen Sie, ist dieser "Gender-Irrsinn" denn gerade hier mit uns im Raum?

  6. 2.

    Wenn sich die Medien und Politik so sehr damit beschäftigen würden was Bürger zu einer AfD treibt, statt sich ausschließlich mit der Partei selbst zu beschäftigen, währe man viele Schritte weiter. Im Endeffekt beschäftigt man sich lieber mit dem persönlichen Machterhalt statt um die echten Probleme die man schafft um eine AfD möglich zu machen. Zum Beispiel Waffenverkäufe an Kriegsparteien mit Steuergeldern und damit Flüchtlingsströme produziert werden Richtung EU. Scheint gewollt zu sein?

  7. 1.

    Bei aller Kritik an der AfD, aber sieht so eine neutrale Berichterstattung aus? Herr Sundermeyer ist ja mehr als bekannt dafür, nun setzt es sich bei Agnes Sundermeyer fort ...

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