Pro-palästinensische Proteste - Kinder in der ersten Reihe

Di 05.11.24 | 09:15 Uhr | Von Kerstin Breinig
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Pro-palaestinensische Demonstration in Berlin "Occupation is a Crime Demo - Take your hands off Palestine", am 30. März 2024 an der Eberswalder Straße. (Quelle: dpa/Eibner-Pressefoto/Jadranko Marjanovic)
Bild: dpa/Eibner-Pressefoto/Jadranko Marjanovic

Dass Eltern ihre Kinder auf Demos mitnehmen, kommt regelmäßig vor. Doch was, wenn die Kinder andere beleidigen oder verbotene Parolen brüllen? In Berlin ist das bei pro-palästinensischen Protesten zu beobachten. Von Kerstin Breinig

Es ist ein Abend Anfang Oktober in Berlin-Wedding. Auf dem Leopoldplatz wird für Palästina demonstriert, gegen Israel. Eine Kinderstimme ruft zur Intifada auf [Arabisch: Erhebung, Volksaufstand; Anm. d. Red.]. Die erwachsenen Demonstranten wiederholen die Parole.

Am Mikrofon steht ein kleines Mädchen, es ist vielleicht zehn, elf Jahre alt, vielleicht auch jünger. Minutenlang ruft das Kind Parolen, auf Deutsch, Englisch, Arabisch. Zum Beispiel: "We want 48" - das bedeutet, es äußert den Wunsch nach dem Zustand, bevor der Staat Israel gegründet wurde.

Es ist nicht die einzige Parole, die das Existenzrecht Israels bestreitet. Auch die in Deutschland seit November 2023 verbotene Parole "From the river to the sea" stimmt das Mädchen immer wieder an, auf Arabisch. Der Slogan bezieht sich auf die Hamas-Charta. Dort heißt es 2017 in Artikel 20: "Hamas lehnt jede Alternative zu einer kompletten und vollständigen Befreiung von Palästina ab, vom Fluss zum Meer."

Nach einigen Minuten darf das Mädchen zu seiner Mutter zurück, ein anderes Kind bekommt das Mikro in die Hand gedrückt. Ob die Kinder wirklich begreifen, was sie dort rufen, was die Slogans bedeuten, ist zumindest mehr als fraglich. Sie sind hier geboren, hier aufgewachsen, gehen hier in die Schulen. Was immer wieder deutlich wird, ist, dass Erwachsene die Kinder dirigieren. Sie sorgen dafür, dass sie sich abwechseln.

Archivbild: Levi Salomon, Preisträger Kategorie Kampf gegen Antisemitismus anl. der Verleihung des Simon-Wiesenthal-Preis 2021. (Quelle: dpa/Punz)Levi Salomon

"Das ist Erziehung zum Hass"

Levi Salomon vom Jüdischen Forum beobachtet pro-palästinensische Demos in Berlin seit Jahrzehnten. Dass Kinder eine so große Rolle spielen, ist nicht neu. Das gab es auch schon vor zehn, zwanzig Jahren. Auch damals standen Kinder in der ersten Reihe, erzählt er.

Auf Bildern von 2014 sind Kinder zu sehen, die blutrote Kleidung tragen und Puppen, die ebenfalls mit roter Farbe beschmiert sind. Ein Vater setzte damals sein vielleicht einjähriges Baby neben so eine Puppe auf den Boden. Daneben lag noch eine - ohne Kopf.

Es sind verstörende Bilder. Den Mann sieht Levi Salomon auch jetzt auf der Straße. So wie viele andere auch. Einige der Kinder von damals sind inzwischen erwachsen. Zu den Demonstrationen gehen sie immer noch, zum Teil mit ihren Kindern. "Das ist Erziehung zum Hass und schafft eine Kontinuität im Antisemitismus in diesem Milieu", sagt Salomon.

Die Geschichten über die Vertreibung 1948 und der Traum von der Rückkehr in "ihr" Land nach der Vernichtung Israels würden so von Generation zu Generation weitergegeben.

Polizei beobachtet Entwicklung - und ermittelt

Die Berliner Polizei stellt inzwischen vermehrt fest, dass "Minderjährige aktiv in die Demonstrationsdynamik eingebunden werden". In einem Fall ermittelt die Polizei jetzt gegen Eltern wegen Verstoßes gegen die Fürsorgepflicht. In einem anderen kursiert ein Video in den sozialen Medien: Zu sehen ist ein Junge, der mit einer Palästina-Fahne über den Breitscheidplatz läuft, verfolgt und dann gestoppt durch Berliner Polizisten. Am Ende steigt er in einen Polizeiwagen.

In unzähligen Kommentaren im Netz ist von Polizeigewalt die Rede, von der Verhaftung eines Elfjährigen, es werden Vergleiche zum Nationalsozialismus gezogen und Deutschland als Kriegspartei an der Seite Israels betrachtet. Dass das Kind ohne seine Eltern allein auf einer gewalttätigen Veranstaltung war und an seinen Vater übergeben wurde, erklärt die Polizei einen Tag später. Zwei Tage später ist der Junge wieder auf einer Kundgebung - diesmal auf einer eher islamistisch geprägten - und hält dort eine Rede.

Kinder dürfen an Demos teilnehmen

Grundsätzlich ist Kindern die Teilnahme an Demonstrationen in Begleitung ihrer Eltern erlaubt. Wenn sie aber bei strafbaren, gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligt oder anwesend sind, kann das ein Fürsorgeverstoß sein. Dann müsse die Polizei eingreifen, genauso dann, wenn Kinder Straftaten begehen, Gegendemonstranten beleidigen, angreifen, bespucken. Auch das passiert immer wieder.

Die FDP-Politikerin Karoline Preisler steht zwei, drei Mal pro Woche mit einem Schild am Rande der Demonstrationen. "Vergewaltigung ist kein Widerstand" steht darauf geschrieben. Dafür wird sie angefeindet, beleidigt, angegriffen. Von Kindern. "Einige der Kinder kenne ich inzwischen sehr gut. Die werden von der Szene mitgebracht", erzählt sie. Ohne Polizeischutz kann sie nicht mehr mit ihrem Schild am Rand stehen. Zu groß ist der Hass.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.10.2024, 16:20 Uhr

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Beitrag von Kerstin Breinig

85 Kommentare

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  1. 84.

    "46.Melli."
    Das liegt daran, dass in Deutschland solche Themen nicht kommuniziert werden.
    Wenn schon Menschen eine Strafe bekommen, wenn sie "Free Palästine" rufen, dann stimmt in diesem Land so einiges falsch.
    Und nein, es gibt in Deutschland keine unabhängige Berichterstattung über den Nahostkonflikt.

  2. 83.

    Der Genozid geht jeden Tag weiter. Und natürlich dürfen Menschen ihre Ablehnung solcher Vorgänge kundtun. Ebenso Kinder. Auch und gerade in der Stadt, in der sich Scholz für seine nicht enden wollenden Waffenexporte für diesen Krieg feiern lässt.

  3. 82.

    Sie verteidigen eine von allen Ländern offen als rechtsradikal bezeichnete Regierung, kommen Sie damit nicht in einen Gewissenskonflikt?
    Übrigens zieht die moralische Keule bei mir nicht, niedere Instinkte anzusprechen ist typisch für argumentative Leere, damit dürfen Sie gerne andere Leute behelligen!

  4. 81.

    Na ja, das kommt daher, dass man manches nicht wissen will!
    Natürlich gab es auch in der DDR die Sippenhaft, und zwar hoch Drei!

  5. 80.

    Man fängt ein Buch nicht in der Mitte an zu lesen um die ganze (!) Geschichte verstehen zu können ;-)

  6. 79.

    Oh Mann, anscheinend haben Sie über die Kindheit im Westen nur Vorurteile und schauen auf Ihre "seelige" DDR!
    Meine Eltern hatten nicht viel Geld und trotzdem hatte ich eine unbeschwerte Kindheit. Mit Ü60zig sehe ich mit Kopfschütteln auf das was heutige Kids Freizeitvergnügen nennen: Shoppen, daddeln, abhängen!

  7. 78.

    Der Osten war kinderfeindlich? Das ist ja nicht mehr auszuhalten. So behütet wie wir in den Ende 60er/Anfang 70er Jahren aufgewachsen sind, da konnten Westdeutsche Kinder in den Armenvierteln nur von träumen. Logisch, wenn man in den Großstädten damals wie heute zwischen Drogensüchtigen, Dreck und Armut aufwachsen muss.

  8. 77.

    Zwangsadoptionen gab es zu Hauf auch im Westen.
    Was in Westlichen Kinderheimen geschah , da brauch man nicht darüber reden
    Verdammt nochmal der Westen war zu dieser Zeit genauso Kinderfeindlich wie der Osten.
    Ich kann es nicht mehr hören.

  9. 76.

    Und wer versteckt sich völkerrechtswidrig unter den Zivilisten? Die Hamas, die nach der IV. Genfer Konvention eigentlich die Zivilisten in Sicherheit bringen müsste!
    Wer versteckt Geiseln völkerrechtswidrig mit ihren Bewachern in Flüchtlingslagern? Die Hamas!
    Wer hat völkerrechtswidrig Geiseln genommen und beim Massaker am 07.10.2023 gegen Frauen und Mädchen vor ihrer Ermordung sexuelle Gewalt vorgenommen und diese auch noch gefilmt und auf YouTube noch als "Trophäe" ins Netz gestellt und sich so aus der Reihe der zivilisierten Menschen gestellt! Es waren die Hamasterroristen!
    Und was tun sie hier? Sie versuchen den Krieg auf unsere Straßen zu tragen und das im Schutz von Kindern!

  10. 75.

    Wollen sie ernsthaft Zwangsadoptionen in der DDR bestreiten? So mancher Kommentar von Ostalgikern nimmt bizarre Züge an.

    https://www.deutschlandfunkkultur.de/zwangsadoptionen-in-der-ddr-die-gestohlenen-kinder-100.html

  11. 72.

    Bei wievielen Toten hört Israel denn auf von Verteidigung zu sprechen…..es sind bereits über 43.000 Menschen im Gaza getötet worden, überwiegend Frauen und Kinder, das hat mit Verteidigung NICHTS mehr zu tun!

  12. 70.

    Auch Kinder schauen fern , sie hören die Zahlen von getöteten Kindern und Müttern.
    Siehe auch die Offiziellen Zahlen der UNO.
    Warum sollen sie also nicht ihre Meinung zu besten geben ?
    Wie sollen wir damit umgehen , was sagen , was verschweigen.
    Sollen wir unsere Kinder anlügen ?
    Leute wir leben im Zeitalter des Internets.

  13. 69.

    Nein, nur das Jugendschutzgesetz durchsetzen! Hier werden Kinder missbraucht um ungestraft Volksverhetzung und andere Straftaten zu verwirklichen!

  14. 68.

    Das der Mensch einfache Wege geht und die WIrkung kritisiert aber die Ursache einfach vergisst. Die Welt besteht aber nun mal aus Ursache und Wirkung aus Physik und Mahtematik und das kann man nachweisen ja sogar brechnen. Man muss nur in der Schule aufpassen und zuhören was man gelehrt bekommt.

  15. 67.

    Mit dem Ausdruck Semitismus bezeichnet man sprachwissenschaftlich eine Anleihe an Konstruktions- oder Ausdrucksweisen, wie sie in semitischen Sprachen üblich ist. Hierbei muss man bemerken das die Bundesregierung sich eine eingene Definition erstellt hat die eben nichts mit der Wahrheit bzw. mit dem Ursprung zu tun hat.

  16. 66.

    das sind Völkische Ansichten, diese sind heutzutage gesichert rechstextrem > Quelle > Verfassungsschutz

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