Pro-palästinensische Proteste - Kinder in der ersten Reihe

Di 05.11.24 | 06:19 Uhr | Von Kerstin Breinig
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Ein Kind spricht während einer pro-palästinensischen Demo im Oktober 2024. (Quelle: tagesschau.de/JFDA)
Bild: tagesschau.de/JFDA

Dass Eltern ihre Kinder auf Demos mitnehmen, kommt regelmäßig vor. Doch was, wenn die Kinder andere beleidigen oder verbotene Parolen brüllen? In Berlin ist das bei pro-palästinensischen Protesten zu beobachten. Von Kerstin Breinig

Es ist ein Abend Anfang Oktober in Berlin-Wedding. Auf dem Leopoldplatz wird für Palästina demonstriert, gegen Israel. Eine Kinderstimme ruft zur Intifada auf [Arabisch: Erhebung, Volksaufstand; Anm. d. Red.]. Die erwachsenen Demonstranten wiederholen die Parole.

Am Mikrofon steht ein kleines Mädchen, es ist vielleicht zehn, elf Jahre alt, vielleicht auch jünger. Minutenlang ruft das Kind Parolen, auf Deutsch, Englisch, Arabisch. Zum Beispiel: "We want 48" - das bedeutet, es äußert den Wunsch nach dem Zustand, bevor der Staat Israel gegründet wurde.

Es ist nicht die einzige Parole, die das Existenzrecht Israels bestreitet. Auch die in Deutschland seit November 2023 verbotene Parole "From the river to the sea" stimmt das Mädchen immer wieder an, auf Arabisch. Der Slogan bezieht sich auf die Hamas-Charta. Dort heißt es 2017 in Artikel 20: "Hamas lehnt jede Alternative zu einer kompletten und vollständigen Befreiung von Palästina ab, vom Fluss zum Meer."

Nach einigen Minuten darf das Mädchen zu seiner Mutter zurück, ein anderes Kind bekommt das Mikro in die Hand gedrückt. Ob die Kinder wirklich begreifen, was sie dort rufen, was die Slogans bedeuten, ist zumindest mehr als fraglich. Sie sind hier geboren, hier aufgewachsen, gehen hier in die Schulen. Was immer wieder deutlich wird, ist, dass Erwachsene die Kinder dirigieren. Sie sorgen dafür, dass sie sich abwechseln.

Archivbild: Levi Salomon, Preisträger Kategorie Kampf gegen Antisemitismus anl. der Verleihung des Simon-Wiesenthal-Preis 2021. (Quelle: dpa/Punz)Levi Salomon

"Das ist Erziehung zum Hass"

Levi Salomon vom Jüdischen Forum beobachtet pro-palästinensische Demos in Berlin seit Jahrzehnten. Dass Kinder eine so große Rolle spielen, ist nicht neu. Das gab es auch schon vor zehn, zwanzig Jahren. Auch damals standen Kinder in der ersten Reihe, erzählt er.

Auf Bildern von 2014 sind Kinder zu sehen, die blutrote Kleidung tragen und Puppen, die ebenfalls mit roter Farbe beschmiert sind. Ein Vater setzte damals sein vielleicht einjähriges Baby neben so eine Puppe auf den Boden. Daneben lag noch eine - ohne Kopf.

Es sind verstörende Bilder. Den Mann sieht Levi Salomon auch jetzt auf der Straße. So wie viele andere auch. Einige der Kinder von damals sind inzwischen erwachsen. Zu den Demonstrationen gehen sie immer noch, zum Teil mit ihren Kindern. "Das ist Erziehung zum Hass und schafft eine Kontinuität im Antisemitismus in diesem Milieu", sagt Salomon.

Die Geschichten über die Vertreibung 1948 und der Traum von der Rückkehr in "ihr" Land nach der Vernichtung Israels würden so von Generation zu Generation weitergegeben.

Polizei beobachtet Entwicklung - und ermittelt

Die Berliner Polizei stellt inzwischen vermehrt fest, dass "Minderjährige aktiv in die Demonstrationsdynamik eingebunden werden". In einem Fall ermittelt die Polizei jetzt gegen Eltern wegen Verstoßes gegen die Fürsorgepflicht. In einem anderen kursiert ein Video in den sozialen Medien: Zu sehen ist ein Junge, der mit einer Palästina-Fahne über den Breitscheidplatz läuft, verfolgt und dann gestoppt durch Berliner Polizisten. Am Ende steigt er in einen Polizeiwagen.

In unzähligen Kommentaren im Netz ist von Polizeigewalt die Rede, von der Verhaftung eines Elfjährigen, es werden Vergleiche zum Nationalsozialismus gezogen und Deutschland als Kriegspartei an der Seite Israels betrachtet. Dass das Kind ohne seine Eltern allein auf einer gewalttätigen Veranstaltung war und an seinen Vater übergeben wurde, erklärt die Polizei einen Tag später. Zwei Tage später ist der Junge wieder auf einer Kundgebung - diesmal auf einer eher islamistisch geprägten - und hält dort eine Rede.

Kinder dürfen an Demos teilnehmen

Grundsätzlich ist Kindern die Teilnahme an Demonstrationen in Begleitung ihrer Eltern erlaubt. Wenn sie aber bei strafbaren, gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligt oder anwesend sind, kann das ein Fürsorgeverstoß sein. Dann müsse die Polizei eingreifen, genauso dann, wenn Kinder Straftaten begehen, Gegendemonstranten beleidigen, angreifen, bespucken. Auch das passiert immer wieder.

Die FDP-Politikerin Karoline Preisler steht zwei, drei Mal pro Woche mit einem Schild am Rande der Demonstrationen. "Vergewaltigung ist kein Widerstand" steht darauf geschrieben. Dafür wird sie angefeindet, beleidigt, angegriffen. Von Kindern. "Einige der Kinder kenne ich inzwischen sehr gut. Die werden von der Szene mitgebracht", erzählt sie. Ohne Polizeischutz kann sie nicht mehr mit ihrem Schild am Rand stehen. Zu groß ist der Hass.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.10.2024, 16:20 Uhr

Beitrag von Kerstin Breinig

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17 Kommentare

  1. 17.

    Hier ist es ähnlich, aber anders. Die, die mit 6 Jahren für Hass und Hetze instrumentalisiert werden, sitzen mit 16 in meinen Berufsschulklassen. Ja, sie wissen überhaupt nicht, was sie von sich geben, haben zwar starke Meinungen, aber letztlich überhaupt keine Ahnung von den komplexen politischen Zusammenhängen, und keinerlei Blick für die deutlich mehr als zwei Seiten der Geschichte. Umso stärker sind sie davon überzeugt, dass sie selbst es sind, die "gecancelt", "unterdrückt" und "mundtot" gemacht werden -- obwohl sie es eigentlich wissen: dass ihre eigene Gruppe die ideologische und religiöse Diskursmacht an den Schulen, auf den Straßen, im Internet, weitgehend auch in der Wissenschaft komplett gekapert hat. Schon seit Jahren ist es an meiner Schule (wir bilden Erzieher und Sozialarbeiterinnen aus) für jüdische Schüler*innen undenkbar, sich zu ihrer Kultur, ihrem Glauben zu bekennen. Sie wissen, was ihnen blühen würde. "Spielen mit Juden", undenkbar.

  2. 16.

    dann ist ihnen sicherlich auch schon aufgefallen, dass sehr sehr viele dieser Demonstrationen kaum ohne Gewalt auskommen; egal ob gegen Polizei oder Gegendemonstranten... ganz abgesehen von teilweise anti-israelischen und anti-semitischen Parolen die dort gerufen werden.

    Hier liegt der Fehler eindeutig darin, dass den extremen Demosntranten eine Bühne für Hass gegeben wird und die Stimmen der Vernunft dabei völlig untergehen. Diese Demonstranten erweisen vielen Palästinensern und deren Unterstützern einen Bärendienst indem sie nur ein Bild von gewaltbereiten Demosntranten schaffen, welches sich dann in der Gesellschaft festsetzt.

  3. 15.

    Guter Kommentar @claus. Ich kenne keine Demo zu diesem Thema die nicht seitens Polizei abgebrochen wurde. Jede Kritik an Israel wird im Keim erstickt, egal wie gerechtfertigt. Die deutsche Doppelmoral der Ampel ist unerträglich. Heutige Zahl Israels: 900 Hamas-Kämpfer tot, 45.000 Zivilisten (Frauen, Kinder) auch. Die Verhältnismäßigkeit ist ungeheuerlich. In der Ukraine sind es übrigens 11.000 tote Zivilisten in 3 Jahren

  4. 14.

    wo hab ich was getan?

    Die Querdenker-Bewegung kann man sicherlich einem politischen Spektrum zuordnen. Hab ich aber nicht getan weil - wie gesagt - das politische Spektrum hier nichts zur Sache tut.

  5. 10.

    können wir gerne tun und für diese Demos in den 70er und 80er bin ich eindeutig noch zu jung um diese zu kennen. Wobei ich auch nicht einschätzen kann, inwieweit diese Demos Gefahrpotenziel hatten; sowohl für Eltern als auch die Kinder.

    Jedoch wollte ich es grundsätzlich vermeiden hier ein politisches Spektrum ins Spiel zu bringen, weil das der Diskussion nicht zweckdienlich ist.

  6. 9.

    Und mich an linke Demos der 70erund 80er. Diese Art, Kinder zu instrumentalisieren ist nicht neu. Vielleicht einigen wir uns darauf, dass Eltern, die ihre Kinder auf Demos schleifen, bei denen mit gewalttätige Auseinandersetzungen zu rechnen ist, das absolut Letzte sind.

  7. 8.

    „Hier werden Proteste unterdrückt“?? Wovon reden Sie. Hier finden ständig Proteste statt. In dem Artikel geht es darum,dass Kinder instrumentalisiert werden. Das verbreiten von Lügen sollte verboten werden.

  8. 6.

    Das Verhalten was die Eltern hier an den Tag legen, ist in höchstem Maße verstörend und erinnert stark an die Querdenker-Demos, bei welchen die Demosntranten auch Kinder in die erste Reihe geholt haben, damit seitens der Polizei kein Zwang ausgeübt werden kann, die Demonstranten zurückzudrängen oder die Demo aufzulösen.

    Freie Meinungsäußerung ist und bleibt ein hohes Gut und auch Kinder haben einen Anspruch auf dieses Grundrecht. Wenn diese Kinder jedoch dafür instrumentalisiert werden, um eigene(teils strafbare) Äußerungen zu tätigen und Kinder auf diesen Demonstrationen womöglich noch in Gefahr bringen, zweifel ich stark an dem Fürsorgegedanken der Eltern ggü. ihren Kindern.

  9. 5.

    Ja, da kann man doch nur Respekt und Mitgefühl haben.

  10. 4.

    Wie soll Frieden auf der Welt herrschen, wenn es nicht einmal gelingt, im kleinen Kreis friedlich miteinander auszukommen? Was ist mit den Menschen los, dass sie immer wieder aufeinander losgehen? Miteinander und nicht gegeneinander, wie schön könnte es auf dieser Welt sein. Aber nein, zerstören, aufbauen, zerstören, aufbauen und das seit Jahrhunderten. Wann endlich setzt mal ein Lerneffekt ein?

  11. 3.

    Die Kinder hab ich in der Schule, sie sind zerrissen, traumatisiert und ja, sie wissen meist nicht was es bedeutet was sie rufen. Es ist so schlimm das sie instrumentalisiert werden. Denn in der Schule spielen sie meist problemlos mit jüdischen Kindern, auch allen möglichen Nationalitäten.

  12. 2.

    Es gibt nur eine einzige Art und Weise, angemessen auf Kindeswohlgefährdung zu reagieren, und das ist die Inobhutnahme!

  13. 1.

    Die Welt berichtet anders über den Genozid und die komplette Zerstörung des Gazas als deutsche Medien. Selbst die USA verurteilt offen das Vorgehen Israels. Verbot von Berichterstattungen, von UN sowie das beschiessen von UN-Truppen sind noch harmlose Ereignisse. Würde Russland so agieren in der Ukraine wie Israel bei seinen Nachbarn, wäre der weltweite Aufschrei größer. Hier unterdrückt man sogar Proteste unserer Mitbürger. So steigt der Druck.

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