Berlin und Brandenburg - Umsatz-Boost durch WM bleibt in Gastronomie und Einzelhandel aus
In den Vorjahren waren Fußball-Großereignisse klare Umsatztreiber für Kneipen und Geschäfte aus der Region. Zur Weltmeisterschaft in Katar sind Angebot und Nachfrage deutlich geringer. Doch das liegt nicht nur an der Kritik an der WM.
Die ersten Fußball-Trikots hängen bereits im Sale und der Aufsteller mit schwarz-rot-goldener Schminke steht in der hintersten Ladenecke. In vielen Geschäften wurden Fan-Artikel zur Weltmeisterschaft gar nicht erst ins Sortiment aufgenommen.
"Normalerweise ist eine WM ein Umsatztreiber. Das stellen wir in diesem Jahr nicht fest", sagt Philipp Haverkamp vom Handelsverband Berlin-Brandenburg.
Auch in den Berliner Kneipen, die die Fußball-Spiele übertragen, bleiben viele Plätze leer. Anders als in den Vorjahren ist die WM in Katar kein Umsatzgarant für Gastronomie und Einzelhandel.
Es weihnachtet sehr
Die fehlende Fußball-Euphorie im Einzelhandel hat teilweise ganz pragmatische Gründe. "Unsere Händlerinnen und Händler schmücken im Moment weihnachtlich - und das heißt, da ist oft auch schlicht der Platz nicht da, um groß zur WM zu schmücken und auszustatten", so Haverkamp.
Die Fan-Artikel werden sonst auf Sonderflächen angeboten. Dort gibt es jetzt Adventskalender, Weihnachtsbaumschmuck und Geschenkpapier. Auch die Schaufenster sind winterlich dekoriert. Laut Haverkamp erwirtschaften viele Branchen mit dem Weihnachtsgeschäft mehr als 25 Prozent ihres Jahresumsatzes. "Da liegt momentan die Priorität."
Auch für die Kundinnen und Kunden gehe es bei ihren Einkäufen darum zu priorisieren. "Wir haben im Moment durch die Energiekrise, durch die große Unsicherheit bei unseren Kundinnen und Kunden sowieso eine Kaufzurückhaltung", sagt Haverkamp. Angesichts der hohen Inflationsrate hat sich das Kaufverhalten verändert. Wer Geld ausgebe, würde dies für Geschenke tun.
Die Gastronomie hadert im Vergleich zu vergangenen Europa- und Weltmeisterschaften eher mit den Witterungsbedingungen als mit dem Weihnachtsgeschäft. "Viele Gastronomen haben ihre Bildschirme auch nach draußen gestellt. Man hat gemeinsam geguckt. Darüber hinaus gab es auch große Fan-Meilen", sagt Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands Berlin, rückblickend. Bei einer WM im November und Dezember sei das so nicht möglich.
Boykott statt Beifall
Auch die Menschenrechtsverstöße, die im Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft und dem Gastgeberland Katar stehen, haben dazu geführt, dass sich Gastronomie und Handel in diesem Jahr anders verhalten. Philipp Haverkamp vom Handelsverband nennt das Beispiel des Lebensmitteleinzelhändlers Rewe, der langjähriger Partner der Nationalmannschaft war und seine Kooperation vorzeitig beendete, nachdem der Deutsche Fußball-Bund auf die "One Love"-Binde verzichtet hatte.
Einige Kneipen, die bei Vergangenheit zum Public Viewing einluden, verzichten aus Protest nun darauf und nehmen Umsatzeinbußen in Kauf. Das ist aber auch nicht überall der Fall: "Wenn man ganz, ganz ehrlich ist, gibt es bei den Deutschland-Spielen Kneipen, die voll bis unter die Decke sind", so Thomas Lengfelder. Bei anderen Begegnungen sei das Interesse zwar geringer, aber das sei auch bei vorherigen Turnieren so gewesen.
Sendung: rbb24, 01.12.2022, 21:45 Uhr