Interview | Ex-Unioner Kopplin über WM-Kritik - "Die skandinavischen Verbände sind Vorreiter"
Der dänische Fußballverband hat mit seiner starken Kritik gegen die Fifa eine gefühlte Vorreiterrolle eingenommen. Der gebürtige Berliner und Ex-Unioner Björn Kopplin lebt seit fünf Jahren in Dänemark und spricht im Interview über die WM-Stimmung im Land.
rbb|24: Herr Kopplin, Sie leben seit 2017 in Dänemark. Schlagen bei dieser WM schon zwei Herzen in Ihrer Brust oder haben Sie mit der dänischen Nationalmannschaft nichts am Hut?
Björn Kopplin: Ich bin deutsch und bleibe deutsch. Also bin ich auch bei dieser WM Deutschland-Fan. Aber solange sie nicht gegeneinander spielen, unterstütze ich natürlich auch Dänemark. Das ist schon ein kleines zweites Herz in meiner Brust dazugekommen.
Wie ist die WM-Stimmung in Dänemark? Sind die Kneipen und Restaurants voll mit Leuten, die Fußball gucken wollen?
Es werden tatsächlich beim Public Viewing ganze Hallen gefüllt. Aber natürlich würde eine Sommer-WM mehr Leute anziehen. Alleine schon wegen des besseren Wetters. Grundsätzlich gucken hier schon ziemlich viele Leute. Natürlich gibt es teilweise auch Boykott, aber das ist ähnlich wie in Deutschland. Da haben das Spiel gegen Spanien ja auch wieder ziemlich viele Leute gesehen, weil es einfach eine Hammer-Partie war. Und so ist es hier auch.
Trifft das auch auf die Kritik rund um die WM in Katar zu, oder würden Sie sagen, dass diese Themen unter den dänischen Fans noch schärfer diskutiert werden? Schließlich wirkt Dänemark gerade ein bisschen wie das Protest-Land.
Ich würde eher behaupten, dass das derzeit in Deutschland noch stärker diskutiert wird. Vor der WM war die Kritik in Dänemark viel lauter. Während des Turniers ist es jetzt ruhiger geworden. Ich glaube, die Menschen wollen sich jetzt mehr auf den Fußball konzentrieren.
Sehr lautstark hat sich der dänische Fußballverband (DBU) geäußert und nimmt damit eine Art Vorreiterrolle ein. Nach dem Verbot der "One-Love"-Kapitänsbinde kündigte der DBU an, Fifa-Präsident Gianni Infantino bei der kommenden Wahl nicht mehr unterstützen zu wollen und sogar einen Austritt aus der Fifa zu erwägen. Ist diese klare Haltung denn ein Thema unter den dänischen Fans?
Die Rolle des DBU wird hier schon viel diskutiert und viele finden die starke Positionierung richtig. Auch ich glaube, dass es gut ist, dass der dänische Verband sich so einsetzt. So wird Aufmerksamkeit für die Probleme erzeugt. Ob sie damit jetzt Vorreiter sind, dass weiß ich nicht. Auch Norwegen und Schweden haben sich vor der WM stark positioniert. Die skandinavischen Verbände sind sich da sehr ähnlich, also sind sie bei der starken Kritik alle Vorreiter. Dänemark ist jetzt halt nur die einzige skandinavische Nation, die bei der WM dabei ist. Deshalb wirkt es vielleicht bei uns extremer. Aber diese Einstellung haben hier viele. Schon bei ausländischen Investoren sind die Diskussionen in den skandinavischen Ligen riesig. Die WM in Katar setzt da nochmal eine ordentlich Schippe drauf.
Wie stehen die Dänen zum Verhalten der anderen europäischen Verbände? Wurde das Mundzuhalten der deutschen Nationalspieler vor dem Spiel gegen Japan für ein starkes Zeichen gehalten?
Das ging relativ normal durch die Presse und viele waren der Meinung, dass es eine coole Aktion war. Aber wie schon gesagt, kommt es für viele Dänen jetzt darauf an, sich auf das Sportliche und die Spiele zu konzentrieren. Die Haltung der anderen europäischen Verbände ist bisher kein großes Thema.
Sprechen wir zum Abschluss noch über Ihren Heimatverein. Sie haben viele Jahre beim 1. FC Union Berlin gespielt und sind diesem sogar auch familiär sehr verbunden: Ihre Mutter ist Manschaftsbetreuerin bei den Köpenickern. Was sagen Sie zum aktuellen Höhenflug?
Das ist grandios. Eigentlich ist es unglaublich, wenn man sieht, wo sie herkommen. Als ich damals zum ersten Mal wegging, standen sie kurz vor der Insolvenz und standen in der vierten Liga. Und dann haben sie sich so nach oben gekämpft. Das ist sensationell. Jetzt können sie sogar in der Bundesliga oben mitspielen. Mal schauen, wie lange das klappt, aber ich hoffe, dass es so lange wie möglich anhält. Ich glaube, da helfen auch das Stadion und die Fans bei Heimspielen sehr, dadurch, dass es so eng ist in der Alten Försterei. Ich sehne mich also nicht so sehr nach dem Umbau, obwohl er natürlich nötig ist.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Lukas Witte.
Sendung: rbb24, 29.11.2022, 18 Uhr