Hanning über deutsche Handballer bei der WM - "Sie haben Leidenschaft und Herz gezeigt"
Bis 2021 war Bob Hanning noch der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes. Vor dem anstehenden WM-Viertelfinale zieht der Geschäftsführer der Füchse Berlin ein Zwischenfazit und spricht über die Chancen der DHB-Auswahl gegen Topfavorit Frankreich.
rbb|24: Wie und wo haben Sie am Montag die 26:28-Niederlage der deutschen Handball-Nationalmannschaft gegen Norwegen verfolgt?
Bob Hanning: Wie ganz viele deutsche Handball-Fans auch: Ich habe vor dem Fernseher mitgezittert und mitgefiebert. Leider hat es dann am Ende gegen starke Norweger nicht ganz gereicht.
2021 haben Sie nach acht Jahren den Posten des Vizepräsidenten beim Deutschen Handballbund aufgegeben. Wie hat sich seitdem die Beziehung und die Gefühlslage zum DHB verändert?
Es waren acht sehr intensive Jahre beim DHB. Wir haben den Verband in dieser Zeit kernsaniert und zu einem wirklich modernen Verband entwickeln können. Wir haben im nächsten Jahr die Europameisterschaft und 2027 die Weltmeisterschaft der Männer nach Deutschland holen können. Jetzt im Sommer steigt auch die Weltmeisterschaft der Junioren mit der Endrunde in Berlin. Natürlich steht man mit den Verantwortlichen noch in Kontakt, unter anderem mit dem DHB-Präsidenten Andreas Michelmann. Ich bin noch nah dran, aber Wehmut habe ich nicht. Man zittert und fiebert aber genauso mit, weil dafür lieben wir ja alle unseren Sport.
Was ist Ihnen im Spiel gegen Norwegen, aber auch in den Spielen zuvor durch den Kopf gegangen, wenn Sie der deutschen Mannschaft zugeschaut haben?
Die Leistung der Mannschaft muss man etwas differenziert betrachten. Bis zum Norwegen-Spiel haben wir gegen Mannschaften gespielt, die wir alle schlagen müssen und wofür wir die Qualität im Kader auch haben. Die Art und Weise, wie wir gespielt haben, hat mir sehr gut gefallen. Sowohl im Angriffsspiel als auch in der Abwehr haben wir tollen Handball geboten, haben auf der Platte Leidenschaft und Herz gezeigt, von daher war das sehr positiv für den deutschen Handball und wir sind bislang gut von der Mannschaft vertreten worden.
Und was war gegen die Norweger anders?
Gegen Norwegen haben wir das Spiel verdient verloren, weil da so ein bisschen die Körperlichkeit gefehlt hat. Trainer Alfred Gislason hatte einen Torwartwechsel vorgenommen, völlig zurecht auch, um Andreas Wolff etwas zu schonen. Das funktionierte aber nicht und wir mussten die Abwehr früh umstellen. Und obwohl Juri Knorr der Alleinunterhalter im Angriffsspiel war, haben wir das Spiel nochmal kippen können und zeitweise sogar geführt. Trotzdem hat mir etwas die Leichtigkeit und Frische gefehlt. Wir sind immer wieder an Bergerud (Torhüter der Norweger, Anm. der Red.) gescheitert, weil wir uns auch die Situationen nicht so genommen haben, wie wir sie uns hätten nehmen müssen. Und wenn man dann auf einen Spieler im Angriff fast schon angewiesen ist, dann wird's schwierig.
Der von Ihnen erwähnte Juri Knorr von den Rhein-Neckar Löwen ist mit seinen 22 Jahren bereits der Kopf der Mannschaft, besticht vor allem durch seine technischen Fähigkeiten und seine Spielintelligenz. Überrascht sie seine Leistung bei diesem Turnier?
Er ist wieder mal ein Mittelmann der Nationalmannschaft auf hohem Niveau. Im Norwegen-Spiel hat er aber in der Endphase auch viele Fehler gemacht, weil er nicht mehr die Unterstützung seiner Nebenleute bekommen hat. Grundsätzlich empfinde ich die Entwicklung von Juri als sehr positiv und freue mich sehr darüber.
Bei der WM 2021 in Ägypten ist die DHB-Auswahl noch Zwölfter geworden, jetzt ist man bereits im Viertelfinale. Was hat sich aus Ihrer Sicht seitdem getan?
Der Umbruch der Mannschaft ist gelungen. Wir hatten zwei ganz schwierige Jahre mit Corona und dem ein oder anderen Rücktritt. Ich glaube aber, dass wir eine ganz gute Mischung haben und dass die Mannschaft sich einig ist, mit Herz und Leidenschaft zu spielen. Das Trainerteam um Alfred Gislason hat daran natürlich auch seinen Anteil. Da sind viele Leute involviert und ich glaube auch, dass das Umfeld unter der Leitung von Axel Kromer (DHB-Vorstand, Anm. der Red) einen guten Job macht.
Paul Drux ist der einzige Akteur ihrer Füchse im deutschen Aufgebot. Gegen Norwegen fehlte er wegen einer Erkältung. Wie bewerten Sie seine Leistung bis hierhin?
Er hat für meine Begriffe bislang zu wenig gespielt. Ich konnte gerade nochmal mit ihm sprechen. Die Mannschaft ist heute auf dem Weg nach Danzig. Paul ist mit dabei. Und er hätte der Mannschaft gegen Norwegen natürlich helfen können mit seiner Körperlichkeit, sowohl in der Dynamik vorne im Eins-gegen-Eins als auch im Abwehrspiel. Ich hoffe, dass er im Viertelfinale spielen kann. Gestern hat er sich noch nicht so gut angehört wie heute, aber ich hoffe, dass er gegen Frankreich zum Einsatz kommt.
Frankreich ist Olympiasieger, Rekordweltmeister, gespickt mit Weltklasse-Spielern, die sehr körperlichen Handball spielen. Was trauen Sie dem deutschen Team am Mittwoch (20:30 Uhr) im Viertelfinale zu?
Wenn ich ehrlich bin, sind die Franzosen neben den Dänen meine absoluten Topfavoriten. Da kommt noch Schweden dazu, die die WM im eigenen Land haben. Dahinter folgt im erweiterten Kreis eine Gruppe mit den Norwegern, den Spaniern und auch ein bisschen mit uns. Gegen diese Mannschaft der Franzosen zu spielen, wird wirklich schwer. Wenn wir zehnmal gegen sie in ihrer jetzigen Verfassung spielen, kann unsere Mannschaft vielleicht zwei im besten Fall drei Spiele gewinnen. Wir sind klarer Außenseiter, aber wir sind auch nicht chancenlos.
Sollte Deutschland ins Finale einziehen, werden Sie dann vor Ort sein?
Ja, das ist dann ein absolutes Muss. Da wäre ich dann live dabei, um es mir in der Halle anzuschauen.
Herr Hanning, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Das Interview führte Fabian Friedmann aus der rbb-Sportredaktion.
Sendung: rbb24|Inforadio, 25.01.2023, 11:15 Uhr