Interview | Ex-Cottbuser Marc-Andre Kruska - "Energies Fans haben es verdient, Zweitligafußball in der Lausitz zu sehen"
Nach 13 Spielen ist Energie Cottbus weiter Tabellenführer in der 3. Liga. Manch einer hofft gar auf den Durchmarsch in die 2. Bundesliga – so, wie Ex-Kapitän Marc-Andre Kruska. Ein Gespräch über fliegende Wasserkästen, die Lausitz und den Vulkan Wollitz.
rbb|24: Herr Kruska, es ist mittlerweile über zehn Jahre her, dass Sie Ihr letztes von 153 Spielen für Energie Cottbus absolviert haben. Woran denken Sie als erstes, wenn sie an Ihre Zeit in der Lausitz denken?
Marc-Andre Kruska: Daran, dass meine Zeit dort richtig gut war. Fußballerisch hatte ich meine besten Jahre in Cottbus, ich wurde dort Kapitän und habe sehr viele positive Gefühle, wenn ich an Energie denke.
Und wie intensiv verfolgen Sie Ihren Ex-Verein heute noch?
Intensiv wäre wahrscheinlich übertrieben. Aber natürlich schaue ich immer mal, was in der Lausitz so passiert. Ab und zu habe ich noch Kontakt zu Pele und manchmal zu meinem ehemaligen Nachbarn Rene Stiller, der für Energie das Museum pflegt.
Von außen erlebt man Claus-Dieter aka. Pele Wollitz ja oft als Vulkan an der Seitenlinie. Wie haben Sie ihn in den gemeinsamen zweieinhalb Energie-Jahren wahrgenommen?
Ich weiß noch, dass schon viel von mir erwartet wurde, als ich damals nach Cottbus gekommen bin. Und dann habe ich die ersten Spiele echt nicht gut gespielt. Pele hat mich dann zur Seite genommen und gesagt: "Marc, mach dir nicht so viele Gedanken. Du wirst bei mir spielen und richtig wichtig." Dieses Menschliche zeichnet ihn am meisten aus. Wenn du auf dem Platz hart arbeitest, ist er immer für dich da – und wahrscheinlich mittlerweile noch ein bisschen entspannter.
Das heißt, im Vulkan Wollitz hat es damals noch ein bisschen mehr gebrodelt?
Ich glaube, er war früher einfach noch impulsiver. Es gab Spiele, in denen wir richtig schlecht waren und dann wurde es auch mal richtig laut in der Kabine. Da ist dann auch mal ein Wasserkasten durch die Luft geflogen. Aber diese Emotionen und diese Leidenschaft für den Fußball müssen sein, und manchmal musst du sie halt rauslassen.
Lassen Sie uns den Fokus auf die sportliche Arbeit von Wollitz schwenken: Was zeichnet ihn taktisch aus?
Pele will mit seinen Mannschaften gerne den Ball haben, gradlinig zum Tor spielen, effektiv sein. Er gibt einen gewissen Rahmen vor, in dem man sich aber selbst bewegen soll. Er erwartet Kreativität von seinen Spielern und sagt: "Seid frei, sucht Lösungen und baut Connections auf, um euch zu entwickeln." Irgendwann versteht man sich fast blind auf dem Platz und ist erfolgreich.
Apropos erfolgreich: Energie ist als Aufsteiger nach 13 Spieltagen Tabellenführer der 3. Liga. Was macht die Mannschaft so stark?
Dass sie ein sehr gutes Kollektiv ist. Du hast ein paar talentierte Spieler dabei, wie zum Beispiel Lucas Copado, der mit seinen 20 Jahren ja auch noch eine Entwicklung nehmen wird. Dann hast du ein paar erfahrene Spieler, die die Mannschaft führen können und ein paar Kreativspieler – Pele hat sie gerne Unterschiedsspieler genannt. Tolcay Ciğerci ist so einer und natürlich Timmy Thiele, der vorne seine Tore macht. Selbst im Spiel gegen Essen hat man gesehen, dass Energie viel Tempo hat und sehr mutig nach vorne spielt.
Trauen Sie den Cottbusern den direkten Durchmarsch in die 2. Bundesliga zu?
Ich habe ja selbst anderthalb Jahre in der 3. Liga gespielt und gemerkt, dass sie unberechenbar ist. Es kann einfach jeder jeden schlagen, deswegen wird es sehr interessant. Aber wünschenswert ist es auf jeden Fall. Die Energie-Fans und das Umfeld haben es verdient, wieder Zweitligafußball in der Lausitz zu sehen. Ich durfte das viereinhalb Jahre lang erleben und wäre auch gerne noch länger geblieben.
Warum hat es für Sie bei Energie Cottbus und in der Region damals so gut gepasst?
Die Leute in der Lausitz waren ein bisschen, wie mein Umfeld hier im Ruhrpott – immer offen und ehrlich. Klar war der Ton manchmal sehr rau, aber es gab diese Euphorie, diese Freude am eigenen Verein. Alle ziehen an einem Strang und auch das Kleine fand ich sehr, sehr gut. Man hatte das Gefühl, jeden zu kennen.
Wie ist das spürbar gewesen?
Wenn du rausgehst in die Stadt, dann siehst du Menschen und bist einfach cool mit ihnen. Du wirst erkannt, quatschst auch mit den Leuten, aber fühlst dich nicht bedrängt. Und wenn du willst, lassen sie dich auch in Ruhe. Auch innerhalb der Mannschaft triffst du dich. Wir sind oft mit vier oder fünf Leuten einen Kaffee trinken oder was essen gegangen und haben dann zufällig noch andere Jungs getroffen. Gefühlt warst du dann mit der ganzen Mannschaft essen, obwohl du dich gar nicht verabredet hattest. Diese Verbindung, dieses Vertrauen hatten wir dann auch auf dem Platz.
Mittlerweile sind Sie zurück im Ruhrpott und Co-Trainer der U21 vom VfL Bochum. Wie viel Pele Wollitz hat der Trainer Marc-Andre Kruska in sich?
Ich habe von jedem Trainer ein bisschen was mitgenommen – selbst von denjenigen, bei denen ich dachte: "Boah, das ist echt nicht mein Typ." Aber spätestens, wenn ich emotionale Ansprachen und motivierende Reden halten darf, kommt der Pele in mir raus.
Wollitz hat mittlerweile für 2025 das Ende seiner Trainerlaufbahn angekündigt. Sie verhalfen Bochum vergangene Saison als Aushilfs-Co-Trainer in der Bundesliga zum Klassenerhalt. Haben Sie Ihre eigene Karriere gedanklich schon vorgezeichnet?
Das fragen mich noch jüngere Trainer ziemlich oft. Ich habe als Spieler schon viel erlebt und weiß, wie schnelllebig das Fußball-Geschäft ist. Deswegen bin ich da eher entspannt. Ich bin vor allem zurück in meine Heimat gekommen, um näher an meiner Familie zu sein. Ich möchte meinen Sohn sehen und bei meinen Eltern sein. Auch weil meine Mutter nicht mehr den Gesundheitszustand hat, dass sie alles entspannt alleine hinbekommt. Da siehst du das Leben wieder als Leben und weißt, dass du jeden Tag genießen musst.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jakob Lobach, rbb Sport.
Sendung: rbb, 02.11.2024, 14 Uhr