Interview | Kältebus-Fahrerin in Berlin - "Als er gecheckt hat: Ich bin jetzt im Warmen - das war toll"
Der Kältebus der Berliner Stadtmission ist ab November wieder im Einsatz. Marie-Sophie Bächle ist eine der Fahrer:innen. Im Interview erzählt die Berliner Studierende, wie die Einsätze ablaufen und welche Situationen ihr besonders nahe gegangen sind.
Die Kältebusse der Berliner Stadtmission [berliner-stadtmission.de] kümmern sich um Menschen auf der Straße, die durch die Kälte in Gefahr sind. Zum einen nehmen sie Obdachlose auf der Straße auf und bringen sie zu Notunterkünften, in denen die sie nachts schlafen können. Andererseits versorgen sie die Menschen aber auch mit Schlafsäcken oder warmen Getränken und Speisen, wenn diese nicht in Unterkünfte gebracht werden möchten oder können.
rbb: Marie-Sophie Bächle, wie können wir uns so eine Schicht beim Kältebus der Berliner Stadtmission vorstellen?
Marie-Sophie Bächle: Wir treffen uns um circa 19:30 Uhr und dann wird erstmal der Bus beladen, mit Schlafsäcken und heißem Wasser und so weiter. Ab 19 Uhr kann das Callcenter angerufen werden und über eine App im Bus sehen wir dann die Aufträge und fahren an die jeweiligen Orte. Wenn wir um 20 Uhr losfahren, gibt es meistens schon sehr viele Aufträge.
Was passiert, wenn ich bei der Nummer des Kältebusses anrufe?
Am besten beschreibt man den Kolleginnen und Kollegen im Callcenter die Situation. Wichtig ist, die Person anzusprechen und zu fragen, ob sie möchte, dass wir angerufen werden. Wenn man sich aber nicht sicher ist, ob man die Person ansprechen möchte, die man vorgefunden hat, kann man das auch der Person im Callcenter sagen. Das sind alles Leute, die selbst Kältebus fahren. Die können dann auch mit der Person kommunizieren und überlegen, was zu tun ist.
Viele wissen bestimmt nicht, ob jetzt der richtige Moment ist, jemanden anzusprechen oder den Kältebus zu rufen. Oder sie scheuen sich, die Person anzusprechen. Gibt es einen Tipp, wann ich auf jeden Fall anrufen sollte?
Im besten Fall passiert es immer mit dem Einverständnis der Person, aber wenn man sich nicht sicher ist, kann man auch erstmal anrufen und sich quasi im Callcenter beraten lassen. Ein Alarmsignal ist auf jeden Fall, wenn eine Person sehr leicht bekleidet ist oder sehr schutzlos irgendwo sitzt und eben Minusgrade oder kalte Temperaturen herrschen.
Wenn die Situation lebensbedrohlich sein könnte, sollte man im Zweifel den Rettungswagen rufen, weil wir kein medizinisches Fachpersonal sind. Wenn eine Person nicht mehr ansprechbar ist, dann am besten sofort den Krankenwagen rufen.
Abgesehen davon kann man auch ein bisschen auf sein Bauchgefühl vertrauen. Ich habe das zumindest voll oft, wenn ich so durch die Straßen gehe, dass ich das Gefühl habe, diese Person braucht Hilfe. Dann einfach uns anrufen oder die 112 – und nicht darauf warten, dass es vielleicht jemand anderes macht.
Die ein oder andere Geschichte kann sicherlich nahegehen. Gibt es irgendwas, was Ihnen besonders im Kopf hängen geblieben ist von einer Person?
Ich weiß nicht, welche ich erzählen kann, weil manche schon krasser sind, aber eine erinnere ich. Wir sind auf einen Supermarktparkplatz gefahren und da lag eine Person, und zwar da, wo die Einkaufswagen stehen. Wenn wir nicht die genaue Beschreibung gehabt hätten, hätten wir sie nie gefunden. Er hat nur Polnisch gesprochen, und immer nur wieder Hilfe, Hilfe gesagt. Das konnte er auf Deutsch. Wir haben ihn dann eingepackt und alle möglichen Notunterkünfte abtelefoniert. Er wollte zwar, dass wir ihm helfen, aber man merkte: Er hat nicht verstanden, wo wir jetzt eigentlich hinfahren. Trotzdem hat er uns irgendwie vertraut, das war schon krass zu sehen. Und als wir dann bei der Notunterkunft angekommen sind und er gecheckt hat, okay, ich bin jetzt im Warmen, ich habe jetzt ein warmes Bett, dieses Realisieren in seinen Augen zu sehen, das war toll.
Kann es auch mal passieren, dass keine Anlaufstelle gefunden wird?
Mit dem Kältebus meistens nicht, weil die Unterkünfte Ausnahmen machen. Es gibt reguläre Öffnungszeiten, in denen Leute kommen dürfen, und wir vom Kältebus dürfen auch noch nach diesen Zeiten Leute bringen. Man muss halt wissen, wo man anrufen kann. Da gibt es die Berliner Kältehilfe-App – und das ist auch ganz nice, wenn man die auf dem Handy hat. Es gibt eine Karte von Berlin, und da ist dann eingezeichnet, wo es Unterkünfte gibt und auch die Nummern und Öffnungszeiten. Auch damit kann man Leuten weiterhelfen.
Wenn ich jetzt in meinem Alltag wenig Kapazitäten habe, um den Kältebus als Ehrenamtliche zu unterstützen, aber zum Beispiel meinen Kleiderschrank gerade aussortiere oder Bettwäsche, kann ich damit irgendwie unterstützen?
Ja, Sachspenden sind immer willkommen. Am besten in die Lehrter Straße 68 bringen, da gibt es auch Container für Klamotten oder halt auch einfach am Empfang abgeben. Die wissen dann auch, was damit zu tun ist.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führten Josephin Domaschke und Annette Volmer für Fritz vom rbb
Sendung: Fritz, 1.11.2024,
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