Joshua Tasche aus Falkensee - Wenn der Traum von Olympia vom Rugby in den Eiskanal führt
Joshua Tasche aus Falkensee sprintete bei den deutschen U20-Meisterschaften, spielte in der Rugby-Nationalmannschaft - und schob bei der WM einen Viererbob an. Alles getrieben von seinem Traum von Olympia. Dem ist er nun näher denn je. Von Denis Frank
"Eigentlich hasse ich den Winter!" Für einen Sportler, der gute Karten hat, bei den nächsten Olympischen Winterspielen 2026 an den Start zu gehen, ist das eine bemerkenswerte Aussage. Doch Bob-Anschieber Joshua Tasche aus Falkensee ist alles andere als ein gewöhnlicher Sportler. Denn der 27-jährige Brandenburger hat es in gleich drei olympischen Sportarten weiter gebracht, als es sich viele erträumen könnten und feierte kürzlich seinen ersten Einsatz bei der Bob-WM - rund zwei Jahre, nachdem er zum ersten Mal überhaupt in einem Bob gesessen hatte.
Innerhalb von einem Jahr ins Rugby-Nationalteam
In seiner Jugend spielte Joshua Tasche elf Jahre lang Fußball, aber erst in der Leichtathletik zeigte der Falkenseer sein sportliches Potenzial so richtig. Er entwickelte sich als Teenager zu einem der besten Nachwuchs-Sprinter der Region, nahm an der deutschen U20-Meisterschaften teil. Seine Chancen, es bis zu Olympia zu schaffen, hielt er aber selbst für überschaubar. Also ließ er sich von einem Freund animieren, Rugby auszuprobieren - ohne viel von dem Sport zu wissen oder gar einen einen Ball in der Hand gehabt zu haben.
Rugby war aber seit den Spielen in Rio 2016 wieder olympisch. So brachte der Traum von Olympia Tasche zum nächsten Sport. Und er überzeugte im Trikot des Berliner Rugby Clubs direkt. 2015 wurde er - keine zwölf Monate nach seinem erstem Rugby-Training - nach den deutschen Meisterschaften im olympischen 7er-Rugby zu einem Sichtungslehrgang des Nationalteams eingeladen und schaffte es in den A-Kader am Olympiastützpunkt Heidelberg.
Besonders die ersten zwölf Monate waren für Tasche in der neuen Wahlheimat knüppelhart. Im Gespräch mit rbb|24 sagt er heute: "Es war das wichtigste Jahr in meinem bisherigen Leben, ich habe viel über mich gelernt und vor allem durchzuhalten." Oft sei er abends nach dem Training mit dem Gedanken nach Hause gegangen, dass es "eine richtig dumme Idee" gewesen sei. Denn gegen die besten Rugby-Spieler im Land hatte Tasche erhebliche Probleme. Heute kann er mit einem Lachen zurückblicken: "Ich war selbst am Ende meiner Rugby-Karriere nicht der beste Spieler, aber am Anfang konnte ich nicht mal einen Ball fangen." Doch der Falkenseer bewies Durchsetzungsvermögen - und belohnte sich mit etlichen Einsätzen für Deutschland.
"Was Joshua ausmacht, ist dass er immer unglaublich hart an sich gearbeitet hat - dieser unbedingte Wille zeichnet ihn aus", sagt Clemens von Grumbkow, Ex-Kapitän und später Trainer der Nationalmannschaft, im Gespräch mit rbb|24. Zum ganz großen Durchbruch reichte es dennoch nicht. Nach vier Jahren wurde Tasches Sportförderung zum 31. Dezember 2020 mitten in der Corona-Krise vom damaligen Nationaltrainer beendet. Der Falkenseer musste sich erneut umorientieren und der Traum Olympia schien weiter entfernt denn je.
Olympia-Traum lebt im Wintersport weiter
Nun kam ihm aber eine Verbindung zugute, die er 2019 geknüpft hatte. Bei einer Veranstaltung der deutschen Sporthilfe hatte Tasche einige Protagonisten aus dem deutschen Bob-Team kennengelernt. Aufgrund seiner eigenen Familiengeschichte faszinierte ihn der Bobsport sowieso seit jeher. Tasches Vater ist gebürtiger Jamaikaner und die im Hollywood-Klassiker "Cool Runnings" verfilmte Geschichte des jamaikanischen Bob-Teams, das 1988 in Calgary erstmals bei Olympia teilnahm und die Sport-Welt faszinierte, gehört im Heimatland seines Vaters zur Nationalfolklore.
So stürzte sich Tasche in das Abenteuer Bob und den Eiskanal. Auch weil er wusste, mit Speed und Trainingseifer die richtigen Voraussetzungen für den Sport mitzubringen. Dank seiner Verbindungen in den Bobsport durfte Tasche am bayerischen Königssee wenige Wochen nach seinem letzten Rugby-Training erstmals probeweise anschieben. Die erste richtige Fahrt im Bob absolvierte Tasche schließlich in Winterberg, auf der im Viererbob Geschwindigkeiten bis zu 140 km/h erreicht werden. Der erste Gedanke auf der Premierenfahrt? "Auf was habe ich mich hier eingelassen", erinnert er sich heute. Weder war er mit den hohen G-Kräften im Eiskanal noch mit der eingeschränkten Sicht hinter dem Piloten oder der extremen Enge im Bob vertraut.
Schicksal fügt sich gleich zwei Mal
Doch davon und auch vom eigentlich so verhassten Winterwetter ließ sich Tasche nicht abschrecken. Im darauffolgenden Sommer investierte er viele Trainingsstunden, um im Winter 2021/2022 im Europacup bei Pilot Jonas Jannusch erste Wettkampf-Erfahrung sammeln zu können. Im Winter 2022/2023 sollte es für den Bob-Neuling trotz großer Fortschritte in Technik, Kraft und Speed sowie einer Top-Ten-Platzierung im nationalen Leistungsvergleich der besten Anschieber eigentlich im zweitklassigen Europacup weitergehen.
Doch dann fügte sich das Schicksal gleich zwei Mal für Tasche innerhalb weniger Wochen. In einem weiteren Leistungstest lieferte Tasche im Januar 2023 die zweitbeste Zeit ab - und genau zu diesem Zeitpunkt suchte mit Johannes Lochner einer der erfolgreichsten deutschen Bob-Piloten aufgrund mehrerer Verletzungen einen Anschieber für die anstehenden Saison-Höhepunkte im Weltcup und bei der Weltmeisterschaft.
Last-Minute-Nominierung zu WM
So wurde Joshua Tasche in allerletzter Minute zunächst zum Ersatzmann und fuhr mit dem Team des bayerischen Bob-Veterans zum Weltcup nach Altenberg. Lochner war durch die Bestzeit beim Anschub-Test und einen Hinweis des Bundestrainers auf Tasche aufmerksam geworden, sagt er im rbb|24-Interview. Tasches ungewöhnliche Vorgeschichte kannte er aber noch nicht.
Tasche und sein neues Team hatten kaum Zeit, sich zu finden - und das in einem Sport, in dem es auf Hundertstel einer Sekunde beim Start ankommt, die Koordination im Team essenziell ist und jeder Handgriff sitzen musste. Einige Trainingsfahrten vor dem Weltcup in Altenberg, bei dem Tasche als Ersatzmann dabei war, mussten genügen. Auch bei der darauffolgenden Weltmeisterschaft am ersten Februar-Wochenende auf der legendären Natureisbahn von Sankt Moritz sollte der Brandenburger als Ersatzmann dabei sein, ohne zuvor überhaupt ein einziges Mal im Weltcup gestartet zu sein.
Fehlerfreie Leistung und doch undankbarer Vierter
Dass Tasche schließlich bei der WM in der Schweiz überhaupt mit im Bob sitzen würde, stand erst vier Stunden vor dem ersten Lauf endgültig fest. Tasche ersetzte den mit einer Muskelverletzung im Oberschenkel kurzfristig ausgefallenen Christian Rasp, was das Team vor weitere Probleme stellte. Denn Tasche ist mit seinen rund 100 Kilogramm Körpergewicht einige Kilo schwerer als der eigentlich als Starter eingeplante Rasp.
Wie Pilot Lochner erläutert, hatte man aufgrund der Verletzungssorgen bei Rasp schon die beiden anderen Anschieber angewiesen, jeweils ein, zwei Kilo zu verlieren, damit man eine Disqualifizierung durch ein Reißen der Gewichtsobergrenze nicht riskieren würde. "Joshi selbst meinte dann, dass er wegen der Nervosität bei einem potenziellen Start sowieso keinen Bissen herunterbekäme und am Morgen des Rennens nicht von der Schüssel runterkäme", erzählt Lochner rückblickend mit einem Lachen.
Beim Rennen ließ sich Tasche vom Drumherum nicht beeindrucken oder schien die Nervosität zumindest gut zu kaschieren: In den vier Läufen der Weltmeisterschaft auf der Natureisbahn des Schweizer Nobel-Wintersportorts lieferte Tasche eine fehlerfreie Leistung ab. Für das Team Lochner reichte es am Ende knapp nicht zur Medaille. Beim Sieg des Teams von Francesco Friedrich landete die in letzter Minute zusammengestellte Bob-Mannschaft am Ende auf dem undankbaren vierten Rang.
Das Ziel Olympia ist realistischer denn je
"Mir wurde dann im Nachhinein eigentlich erst bewusst, dass ich ihn voll ins kalte Wasser geworfen habe", wie Pilot Lochner rückblickend im Gespräch mit rbb|24 erklärt. Eigentlich hätte man den Neuling in der Weltspitze "ein wenig an die Hand nehmen müssen." Doch Tasche sei bis dahin "unglaublich selbstbewusst aufgetreten." Dass er eigentlich ein "blutiger Anfänger" ist, realisierte der mehrfache Weltmeister und zweifache Silbermedaillengewinner bei Olympia 2022 in Peking erst nach dem Rennen. "Ich hätte schwören können, dass Joshi seit zehn Jahren Bob fährt", so Lochner weiter, denn Tasche habe sich nicht einen einzige Patzer geleistet und das obwohl man kaum gemeinsame Trainingszeit hatte.
Der Werdegang Tasches beeindruckt auch Lochner, der schon einige ehemalige Sprinter nach dem Wechsel in den Bobsport beobachtet hat: "Wir haben Leute, die fahren zehn Jahre Bob und kriegen es immer noch nicht auf die Kette - das, was Joshi da geleistet hat, ist keine Selbstverständlichkeit." Tasches Trainingseifer und seine Körperbeherrschung zeichnen ihn, so das Urteil Lochners, besonders aus.
Seit seinem Debüt bei der WM konnte Tasche in Innsbruck und dem lettischen Sigulda auch seine ersten Weltcup-Einsätze und seinen ersten Podiums-Platz feiern. Das Ziel Olympia ist für Tasche nun realistischer denn je. Pilot Lochner glaubt ebenso an die Chancen seines Anschiebers: "Definitiv hat er das Potenzial - man kann ihn auf allen drei Positionen einsetzen und er hat ein Gefühl für den Sport. Er wird seinen Platz finden."